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Auch bei der chinesischen Neujahrszeremonie wurden Schutzmasken getragen.

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Wien –In Wien tauchte ein zweiter Verdacht einer Infektion mit dem Coronavirus auf. Bei der Person handle es sich um eine Wien lebende chinesische Staatsbürgerin, die in China Urlaub gemacht habe, sie sei nicht lebensbedrohlich erkrankt, berichtete der medizinische Direktor des Krankenanstaltenverbands Michael Binder. Die Frau befindet sich in Isolation im Kaiser-Franz-Josef-Spital, die Ergebnisse, ob es sich bei ihr um eine Infektion mit dem Coronavirus handelt, werden am Montag erwartet.

Das Krankenhaus hatte erst am Abend Entwarnung im ersten Verdachtsfall gegeben. Der erste Verdachtsfall, eine chinesische Flugbegleiterin, die am Samstagabend eingeliefert worden war, sei nicht mit dem neuen Virus infiziert, teilte das Spital mit. Die Frau hatte sich zwei Tage lang in Wuhan aufgehalten. "Wir müssen sehr aufmerksam sein", sagte Binder. Für die Österreicher bestehe aber kein Grund zur Sorge. Endgültige Gewissheit gibt allerdings es erst nach Abschluss der Untersuchungen, die bis zu 48 Stunden dauern können.

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Das Innenministerium hat für Montag einen Einsatzstab einberufen, um über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Bei der Lagebesprechung werden unter anderem Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) anwesend sein.

"Derzeit gibt es keinen Grund zur Sorge in Österreich. Gleichzeitig ist es unsere Pflicht, im Hintergrund alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Österreicherinnen und Österreicher zu schützen", sagte Nehammer. Seit Samstag analysieren Experten des Gesundheits-, Außen- und Innenministerium gemeinsam laufend die Entwicklungen.

Bereits 80 Tote in China

Die Zahl der Toten durch die neuartige Lungenkrankheit in China ist bis Montag um 24 auf 80 gestiegen. Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen stieg innerhalb eines Tages um mehr als 700 auf 2744, teilte das chinesische Staatsfernsehen unter Berufung auf die Behörden mit.

Außerhalb von China wurden bisher rund 40 Fälle bestätigt. Damit ist die Zahl der Erkrankten bei insgesamt fast 2.800. Die Zahl der Infizierten in China kann weiter stark steigen, da es nach diesen Angaben rund 5800 Verdachtsfälle gibt, in denen die Diagnose noch nicht abgeschlossen ist. Darüber hinaus gibt es in Hongkong, Taiwan und Macao 17 bestätigte Erkrankungen. Von den Patienten in China sind 461 schwer erkrankt. Allein in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei, wo der Erreger vermutlich erstmals vom Tier auf den Menschen übersprang, ist der Zustand von 69 Erkrankten kritisch.

Drastische Maßnahmen

Im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung der Lungenkrankheit hat China drastische Maßnahmen ergriffen. Die Regierung in Peking kündigte nun auch an, dass die Ferien über das laufende Neujahrsfest bis einschließlich Sonntag verlängert werden. Das Virus ist inzwischen in fast jeder Provinz oder Region des Landes aufgetaucht.

"Die Lage ist angespannt, aber die Stimmung dort ist ruhig", beschrieb der chinesische Botschafter in Österreich, Li Xiaosi, am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" die Situation in der Stadt Wuhan, aus der er auch selbst stammt. Er betonte, dass China eine "sehr transparente Informationspolitik" betreibe.

Unterdessen bestätigte die Provinz Hainan den ersten Todesfall seit dem Ausbruch der Krankheit. Eine 80-jährige Frau sei nach der Infektion mit dem Virus gestorben, berichtete der Staatssender CCTV.

WHO ruft zum Handeln auf

Nach den ersten Nachweisen des Virus in Europa hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun ein gemeinsames Vorgehen gegen den Erreger angemahnt. "In einer Zeit der Unsicherheit über die Entstehung und das Verhalten eines Virus ist es umso entscheidender, dass Länder, Organisationen und die internationale Gemeinschaft als Einheit handeln", teilte das WHO-Regionalbüro Europa mit. Es sei jetzt an der Zeit, "uns bereit zu machen", erklärte das Büro.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, schrieb am Sonntag auf Twitter, dass er "auf dem Weg nach Peking" sei. Er wolle dort mit Vertretern der Regierung und Gesundheitsexperten über die jüngsten Entwicklungen und die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus beraten. Botschafter Li hob den "engen Kontakt mit der WHO" hervor.

Verdacht in Berlin ausgeräumt, bestätigte Fälle in Frankreich

Ein aus Berlin gemeldeter Verdachtsfall bestätigte sich nicht. Der Test fiel negativ aus, sagte eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung am Sonntag.

Bestätigt sind dagegen drei Krankheitsfälle in Frankreich. Ein Paar, das in einem Pariser Krankenhaus Bichat behandelt wird, war am 18. Jänner von einem Aufenthalt in Wuhan zurückgekommen, ein 48-jähriger Franzose chinesischer Herkunft, der im Weingeschäft tätig ist und regelmäßig zwischen Frankreich und China reist, wird in Bordeaux behandelt. Die Patienten sind offenbar nicht schwer erkrankt.

Fünfter Fall in Australien

In Australien ist ein fünfter Fall des neuen Coronavirus aufgetreten. Eine 21-jährige Frau sei infiziert, teilt die Gesundheitsbehörde mit. Sie sei mit dem letzten Flug aus Wuhan nach Sydney gekommen, bevor die Behörden die chinesische Millionenstadt abgeriegelt und ein Flugverbot verhängt hätten.

