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An seinem 50. Geburtstag im April 1939 schenkte sich Hitler die größte Militärparade der deutschen Geschichte und kündigte damit den Krieg im September an.

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Am 30.1.1939 hielt Adolf Hitler im Berliner Reichstag eine große Rede anlässlich des Jahrestages seiner "Machtergreifung" sechs Jahre zuvor. Er sagte unter tosendem Applaus: "Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum innerhalb und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa." Damit wurden, nur pro forma in einen Konditionalsatz gekleidet, zwei Großverbrechen angekündigt: die Absicht, einen neuen Weltkrieg auszulösen; und zweitens, die Juden zu vernichten.

Hitler kündigte seine massenmörderischen Pläne immer wieder an. Die seriöse Zeitgeschichte weiß das, viele aufgeklärte Bürger wissen das. Warum heute daran erinnern? Weil es (wieder einmal) Zeit ist, gewisse fundamentale Tatsachen festzuhalten. Für neue Generationen. Für nur halb Interessierte und halb Informierte (damit sie sich nicht ausreden können). Für diejenigen, die den rechtspopulistischen und rechtsextremen Verneblern, Verharmlosern, Desinformationsverbreitern auf den Leim gehen. Denn die Verbrechen wurden klar angekündigt.

"Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum (...) gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa."
Adolf Hitler am 30. 1. 1939

"Die Frage nach der Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg ist absurd." Jeder Staat habe das Recht, Krieg zu führen, dadurch definiere sich staatliche Souveränität. Schuld sei ein moralistischer Terminus.
Lothar Höbelt 2020 zum STANDARD

Dieser Tage wird international die 75. Wiederkehr der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz begangen. Es mangelt nicht an offiziellen Bekundungen. Aber ein Stockwerk darunter breitet sich giftiger Nebel aus. An der Universität Wien lehrt ein Geschichtsprofessor, der u. a. die Meinung vertritt, es sei "absurd" über die Schuld am Zweiten Weltkrieg zu diskutieren; der schon seit langer Zeit gegen das Verbotsgesetz polemisiert, weil man Geschichtliches nicht von Staats wegen "verordnen" dürfe. Ein Geschichtsprofessor, der uns erzählt, dass man aus der Geschichte nichts lernen soll. Der dagegen ist, dass Zeitzeugen in die Schulen gehen. Der sich an Festschriften für Holocaustleugner beteiligt. Linke Studenten haben jetzt die Vorlesung dieses Universitätsprofessors gestört, worauf rechtsextreme Burschenschafter und Identitäre aufmarschierten und – wie in den Dreißigerjahren – der Ruf "Juden raus!" ertönte. Die FPÖ verteidigt Lothar Höbelt, der als ihr Historiker und Vorzeigeintellektueller auftritt.

Geschickter Relativierungskünstler

Der "Professor Einzelfall" Höbelt ist ein geschickter Relativierungskünstler. Die Frage nach der Schuld am Zweiten Weltkrieg sei für ihn "absurd", Schuld nur ein "moralistischer Terminus". Die Gedenkkultur wird massiv abgewertet: "Nur Marketing, um Fördermittel zu bekommen", höhnt Höbelt in der STANDARD-Videodiskussion mit einer Studentenvertreterin. In der FPÖ, aber nicht nur dort, gibt es haufenweise "Einzelfälle".

DER STANDARD

Die Lehrerin und Buchautorin Susanne Wiesinger berichtet von Schulklassen, in denen ein Unterricht über den Holocaust wegen des Widerstands muslimischer Schüler nicht möglich ist. Rund 40 Prozent der österreichischen Jugendlichen besuchen Berufsschulen, wo aus Lehrplangründen viel weniger über den Nationalsozialismus aufgeklärt wird als in den AHS. Unter Lehrlingen ist die Zustimmung zum "starken Mann" viel größer als unter anderen Jugendlichen. Eine Sora-Umfrage aus dem Jahr 2017 erhob, dass immer noch 29 Prozent der Bevölkerung denken, der Nationalsozialismus habe "sowohl Gutes wie Schlechtes" gebracht.

Die wenigsten, die so denken, sind Nazis. Aber die Zustimmung zu autoritären Lösungen, zur illiberalen Demokratie ist gestiegen. Nach einer aktuellen Sora-Umfrage fänden 22 Prozent einen "starken Führer" gut, "der sich nicht um Wahlen oder das Parlament kümmern muss". Die klassische Definition eines Diktators. Ein Hitler wird wohl nicht wiederkommen. Aber die Versuchung, sich "starken Führern" zu unterwerfen, ist stärker denn je – man denke nur an Polen, Ungarn, die Türkei, Brasilien, die Philippinen, letztlich auch Donald Trumps USA, die Lega in Italien, die AfD in Deutschland.

