Uno-Generalsekretär António Guterres.
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Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz-Birkenau im von Hitler-Deutschland besetzten Polen durch die Rote Armee fand am Samstag in der Park-East-Synagoge von New York eine Gedenkfeier statt, bei der UN-Generalsekretär António Guterres vor einer "globalen Krise des antisemitischen Hasses" warnte.

Auf der ganzen Welt seien steigende antisemitischer Angriffe zu beobachten, die angesichts des Hasses mehr denn je zuvor Solidarität erforderten, sagte der UNO-Chef vor einer Gruppe Holocaust-Überlebender und deren Nachkommen, sowie Vertretern der vier Siegermächte, Diplomaten und zahlreicher Gäste. Guterres verwies unter anderem auf das Wiederaufleben von Neo-Nazis und weißen Rassisten, die im Internet giftige Ideologien verbreiteten.

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Bluttat in der Synagoge

Rabbiner Arthur Schneier, ein gebürtiger Wiener und selbst Holocaust-Überlebender, würdigte bei der Gedenk-Zeremonie die Rolle der Sowjetunion bei der Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren. Im Unterschied zu vorangegangenen Jahren nahmen an der Feier die Militärattachés der vier Alliierten teil.

Schneier sagte, alle Holocaust-Überlebende hätten gehofft, der Fluch des Antisemitismus werde sich nicht wiederholen. "Leider hat sich dieser Krebs weiter verbreitet – in Europa, in den Vereinigten Staaten und sogar in New York, der größten jüdischen Gemeinde außerhalb Israels", sagte er.

Schneier erinnerte an das Attentat in der Synagoge "Der Baum des Lebens" im Oktober 2018 in Pittsburgh, bei dem elf Menschen getötet und sechs weitere verwundet wurden. Der mutmaßliche Schütze Robert Gregory, ein 46-jähriger Einwohner von Pittsburgh, wurde verletzt. "Gläubige sollten sich nicht davor fürchten müssen, in ihrer Kirche, Moschee, Synagoge oder ihrem Tempel zu beten", sagte Schneier damals.

"Alptraum" und "Schande"

In Berlin sprach der deutsche Außenminister Heiko Maas eine ähnliche Warnung aus: Angesichts eines alltäglichen Antisemitismus in Deutschland sehe er das Risiko, dass Juden das Land verlassen. "Dass sich Menschen jüdischen Glaubens bei uns nicht mehr zu Hause fühlen, ist ein einziger Alptraum – und eine Schande, 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz." Täglich würden sie auf den Straßen offen angegriffen oder im Internet bedroht und beschimpft. Allein in Berlin habe es in sechs Monaten mehr als 400 solcher Übergriffe gegeben.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas.
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"Wir müssen dringend gegensteuern, damit aus solchen Gedanken nicht bittere Realität wird und es zum massiven Wegzug von Jüdinnen und Juden aus Deutschland kommt", schreibt der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für den "Spiegel". Weiter beklagte Maas, dass zu wenige EU-Mitgliedstaaten Beauftragte zum Kampf gegen Antisemitismus haben. "Das muss sich ändern", schrieb er. Zudem müsse der Staat im Internet und Online-Netzwerken ansetzen, wo Hass und Hetze immer krassere Formen annähmen. "Während unserer EU-Präsidentschaft werden wir den Kampf gegen Hasskriminalität und Desinformationskampagnen im Netz intensivieren. Auch wer online hetzt, muss überall in Europa die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen."

Zudem setze sich die deutsche Regierung dafür ein, "dass alle EU-Mitgliedstaaten endlich ihre Verpflichtung umsetzen, die Leugnung des Holocaust unter Strafe zu stellen".Die Politik könne nicht die Solidarität im Alltag ersetzen, schrieb Maas. "Sie entsteht nur, wenn jede und jeder von uns Farbe bekennt gegen Antisemitismus: auf der Straße, auf dem Schulhof, im Internet." (red, APA, 26.1.2020)