Wien – Daniela Zwangsleitner, Vorsitzende des Schöffengerichtes im Verfahren gegen Gilbert T. und Ivica O. (Namen geändert, Anm.), versucht es wirklich zu verstehen. "Warum lasst Ihr euch – Entschuldigung, wenn ich jetzt das Du-Wort verwende –, warum lasst Ihr euch von einem 13-Jährigen was sagen?", will sie vom 14 Jahre alten Erstangeklagten wissen. Der erwähnte Unmündige soll nämlich der Drahtzieher einer Reihe von Raubüberfällen sein, wegen der die beiden Teenager sich nun vor Gericht verantworten müssen.

Eine überzeugende Antwort erhält sie weder von T. noch von seinem 15-jährigen Mitangeklagten O., wie die Vorsitzende feststellen muss. Sie blättert daher in den Vernehmungsprotokollen der Polizei. "Angeblich soll der Leo gesagt haben: 'Du hast keine Eier in der Hose, wenn du nicht mitmachst.' Hat das eine Rolle gespielt?" – Der Erstangeklagte nickt stumm.

Räuberische Schulkollegen

Alle drei Burschen kommen aus eher schwierigen sozialen Verhältnissen und gingen in dieselbe Schule. Beziehungsweise sollten sie dorthin gehen. Tatsächlich zogen sie es zwischen 7. und 12. November vor, zu schwänzen – und stattdessen in Wien-Brigittenau, vor allem im Bereich eines großen Einkaufszentrums, ihren Opfern Mobiltelefone und Geldtaschen zu rauben.

"Wie schaut denn ein Opfer für Sie aus? Nach welchen Kriterien wurden die ausgewählt?", will Zwangsleitner vom Zweitangeklagten wissen. Der druckst ein wenig herum. "Meistens sind es die kleinen Schmächtigen oder die, die ein bissi unbeholfen wirken", lässt ihn die Vorsitzende an ihrem beruflichen Erfahrungsschatz teilhaben. "Mhm, ja", sagt O., der wegen der Taten sogar zwei Wochen in Untersuchungshaft gewesen ist, während T. nach zwei Tagen wieder gehen durfte.

"Gib uns das Geld, sonst wirst du gefetzt!"

In den meisten Fällen reichte daher die Drohung: "Gib uns das Geld, sonst wirst du gefetzt!" Als ein junges Opfer einmal im Gegenzug ankündigte, die Polizei zu rufen, nahmen die beiden Angeklagten und der noch strafunmündige Rädelsführer Reißaus. Bei der Polizei legte O. sogar ein überschießendes Geständnis ab – er gab einen Raub zu, von dem die Beamten gar nichts wussten. Auch vor Gericht bekennen sich die beiden Unbescholtenen schuldig.

Interessant ist der Auftritt des 13-jährigen Leonardo, der sogar zugibt, der Anstifter gewesen zu sein. "Warum machen Sie das?", fragt die Vorsitzende. "Es ging einfach um Geld", hört sie. "Und wozu haben Sie das Geld gebraucht? Kleidung, Kopfhörer?" – "Wir haben nur Geld gebraucht", wirft der Zeuge salopp hin.

Dass er O. nach dessen Entlassung aus der Untersuchungshaft neue Taten vorgeschlagen haben soll, bestreitet der 13-Jährige, Zwangsleitner glaubt allerdings dem Angeklagten mehr als dem Zeugen. Bevor Leonardo geht, erinnert sie ihn daran, dass er in rund sieben Wochen strafmündig wird und er sich gut überlegen solle, ob er so weitermachen will. Leonardo findet das offenbar amüsant und grinst, als er den Saal verlässt.

Warnung vor Umgang mit 13-Jährigem

Für die laut einem Verteidiger "richtig blöde Woche" werden seine Komplizen rechtskräftig zu jeweils sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. Zusätzlich bekommen sie einen Bewährungshelfer und müssen ein Anti-Gewalt-Training absolvieren. Beide gehen wieder zur Schule und beteuern, die Nächte im Gefängnis seien ihnen eine Lehre gewesen. "Halten Sie sich künftig von den Leonardos dieser Welt fern, von denen gibt es genug", gibt Zwangsleitner dem Duo noch mit. (Michael Möseneder, 20.2.2020)