Es muss mittlerweile um eine Frage der Ehre gehen. Die Ehre, die bei den Burschenschaften, neben der Vaterlandsliebe und der Freiheit ja so hochgehalten wird, wie FPÖ-Chef Norbert Hofer am Freitag bei seiner Eröffnungsrede des Wiener FPÖ-Balls festhielt.

Aber anders ist es wohl nicht mehr zu erklären, warum das dritte Lager so sehr am Veranstaltungsort seines Akademikerballs festhält. Zwar erklärte Ballorganisator Udo Guggenbichler von der Wiener FPÖ vorab, es seien bereits rund 2.000 Ballkarten verkauft worden, doch finanziell rentieren kann es sich beim überschaubaren Publikum in der Wiener Hofburg kaum noch. Und so richtig gemütlich und gesellig wird es bei zu vielen Räumen für zu wenige Menschen halt auch nicht. Kaum einer der anwesenden Securitys oder Kellner schätzt die Besucherzahl vierstellig. "Am Montag beim Jägerball werden zehnmal so viele Leute da sein", analysiert ein arrivierter Kellner. Da werde es stressiger, aber auch lässiger – und lukrativer.

Aber so einfach in eine kleinere, der Größe des Ballpublikums entsprechende Location umzuziehen, kommt wohl sowohl für die Organisatoren des Akademikerballs als auch für die treuesten Ballgäste nicht in Frage. Seit etlichen Jahren hatte man sich mit politischen Widersachern duelliert und für das Tanzrecht in den Prunksälen der Republik gekämpft. Als die anhaltenden Proteste 2012 Wirkung zeigten und der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) in Gefahr schien, stellte sich die Freiheitliche Partei vor seine Burschenschafter und übernahm ab 2013 die Veranstaltung und die Organisation des umgetauften Akademikerballs.

Der Ball als Politikum

Manch alter Herr zeigt sich dennoch geknickt. Er komme seit vier oder fünf Jahrzehnten zum Ball, so schlecht wie heuer sei er aber noch nie besucht gewesen. "Als er noch WKR-Ball hieß, war es hier immer gesteckt voll. Aber die Linken demolieren uns alles", sagt er. Ballorganisator Guggenbichler sagt in seiner Rede in Richtung der Demonstranten jedoch hämisch, dass diese auch schon mal besser drauf gewesen seien. Schließlich habe er nur fünf Minuten im Stau warten müssen bei der Anreise.

Um die Ehre gehe es, sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer.
Foto: APA/FPÖ/MIKE RANZ

Und auch FPÖ-Chef Hofer und FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp erklärten, dass sie sich das Tanzen und Feiern in der Hofburg nie nehmen lassen werden. Mancher Ballbesucher ist aber anderer Auffassung: "Die Linken haben es geschafft den Ball zu einem Politikum zu machen", ärgert sich etwa ein deutscher Gast. Vielen sei es mittlerweile einfach zu anstrengend und lästig, sich durch Demonstranten zu einem Ball zu zwängen, sagt ein anderer Korporierter.

Ganz so einfach ist die Rechnung aber wohl nicht. Zweifelsfrei trübt auch die politische Großwetterlage der Blauen die Stimmung und die Besucherzahl deutlich. Acht Monate nach Ibiza ist zwar einer der Hauptprotagonisten der blauen Sommertragödie – Johann Baptist Gudenus – bestens gelaunt am Ball zu sehen. Ex-Chef Heinz-Christian Strache ist und bleibt aber der große Abwesende – und viele wissen wohl nicht so recht, wie sie das finden sollen. Wer sich nach Euphorie, Jubel und Sprechchören bei Reden sehnt, war bei Straches erster DAÖ-Rede am Vortag des Balls in den Sofiensälen jedenfalls definitiv besser aufgehoben als bei Guggenbichler, Hofer, Nepp oder Festredner Hannes Hundegger.

