Patchworkfamilie buchstäblich, bei Jakob Lena Knebl.

Foto: Kunst-Dokumentation.com

Es ist John, der da rittlings am erbsengrünen Badewannenrand Platz genommen hat. Für die Stimmung sorgt eine kleine Lampe mit blumigem Schirm, die Wand hinter John ist mit einem gigantischen Kristall tapeziert, der phallusförmig gen Zimmerdecke strebt. Zwei zur Wanne passende Keramikwaschbecken komplettieren das Badezimmer im 1970er-Jahre-Stil. John, völlig in Gold getaucht, fühlt sich sichtlich wohl und blickt hoffnungsvoll in die Ferne.

Dort warten seine Gäste: Joan, Edgar und der kleine John Boy. Alle nackt, wollen sie John etwa Gesellschaft in der Badewanne leisten? Die queere Wiener Künstlerin Jakob Lena Knebl richtet sich mit ihrer Schau Ruth Anne in der Galerie Georg Kargl Fine Arts gemütlich ein.

Geschlechtsteile um den Hals hängen

Sie schafft einen heimeligen Ort, an dem Design, Fetisch und das Objekt regieren, lebensgroße Lederpuppen mit Keramikköpfen bevölkern ihn. Diesen zieht Knebl zwar keine Kleidung an, dafür hängt sie ihnen Ketten mit Geschlechtsteilen um den Hals: Penisse, Vaginas und einige Busen gibt es zur Auswahl.

Nur Little Johns Little John scheint angewachsen und nicht austauschbar zu sein. Der große John hat sogar eine seiner Brüste vor dem Bade extra abgestreift und neben sich gelegt. Das Motto bei Hausdame Knebl: Alles darf, nichts muss.

Schwere Ketten

Beim Eingang wird man von der grünen Puppe Tina begrüßt, sie blickt alarmierend: Neben ihr lädt ein flauschiges Bett zu einer kurzen Rast. Doch Vorsicht: Schwere Ketten lugen zwischen dem vermeintlich kuschligen Belag hervor – Tinas abgetrennte Gliedmaßen dazwischen! War das etwa Ruth Anne? Bereits vor drei Jahren zeigte Knebl in einer großen Einzelausstellung im Mumok ihr Einrichtungsgeschick sowie ihr Faible für die 1970er-Jahre.

Internationale Gruppenschauen brachten die genderkritischen Arbeiten der 1970 geborenen Künstlerin nach London, Berlin und Zürich. Vergangenes Jahr stellte sie mit ihrem Partner Ashley Hans Scheirl auf der Biennale in Lyon aus, im Fe bruar 2020 wird Knebl beide Räume im Unter geschoss des Lentos in Linz bespielen.

Foto: Kunst-Dokumentation.com

In der aktuellen Schau lässt Knebl öffentliche und private Räume verschwimmen und lädt ins Fetisch-Apartment. Darin sind fast 30 Ausstellungsstücke zu sehen, die meisten entstanden letztes Jahr oder heuer. Mit knalligen Stoffbahnen in Rot und Blau kleidet sie nicht nur Wände und Böden aus, sondern rahmt auch ihre wollenen Wandteppiche und bunten Tapeten ein, auf denen unterschiedliche Kristallformationen immer wieder auftauchen.

Selbst in den digitalen Drucken, die als brav-wohnliche Deko an den Wänden hängen, dienen diese als Hintergrund. Mit der Titelgebung Ruth Anne 1–3 greift Knebl den Namen der Schau erstmals auf und positioniert sich selbst in wilden Gewändern darauf. Kos tüme möchte man nicht sagen. Knebl ist Ruth Anne! (Katharina Rustler, 27.1.2020)