Susanna und Marcellina zanken und keifen – wer bekommt diesen Figaro? Bevor die Damen handgreiflich werden, trennt Sir András Schiff – zwischen den beiden hindurchdirigierend – die Konkurrentinnen. Und: Immer wieder wenden sich Solisten – Unterstützung suchend – an den Maestro, durch dessen gutmütig-väterliches "Mitspielen" dieser kleine Gag einigen Charme erlangt. Der musikalische Leiter der konzertanten Aufführung von Mozarts Oper Le nozze di Figaro bei der Mozartwoche in der Felsenreitschule wird zu einer Art therapeutischem Mentor für die Truppe auf Liebesabwegen.

Was die interpretatorische Seite anbelangt, legt Schiff den Sängerinnen und Sängern ein mäßiges bis langsames Tempo zu Füßen. Er gibt ihnen so die Chance, jede Phrase glanzvoll zu runden und jedes Wort verständlich zu artikulieren. Schiff leitet die Cappella Andrea Barca vom Hammerklavier aus, stehend, die Rezitative selber begleitend, bei Bedarf also in die Knie gehend und sich leicht über die Tasten beugend: Bei einer Werkdauer von vier Stunden ist das allein schon eine konditionell starke Leistung.

Fließen und Wiegen

Dennoch oder wohl genau deswegen wächst der Wunsch nach einem zusätzlichen Continuo-Spieler. Ein solcher könnte sich ganz auf das Fließen und Wiegen zwischen Rezitativen und Arien konzentrieren und auf dem Hammerklavier da und dort vermisste klangliche Glanzlichter setzen. Den großen musikalischen Atem ins Fließen zu bringen und vor allem über vier Stunden lebendig zu halten ist in der ersten Aufführung jedenfalls nicht gelungen. Auch ob ausgerechnet die Felsenreitschule der richtige Ort ist für das geplante Experiment eines Zyklus konzertanter Da-Ponte-Opern bei der Mozartwoche, muss nach dem Auftakt hinterfragt werden.

Verletzte Gefühle

Untadelig waren jedenfalls die Sängerleistungen: Florian Boesch war ein legerer Conte di Almaviva, der jedes Wort und jede Phrase, besonders auch in den Ensembles, hör- und greifbar macht. Christiane Karg gab eine in ihren verletzten Gefühlen erstarrte Contessa di Almaviva, die ihren Arien lebendiges Timbre und feinen Glanz noch im Pianissimo der höchsten Lagen schenkt. Regula Mühlemann betörte als quirlige, klar artikulierende Susanna mit lockerer silbriger Höhe.

Julien van Mellaerts war ein stimmlich zufriedenstellender burschikoser Figaro, Angela Brower ein Cherubino von Temperament und stimmlicher Strahlkraft, während aber Julia Lezhneva eine Barberina von Festspielformat gab. (Heidemarie Klabacher, 27.1.2020)