Die Linken, so sagt Guggenbichler, demolieren der FPÖ alles.
Foto: APA/FPÖ/MIKE RANZ

Etwas mehr als der übliche Höflichkeitsapplaus brandet nämlich nur auf, als Hofer und Guggenbichler zu einer abermaligen Breitseite gegen "sogenannte Qualitätsmedien" (Hofer) ausholen, vermutlich weil diese den Besuch von Identitären-Chef Martin Sellner in den Tagen vor dem Ball thematisierten. "Ich lass' mich von keiner Presse zur Diskriminierung nötigen", sagt Guggenbichler wohl in Bezug auf die Anwesenheit Sellners. Niemand werde eingeladen, jeder dürfe kommen, so de Tenor. Hofer, der schon 2016 sagte, er wolle "mit Identitären nichts zu tun haben", fürchtet gar um die Freiheit wenn man gewisse Leute nicht am Ball willkommen heißen dürfe. Ebenfalls gefährdet seien außerdem die Freiheit, ein Diesel zu fahren, einen Schweinsbraten zu essen und eine nicht-gegenderte Diplomarbeit abgeben zu können. Schuld daran seien in diesem Falle aber auch Türkis-Grün – nicht nur die Medien.

Eine Partei, keine Bewegung

Apropos Türkis: Diese führten mit ihrer sogenannten Bewegung nun die populistische Grundidee eines gewissen Jörg Haiders weiter, der sich als ehemaliger Parteivorsitzender der Blauen bekanntlich von der FPÖ trennte und das BZÖ gründete. Auch Strache sprach in den Sofiensälen von einer Bürgerbewegung.

Hofer selbst will aber einen anderen Weg gehen, eine ideologische Vertiefung suchen – sowohl im Parteiprogramm als auch im täglichen Leben. Und dafür brauche es die Burschenschafter, sagt er am Ball. "Ihr seid der wahre und harte Kern, an dem man aufbauen kann", schmeichelt er den versammelten Korporierten und bittet sie sogleich, noch mehr zu tun für diese FPÖ.

Höflichkeitstanz

Die offensichtliche Anbiederung an Sellner und Co schmeckt allerdings nicht allen Ballgästen. Manch einer echauffiert sich bei seinen Freunden, dass er wegen "Sellners Selbstbeweihräucherung vor den Medienvertretern" bei der Ankunft einige Minuten länger im Taxi verbringen musste. Um seinem Unmut noch mehr Kraft zu verleihen, schimpft er sogleich auch noch über dessen Frisur. Dass beinahe jeder zweite unter 35 am Ball und auch sein Gesprächspartner dieselbe tragen, scheint ihn dabei nicht zu stören. Oder es fällt ihm nicht auf, andernfalls hätte er es wohl aus Höflichkeitsgründen unterlassen.

Dass Identitären-Chef Martin Sellner den Ball besuchte, schmeckte nicht allen.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Burschenschafter sind nämlich höflich. Nicht selten kommt es beim Wechsel von einem ins nächste Zimmer der Hofburg zu kurzen Wartezeiten, weil zwei einander gegenüberstehende Männer einander wiederholt den Vorrang anbieten. Manch einer nützt die paar Sekunden Wartezeit sogleich für einen Blick auf die Taschenuhr – welche in diesen Kreisen scheinbar ein gewisses Revival zu feiern scheint.

Den Blick auf die (Handy-)Uhr wagen auch zwei Barkellner kurz vor Mitternacht zum wiederholten Male. "Es ist halb zwölf. Und das schon gefühlt seit 3 Stunden. Wenn so wenig los ist, vergeht die Zeit einfach nicht", sagt einer, der noch eine lange Nacht auf sich zukommen sieht. In der Raucherbar sei das früher viel besser gewesen.

Annähernd voll ist es im Festsaal nur bei der Eröffnung und der Mitternachtsquadrille. Das Gefühl eines gut besuchten Events bekommt man an diesem Abend sowieso nur im Raucherzelt vor der Hofburg. (red, 25.1.2020)