Bundespräsident Alexander van der Bellen verwies auf die Mitverantwortung Österreichs am Holocaust.

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Oswiecim/Berlin/Paris – Zum Holocaust-Gedenken zeichnet sich eine Entspannung im Verhältnis zwischen Israel und Polen ab. Israels Präsident Reuven Rivlin lud seinen polnischen Kollegen Andrzej Duda am Montag zu einem Besuch ein.

"Wir möchten der polnischen Nation heute die Hand geben und bitten, dass wir erneut auf den Weg zurückkehren, den wir gemeinsam gehen können", sagte Rivlin im polnischen Städtchen Oswiecim (Auschwitz) nach einer Begegnung mit Duda vor der Gedenkfeier in dem früheren deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Polens Präsident Andrzej Duda sprach bei der Gedenkfeier in Auschwitz.
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Duda hatte am Donnerstag nicht am Holocaust-Gedenken in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem teilgenommen – aus Protest dagegen, dass die Organisatoren ihm kein Rederecht einräumen wollten. Dies hatte das polnisch-israelische Verhältnis belastet. In Yad Vashem hatten außer Rivlin unter anderem der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen. Putin hatte die Polen zuvor mit Äußerungen über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs verärgert.

Zu der Gedenkfeier am Nachmittag reiste auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen an. "Auschwitz zu besuchen ist nicht leicht. Aber es ist notwendig", teilte er in einer Stellungnahme im Vorfeld der Zeremonie mit. Gleichzeitig verwies er erneut auf die Mitverantwortung Österreichs am Holocaust. Er empfinde "tiefes Entsetzen" darüber, was im Konzentrationslager Auschwitz den Menschen angetan wurde. Opfer der "nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie" seien auch Zehntausende Menschen aus Österreich gewesen.

Österreichische Vertreter

Gleichzeitig, so Van der Bellen, "empfinde ich Scham". Viele Österreicherinnen und Österreicher hätten bei dem "barbarischen Verbrechen" als Täterinnen und Täter "mitgewirkt". "Allzu viele Landsleute liefen mit, schauten weg, zu wenige leisteten Widerstand", kritisierte der Bundespräsident. Van der Bellen hatte am vergangenen Donnerstag bereits am internationalen Holocaust-Forum in Yad Vashem teilgenommen.

Begleitet wird Van der Bellen nach Polen von seiner Frau Doris Schmidauer, EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, sowie dem Auschwitz-Überlebenden Viktor Klein. Es ist der erste Besuch des Bundespräsidenten in Auschwitz.

Steinmeier in Polen

Der deutsche Bundespräsident Steinmeier nahm ebenfalls an der Zeremonie teil. In das Gästebuch der Gedenkstätte schrieb Steinmeier, er verneige sich in Trauer vor den Opfern und den Überlebenden. "Wir wollen und werden ihr Leid nicht vergessen. Diese Erinnerung ist aber auch Mahnung: Wer den Weg in die Barbarei von Auschwitz kennt, muss den Anfängen wehren! Dies ist Teil der Verantwortung, die keinen Schlussstrich kennt."

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Für den deutschen Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier war es der erste Besuch in Auschwitz.
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Steinmeier hatte sich in der Früh zunächst im Schloss Bellevue in Berlin mit drei Überlebenden des Holocaust getroffen. Diese flogen anschließend zusammen mit ihm nach Polen. Für Steinmeier war es der erste Besuch in Auschwitz.

Feierlichkeiten in Berlin

Auch in Berlin wurde am Montag der Gedenktag an die Befreiung von Auschwitz begangen. Im Mittelpunkt des Gedenkprogramms in der deutschen Hauptstadt sollte ein Konzert in der Staatsoper Unter den Linden stehen, zu dem am Abend die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erwartet wurden.

Frankreichs Präsident hat anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz-Birkenau vor einer "unerträglichen Wiederbelebung" des Antisemitismus gewarnt. Diese sei nicht das Problem der Juden, sondern das Problem aller, sagte Emmanuel Macron am Montag bei der Wiedereinweihung des restaurierten Pariser Holocaust-Denkmals. Frankreich werde bei der Bekämpfung des Antisemitismus unnachgiebig sein, so Macron. In Frankreich müssten derzeit 868 jüdische Kultstätten verstärkt bewacht werden, so der französische Staatschef.

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Der Name Auschwitz steht stellvertretend für die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten an Millionen Juden.
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Der Name Auschwitz hat sich als Synonym für den Holocaust und Inbegriff des Bösen weltweit ins Bewusstsein eingebrannt. Allein in dem Lagerkomplex unweit von Krakau brachten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen um, zumeist Juden. In ganz Europa ermordeten sie während der Shoah etwa sechs Millionen Menschen jüdischer Herkunft, darunter rund 65.000 Österreicher.

Einheiten der sowjetischen Roten Armee erreichten am 27. Jänner 1945 den Lagerkomplex Auschwitz und befreiten mehr als 7.000 noch lebende Häftlinge. Viele von ihnen starben jedoch innerhalb kurzer Zeit an den Folgen von Hunger, Krankheiten und Erschöpfung.

#WeRemember

Die österreichische Regierungsspitze beteiligt sich indes an einer Gedenkkampagne in den sozialen Netzwerken. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) twitterten Fotos, auf denen sie Schilder mit der Aufschrift #WeRemember (Wir erinnern uns) hochhielten. Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian machte mit.

Die bereits seit mehreren Jahren laufende Kampagne soll Bewusstsein dafür schaffen, dass es wichtig ist, sich der Ereignisse vor mehr als sieben Jahrzehnten zu erinnern. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Welt diese Gräuel niemals vergisst und entschlossen gegen alle Formen von Antisemitismus und Antizionismus ankämpft", schrieb Kurz am Sonntagabend unter sein #WeRemember-Foto.

Bereits am Freitag hatten Kogler sowie seine grünen Regierungskollegen Alma Zadić, Rudolf Anschober und Ulrike Lunacek Tweets mit #WeRemember-Fotos versendet. "Nie wieder. Es ist unser aller Pflicht, die Geschichte zu kennen und heute geschlossen denen entgegenzutreten, die Rassismus und Antisemitismus salonfähig machen wollen. Denn der von den Nationalsozialisten organisierte Massenmord darf nie vergessen werden", erklärte Kogler. (red, APA, 27.1.2020)