Hitler ist seinen Zeitgenossen als "starker Mann" erschienen, der in schweren Zeiten Erlösung bringen würde. Seine mörderischen Pläne offenbarte er aber bereits 1925 in seinem programmatischen Buch Mein Kampf, das später Millionenauflagen erlebte. Darin kommen immer wieder zwei fixe Ideen vor. Zunächst die Eroberung von "Lebensraum" im Osten: "Wollte man in Europa Grund und Boden, dann konnte dies im Großen und Ganzen nur auf Kosten Russlands geschehen, dann musste sich das Deutsche Reich wieder auf der Straße der einstigen Ordensritter in Marsch setzen (...)." Im selben Buch fantasierte er, der Erste Weltkrieg wäre anders ausgegangen, wenn man "zu Kriegsbeginn und während des Krieges einmal zwölf- oder fünfzehntausend dieser hebräischen Volksverderber so unter Giftgas gehalten (hätte)". Und: "Es war die Pflicht einer besorgten Staatsregierung gewesen, nun (...) die Verhetzer dieses Volkstums unbarmherzig auszurotten. Wenn an der Front die Besten fielen, dann konnte man zu Hause wenigstens das Ungeziefer vertilgen."

Hitlers Vernichtungskrieg

Judenvernichtung und "Lebensraum"-Krieg bildeten in Hitlers Denken eine unauflösliche Einheit. Was den Krieg betrifft, so sprach er intern sofort nach seiner Machtergreifung am 30.1.1933 Klartext: Bereits am 3.2. breitete er vor den Befehlshabern des Heeres und der Marine sein Programm für die Wehrmacht aus: "Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung". Beinahe gleichzeitig erläuterte er dem Kabinett, die großen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dienten vor allem der "Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes". Das war, was Jörg Haider dann "die ordentliche Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches" nannte.

Es folgten ständige Updates. Am 5.11.1937 skizzierte Hitler den Oberbefehlshabern von Heer, Luftwaffe und Marine seine Pläne, Österreich und die "Tschechei" einzuverleiben. Das eigentliche Ziel aber sei die Beseitigung der "Raumnot" durch weitere Expansion im Osten. Dazu könne es "nur den Weg der Gewalt geben", der "niemals risikolos" sei. Es sei aber nur noch das Wann und Wie zu entscheiden (siehe das sogenannte Hoßbach-Protokoll).

Am 20.4.1939, seinem 50. Geburtstag, fand in Berlin die größte Militärparade der deutschen Geschichte statt, bei der stundenlang die modernsten Waffensysteme und Kolonnen von Stechschritt-Marschierern an Hitler und hunderttausenden Zusehern vorbeizogen. Wer diese ultramoderne Riesenarmee sah, wer die aggressive Begleitrhetorik hörte, der wusste: Hitler kündigte mit dieser Geburtstagsparade den Krieg an.

Der Russlandkrieg war von Anfang an als Vernichtungskrieg geplant. Gegen Juden wie gegen Slawen. In einem seiner berühmten "Tischgespräche" im Führerhauptquartier sagte Hitler am 17.9.1941: "Der Kampf um die Hegemonie in der Welt wird für Europa durch den Besitz des russischen Raumes entschieden (...). Der Slawe ist eine geborene Sklavenmasse, die nach dem Herrn schreit. (...) Die slawischen Völker sind zu einem eigenen Leben nicht bestimmt".

Wenn dutzende Millionen Slawen verhungerten, so sei das in Kauf zu nehmen. Eine aktive, systematische Tötung aber war für die Juden vorgesehen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion ("Lebensraum im Osten") am 22.6.1941 begannen sofort Massenerschießungen von Juden hinter der Front durch Sondereinheiten (u. a. durch die Waffen-SS-Einheit, der der spätere FPÖ-Chef Friedrich Peter angehörte). Gleichzeitig wurde Hitlers Propagandamaschine gegen die "jüdische Weltverschwörung" auf Hochtouren gedreht. Hitlers Vertrauter Joseph Goebbels notierte nach einem Gespräch am 18.8.1941 die Aussage des "Führers": "Im Osten müssen die Juden die Zeche bezahlen; in Deutschland haben sie zum Teil schon bezahlt und werden sie in Zukunft noch mehr bezahlen müssen." Am 15.9.1941 wurde das Tragen des Judensterns befohlen. In den nächsten Monaten begannen die Deportationen in den Osten und die Massenvernichtung durch Gas. Goebbels schrieb in der Zeitschrift Das Reich am 16.11. unter Bezug auf Hitlers Prophezeiung von 1939 ganz offen: "Das Weltjudentum erleidet nun einen allmählichen Vernichtungsprozess."

"Geschichtswissenschaft dient dazu, Kausalitäten zu begreifen", sagte Höbelt in dem erwähnten STANDARD-Gespräch und meint damit, sie diene nicht dazu, irgendwelche moralische Lehren daraus zu ziehen. In Ordnung, Herr Professor. Es gibt eine klare Kausalität zwischen der Katastrophe und der Tatsache, dass man ihre freche Ankündigung durch einen "starken Führer" nicht ernst genommen hat. (Hans Rauscher, 25.1.2020)