Michael Ludwig und Hans Peter Doskozil jubeln gemeinsam über den Wahlsieg, Pamela Rendi-Wagner freut sich auch.

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Von einem "Lebenszeichen der Sozialdemokratie" sprach Burgenlands Wahlsieger Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Sonntag. Von Lebenszeichen spricht man bekanntlich dann, wenn ein Patient kurz vor dem Exitus steht. Was aber heißt der Landtagswahlsieg in einem Bundesland, das drei Prozent der österreichischen Bevölkerung umfasst, für die SPÖ im Bund?

Bröckelnder Zusammenhalt

"Wir alle können uns ein Beispiel nehmen, wie die gesamte SPÖ Burgenland für ein gemeinsames Ziel gelaufen ist", hatte Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntag erklärt. Die Botschaft war wohl an die eigenen Funktionäre gerichtet: Zusammenhalt als Wahlprogramm. Dem machte jedoch schon am Morgen danach kein Geringerer als der strahlende Wahlsieger Doskozil einen Strich durch die Rechnung. Für die nächste Nationalratswahl, wann immer sie stattfinden wird, kündigt er schon vorab eine Obmann/-frau-Debatte an. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es dafür zwar noch zu früh, sagte Doskozil im Ö1-"Morgenjournal": Erst solle sich die Bundespartei von den Burgenländern abschauen, wie man sich "klarer positioniert". Später, "kurz vor der Nationalratswahl", werde man jedoch auch über Personalfragen reden müssen, erklärte Doskozil.

Der zweite rote Hoffnungsträger auf Landesebene, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, sieht Doskozils Wahlerfolg jedenfalls als Beweis dafür, "dass wir mit sozialdemokratischen Kernthemen punkten können". Darauf deuten auch die Wahlanalysen hin. Laut Sora waren es die Themen Gesundheit und Pflege, Klimaschutz und Zukunftschancen junger Menschen, die für SPÖ-Wähler ausschlaggebend waren. Inhalte waren aber offenbar weniger wahlentscheidend als die Person Doskozils: 37 Prozent gaben an, dass sie ihr Kreuz bei der SPÖ wegen des Spitzenkandidaten gemacht haben.

Schon gehört? Inlandsressortleiter Michael Völker erklärt im STANDARD-Podcast den fulminanten Erfolg der SPÖ Burgenland und, was dieser für die Wien-Wahl und die Bundes-SPÖ bedeutet.

Nicht übertreiben

Könnte Doskozil auch im Bund punkten? Einer, der in seiner eigenen Gemeinde in Niederösterreich am Sonntag 71 Prozent für die SPÖ eingefahren hat, der Traiskirchner Bürgermeister Andi Babler, glaubt das nicht. Zwar freue er sich für die Roten im Burgenland, sagt Babler zum STANDARD. Man solle es mit dem Jubel aber nicht übertreiben: Doskozil habe "kein historisches Ergebnis eingefahren", sondern die Landes-SPÖ nach herben Verlusten "einfach wieder aufs alte Niveau zurückgebracht". Zudem stehe Doskozil für einen "klassischen konservativen Kurs". Eine SPÖ, die progressiver denke und sich auch traue, Streitthemen wie eine Arbeitszeitverkürzung aufs Tapet zu bringen, könnte sogar noch fulminantere Wahlsiege einfahren als Doskozil, glaubt Babler.

In der Parteizentrale in der Löwelstraße geht man davon aus, dass Rendi-Wagner vorerst nicht infrage gestellt wird. Alle wüssten, wie wichtig jetzt die Wien-Wahl sei, diese wolle man keinesfalls durch parteiinterne Turbulenzen gefährden. Alle müssten nun gemeinsam an dem einem Ende des Stricks ziehen, das klingt fast wie ein flehentlicher Appell: Erst einmal die Wien-Wahl überstehen, dann kommt alles andere. Und vielleicht auch wer anderer.

Tatsächlich halten die Kritiker von Rendi-Wagner – und die sind in der Partei nicht weniger geworden – derzeit still. Bis zur Wien-Wahl mache es keinen Sinn, Rendi-Wagner infrage zu stellen oder abzulösen. Vor der nächsten Nationalratswahl stelle sich diese Frage aber sehr wohl: Doskozil habe zwar kein Interesse am Parteivorsitz, wolle aber als Kanzlerkandidat in die Wahl gehen.

Rendi-Wagner lässt die nach der Burgenland-Wahl entfachte Führungsdebatte in der SPÖ nach eigenen Aussagen kalt. Von einer von Doskozil angeregten Kurskorrektur in der Sicherheitspolitik hält sie wenig, wie sie am Montag in der "ZiB 2" klarmachte. Rendi-Wagner will auch beim nächsten Parteitag wieder als Obfrau kandidieren.

ORF

Nächster Showdown in Wien

In Wien überschlägt man sich indes mit Superlativen. Es sei ein "handwerklich perfekter Wahlkampf" gewesen, heißt es dort. Die Burgenländer hätten auf die wichtigsten Themen gesetzt und soziale Fragen in den Fokus gestellt. Gleichzeitig seien Themen, die von den anderen Parteien beansprucht oder ins Rennen gebracht wurden, gut aufgegriffen und mit einem sozialdemokratischen Spin versehen worden. Gesehen hat man das bei der von Doskozil ausgerufenen Biowende: ein Ökothema, das die SPÖ als Gesundheitsthema besetzt hat.

So überschäumend die Freude in der Hauptstadt ist, so gestärkt ist auch das Selbstvertrauen. 39,6 Prozent erreichte die Wiener SPÖ bei der Gemeinderatswahl 2015 – damals noch mit Michael Häupl. Trotz anderes prognostizierender Umfragen geht man für die anstehende Wien-Wahl 2020 davon aus, das Ergebnis zu halten.

Sowohl in der Löwelstraße wie auch im Wiener Rathaus sind sich SPÖ-Analysten aber darüber einig, dass sich Doskozils Erfolgsrezept nur bedingt auf Michael Ludwig und den anstehenden Wahlkampf übertragen lässt. Eine klare sozialdemokratische Ausrichtung mit dementsprechender Themensetzung sei notwendig. Doskozil habe vorgemacht, wie man diese Themen auch verständlich rüberbringt.

Wien ist nicht das Burgenland

Allerdings heißt es auch, dass Doskozil in Wien nicht funktionieren würde, dass die Wählerstruktur des Burgenlands eine ganz andere sei. Eine derart klare Positionierung wie die von Doskozil würde in Wien eher Probleme aufwerfen. Ludwigs Stärke sei es, die FPÖ-Wähler nicht rechts liegen zu lassen, dabei aber auch Grüne nicht zu verschrecken. Ludwig wolle keineswegs die rot-grünen Wechselwähler, von denen es in Wien viel mehr gebe als im Burgenland, verunsichern und zu den Grünen vertreiben. Man könne in Wien als SPÖ rechts gar nicht so viel gewinnen, wie man gleichzeitig links verlieren könne. Aus diesem Grund werde Ludwig seinen Kurs auch nach dem Doskozil-Erfolg im Burgenland nicht adaptieren. (Oona Kroisleitner, Maria Sterkl, Michael Völker, 27.1.2020)