Gerät zunehmend in Kritik: Lothar Höbelt.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien – Das Institut für Geschichte der Universität Wien reagiert auf Medienberichte der vergangenen Tage in der Causa Lothar Höbelt. In einer Stellungnahme vom Freitagabend übt die Institutsleitung heftige Kritik am FPÖ-nahen Geschichtsprofessor, der seit Jahren immer wieder mit rechtsextremen Signalen aufhorchen lässt.

Höbelts Vorlesungen wurden im November mehrmals von linken Studierenden und Antifa-Aktivisten gestört. Daraufhin riefen rechtsextreme Gruppierungen – allen voran die Identitären – dazu auf, sich in Höbelts Vorlesungen zu begeben, um dort einen vermeintlichen "Saalschutz" gegen weitere Antifa-Interventionen bereitzustellen. Auch Burschenschafter setzten sich in voller Couleur in die Vorlesung, um die Höbelt-Gegner durch ihre Präsenz in die Schranken zu weisen.

Gelegenheit zur Deeskalation nicht genützt

Am Institut für Geschichte versuchten seine Historiker-Kollegen bereits bei einer Versammlung im Dezember, auf Höbelt einzuwirken, um zu verhindern, dass seine Vorlesungen weiterhin als Tummelplatz für Rechtsextreme genutzt werden. Institutsvorständin Andrea Griesebner kritisiert nun, dass sich Höbelt nicht an diesbezügliche Abmachungen gehalten habe: "In der Institutsversammlung am 16. Dezember 2019 erklärte sich Lothar Höbelt nach mehrfacher Aufforderung bereit, Martin Sellner (Identitären-Chef, Anm.), welchen er persönlich allerdings nicht kenne, aufzufordern, den ,Saalschutz’ für seine Vorlesung zu beenden. Die Gelegenheit dazu hätte er bereits tags darauf, am 17. Dezember in seiner Vorlesung gehabt, wo neben Burschenschaftlern auch Martin Sellner und seine identitäre ‚Gefolgschaft’ anwesend waren. Entgegen seiner Zusage in der Institutsversammlung ergriff Lothar Höbelt diese Gelegenheit zur Deeskalation nicht."

Identitäre brüsteten sich mit "Saalschutz"

Die Identitären nutzten dies in den sozialen Medien, um ihre Präsenz und die Verhinderung weiterer Protestaktionen im Hörsaal 50 zu feiern, wo Höbelt seine dienstägliche Vorlesung zum Thema Zweite Republik hielt. Sie posierten hinter einem Banner mit der Aufschrift "Linksextreme Raus aus der Uni" und brüsteten sich mit ihrer "patriotischen Solidarität". Daraufhin kam es Mitte Jänner zur Eskalation. Antifa-Aktivisten wollten den erneut großspurig angekündigten "Saalschutz" der Identitären durchbrechen, was durch die Blockade der Hörsaaleingänge auch gelang. Höbelts Vorlesung musste abgesagt werden. Auf der Stiege kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Gruppierungen, Sachbeschädigungen und mehrere Anzeigen waren die Folge.

Neonazistische Handzeichen

Vergangenen Dienstag blieben Tumulte aus, die Antifa-Aktivisten verzichteten – auch angesichts verstärkter Sicherheitsmaßnahmen der Uni – auf den Versuch einer weiteren Blockade, sodass Höbelt seine letzte Vorlesung in diesem Semester ungehindert abhalten konnte.

Wieder vor Ort: führende Identitären-Kader. Wie das Onlinemedium "zackzack" berichtete, soll die rechtsextreme Gruppierung die Vorlesung zur Zurschaustellung neonazistischer Erkennungszeichen genutzt haben. So soll Martin Sellner das sogenannte "White-Power"-Symbol gezeigt haben, ein in Neonazikreisen populäres Handzeichen, das von der amerikanischen Anti-Diffamation League als Hasssymbol gelistet wird. Die vielfachen White-Power-Gesten in Höbelts Vorlesungen sind durch Fotos belegt. Die Leitung des Instituts zeigt sich darüber und über die Untätigkeit ihres Kollegen erzürnt: "Lothar Höbelt hat in seiner Vorlesung die Verwendung des White-Power-Zeichens weder kritisiert noch unterbunden."

STANDARD-Debatte sorgt für Unmut

Auch Höbelts Aussagen im Gespräch mit dem STANDARD sorgten am Institut für Unmut: "Anstatt zu deeskalieren und sich von den Identitären zu distanzieren, verwendete er das Streitgespräch mit der ÖH Vorsitzenden Jasmin Chalendi dazu, um weiter zu provozieren", schreibt Institutschefin Andrea Griesebner. Als Beispiel nennt sie Höbelts Aussagen zur Gedenkkultur an die NS-Zeit, die er "zwei Tage vor dem Gedenktag an die Befreiung von Ausschwitz" neuerlich als Marketinggag zur Eintreibung von Forschungsgeldern diskreditiert habe.

Die Kritik des Instituts an Höbelt kommt in ihrer harschen Form durchaus überraschend. In der Vergangenheit trachtete man danach, Höbelts Agieren, das intern schon lange für Kopfschütteln sorgt, zu ignorieren und öffentliche Aufmerksamkeit zu vermeiden. Im Lehrplan wurden Höbelts Veranstaltungen so positioniert, dass kein Geschichtsstudent sie pflichtgemäß besuchen muss, um das Problem gering zu halten. Seit Beginn der Protestaktionen war dieses kalmierende Haltung allerdings umstritten.

Höbelt vorerst nicht erreichbar

Mit seinen Auftritten vergangene Woche dürfte Höbelt den Bogen aus Sicht seines Instituts aber überspannt haben: "Vor allem österreichische Universitäten sind in der Verpflichtung, der schleichenden Normalisierung von rechtsextremen Gedankengut entgegenzutreten. Rechtsextremen Auftreten seitens der Hörer*innen darf in Hörsälen nicht nochmals eine Bühne geboten werden", erklärt die Institutsleitung in ihrem Statement.

Lothar Höbelt war für den STANDARD für eine Reaktion vorerst nicht erreichbar. (Theo Anders, 25.1.2020)