Rund zwei Drittel der Titel auf Amazon stammen von Nutzern und werden nicht von Amazon ausgewählt

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Manche Nutzer kennen das vielleicht. Man blättert abends ganz unentschlossen durch das Angebot von Amazons Streamingdienst Prime Video und findet einfach nichts, was einen im Moment anspricht. Je mehr Zeit man damit verbringt, die verschiedenen Kategorien zu durchstöbern und Beschreibungen zu lesen, desto tiefer dringt man in das Amazon-Meer aus Filmen und Serien ein. Nach einiger Zeit jedoch häufen sich jene fragwürdige Titel, die einem aufgrund ihrer schlechten Qualität die Stirn runzeln lassen. Immerhin stammen laut Wall Street Journal rund zwei Drittel der Titel auf Prime Video von Nutzern und Amateuren und nicht von großen Filmstudios. Wer das nicht gewusst hat, braucht sich nicht wundern, denn User-Generated-Content wird auch nicht als solcher markiert.

Verschwörungstheorien und verstörende Inhalte

Besonders in den USA, aber auch in Österreich und Deutschland ist auf Prime Video alles mögliche zu finden: von Dokumentationen über Verschwörungstheorien, gruselige Kinderserien bis hin zu Softpornos. Grund dafür ist das unscheinbare "Prime Video Direct"-Angebot Amazons, mit welchen alle Nutzer ihre eigenen Werke auf Prime Video hochladen können.

Wie Vox berichtet, sind satte 65.504 Filme und Serien für Prime-Mitglieder verfügbar – knapp 10-Mal so viel wie für Abonnenten des Streaming-Konkurrenten Netflix. Doch Quantität steht nicht immer für Qualität – bei rund zwei Drittel der Inhalte auf Amazon Prime Video handelt es sich nicht um preisgekrönte Filme und Serien, wie Fleabag oder The Marvelous Mrs. Maisel, sondern um User-Generated-Content, also Videos, die von Nutzern veröffentlicht wurden. In Relation zu den Klicks werden diese sogar dafür bezahlt.

"Verschont Prime Kunden damit" – Kunden oft enttäuscht

Ein deutschsprachiges Beispiel ist der Kurzfilm "Mein erstes Mal", der 2017 mit einer Altersbeschränkung von 12 Jahren veröffentlicht wurde. Im zweiminütigen Video-Clip wird ein junger Mann gezeigt, der von seinem "ersten Mal" erzählt. Der Zuschauer denkt zunächst, es ginge um das erste Mal Geschlechtsverkehr, doch nimmt die Erzählung rasant eine gewalttätige Wende und der Protagonist entpuppt sich als Mörder. Gezeigt wird jene Frau, mit der er ein sexuelles Verhältnis hatte, im Bett und mit Blut besudelt.

13 Rezensionen gibt es für diesen Kurzfilm, mehr als die Hälfte bewertete ihn mit nur einem Stern. "Ist gruselig und makaber, mit Tendenz zur Geschmacklosigkeit. Ladet doch solche Clips bei Youtube hoch und verschont Prime Kunden damit", schreibt ein Zuschauer. Ein anderer kritisiert die unpassende Altersbeschränkung "Der Film selber ist gut gemacht, doch finde ich es fahrlässig dass es keine FSK Abfrage gibt. Ich finde so etwas sollten Jugendliche nicht sehen."

Rezensionen zum Kurzfilm "Mein erstes Mal"
Foto: Screenshot/Amazon

Ein weiteres Beispiel ist die amateurhaft produzierte Dokumentation "Loose Change 9/11", die laut deutscher Beschreibung als "alternatives Geschichtsbuch" zum Terroranschlag auf das World Trade Center dienen soll. Die Dokumentation bietet einen pseudowissenschaftlichen Blick auf die Geschehnisse und verwendet dafür manipuliertes Material. Eine Amazon-Kundin hinterfragte in ihrer Rezension, wie die Plattform die Auswahl ihres Angebots treffe: "Wie andere auch, frage ich mich wirklich, nach welchen Kriterien es ein "Film" hierher zu Prime schafft: "Loose Change 9/11" ist ein weiteres Machwerk von Verschwörungstheoretikern für ebensolche, noch dazu ein 14 Jahre altes."

Problem Moderation

Wie jede Plattform, auf der Nutzer Inhalte veröffentlichen können, scheint Amazon noch mit der Moderation zu kämpfen. Doch anders als Facebook und Youtube ist es bei Prime Video nicht erkennbar, dass es sich um Inhalte von Nutzern und nicht von Amazon ausgewählte Titel handelt. Auch gibt es keine klar erkennbare Funktion, mit der man anstößige Inhalte melden kann. (hsu, 25.01.2019)