Auch aus Kanada wird der erste Fall einer Ansteckung mit dem Coronavirus gemeldet. Die Gesundheitsbehörde von Toronto teilte mit, es handle sich um einen Mann, der kürzlich aus Wuhan zurückgekommen sei. Sein Zustand sei stabil. In Kanada nimmt man die neue Viruserkrankung besonders ernst. Das Land war mit 44 Toten 2002/2003 das einzige Land außerhalb Asiens, in dem Tote des Sars-Virus zu beklagen waren. Auch in den USA, Thailand, Südkorea, Japan und Australien wurden bereits Erkrankungen mit dem neuen Virus registriert. Erste Staaten planen zudem Evakuierungsmaßnahmen: Die USA, Frankreich und Japan kündigten an, ihre Bürger rasch aus Wuhan zu holen.

Krisentreffen

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte am Wochenende in Peking ein Krisentreffen abgehalten. Alle Ebenen von Partei und Regierung müssten dem Kampf gegen das Coronavirus höchste Priorität einräumen, sagte er laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Partei habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das Vorgehen zu lenken. Teams würden in die Provinz Hubei entsandt, um die Arbeit vor Ort zu steuern.

Die Provinzhauptstadt von Hubei, die Millionenmetropole Wuhan, ist besonders stark vom Coronavirus betroffen. In der Metropole mit elf Millionen Einwohnern wird bereits an zwei Sonderkliniken für Corona-Patienten gebaut. Die nationalen Gesundheitsbehörden schickten mehr als 1.200 Ärzte und medizinisches Personal zur Verstärkung nach Wuhan.

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Chinas Gesundheitsminister Ma Xiaowei sagt, die Risiken seien unklar.
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Chinas Gesundheitsminister Ma Xiaowei sagte am Sonntag in einer Pressekonferenz, die Übertragungsfähigkeit des Virus werde stärker. Man rechne damit, dass die Anzahl der Infizierten weiter steigen wird. Der Virus mutiere außerdem, die Risiken dessen seien unklar.

Außerdem wurde bekannt, dass China seine nationalen Winterspiele verschieben wird. Die Wettkämpfe sollten vom 16. bis 26. Februar in der Inneren Mongolei stattfinden und eine wichtige Vorbereitung für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking sein. Ebenfalls verschoben wird der Fußball-Supercup zwischen dem Meister Guangzhou Evergrande und Cupsieger Shanghai Greenland Shenhua, der eigentlich für den 5. Februar in Suzhou terminisiert war. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Abgeschottet von der Welt

Inzwischen wurden mehr als 40 Millionen Menschen in gut einem Dutzend Städten im Herzen Chinas weitgehend von der Außenwelt abgeschottet, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Im gesamten öffentlichen Verkehr würden Fieber-Messstationen eingerichtet, gab die nationale Gesundheitsbehörde am Samstag bekannt. Passagiere mit Verdacht auf eine Infektion müssten "sofort" in eine medizinische Einrichtung gebracht werden.

Die südchinesische Stadt Haikou verfügte, dass alle Reisenden aus der Provinz Hubei rund um Wuhan 14 Tage lang in einem Hotel isoliert und medizinisch untersucht werden sollen. Hongkong verhängte einen "Virus-Notstand" für die Finanzmetropole, strich sämtliche Flug- und Schnellzugverbindungen von und nach Wuhan und kündigte die Schließung der beiden populären Vergnügungsparks Disneyland und Ocean Park an. Disneyland Shanghai, wo man rund um das chinesische Neujahr täglich rund 100.000 Besucher erwartet hatte, war bereits zuvor geschlossen worden.

Mongolei macht Grenzen dicht

In der Mongolei bleiben alle Universitäten und Bildungsreinrichtungen bis 2. März geschlossen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Montsame unter Berufung auf eine Kabinettssitzung. Außerdem würden ab Montag Grenzübergänge für Pkw und Fußgängerverkehr geschlossen und alle öffentlichen Versammlungen abgesagt.

Anzeigepflicht in Österreich

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erließ am Samstag eine Verordnung, wonach das Coronavirus einer Anzeigepflicht unterworfen wird. Damit sind Verdachts-, Erkrankungs-, und Todesfälle anzeigepflichtig. "Das ist kein Grund zur Panik, aber für verstärkte Vorsorge, Information und Aufmerksamkeit", so der Minister. Nach den bestätigten Fällen in Frankreich ist "das Coronavirus in Europa angekommen. Jetzt geht es darum, umsichtige Vorbereitungsmaßnahmen zu setzen", sagte Anschober.

Die ehemalige Gesundheitsministerin und ausgebildete Tropenmedizinerin Pamela Rendi-Wagner hat angesichts einer Verbreitung "keinen Grund zur Panik" gesehen. Wichtig sei höchste Achtsamkeit, rasches Handeln der Behörden und Information für die Bevölkerung. "Wir sind gut vorbereitet", so die SPÖ-Vorsitzende.

In China selbst seien bisher keine Österreicher von einer Coronavirus-Infektion "akut betroffen". In der besonders betroffenen Region Hubei leben laut Außenministerium keine Auslandsösterreicher, auch sei die Stadt Wuhan keine Touristenregion. Insgesamt hielten sich in China derzeit rund 3.000 Österreicher auf (Auslandsösterreicher und Touristen). (APA, dpa, 27.1.2020)