Der tschechische Casinos-Aktionär hat auf die Entpolitisierung des teilstaatlichen Glücksspielkonzerns gehofft. Das erschließt sich aus Zeugenaussagen zur Causa Postenschacher.

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"Walter, das kann nicht sein", das sei seine eskalierende Reaktion gewesen, als er vom Aufsichtsratschef der Casinos Austria (Casag), Walter Rothensteiner, von der geplanten Bestellung Peter Sidlos zum Finanzvorstand gehört habe. Das sagte der Vizepräsident des Casag-Kontrollgremiums, Robert Chvátal, als Zeuge in den laufenden Ermittlungen aus. Sidlo, früher Wiener FPÖ-Bezirksrat, wurde ja per Mai 2019 bestellt, Casag-Aktionär Novomatic hatte ihn ins Rennen geschickt. Die tschechischen Aktionäre von Sazka waren gegen ihn, haben sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Chvátal, von den Tschechen in den Aufsichtsrat entsandt, schilderte vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft, wie es zur vorzeitigen Ablöse des Altvorstands (Alexander Labak und Dietmar Hoscher; Finanzvorständin Bettina Glatz-Kremsner sollte Casag-Chef Labak folgen) gekommen sei. Der Vorstand habe nicht wirklich funktioniert, nur Glatz-Kremsner sei unbestritten gewesen. Sie sei also als neue Vorstandschefin "fix" gewesen, zudem sollten Sazka und Novomatic als weitere Großaktionäre je einen Kandidaten bringen.

"Und dann kam aus dem Blauen Magister Sidlo" auf Vorschlag von Novomatic-Chef und Casag-Vizepräsident Harald Neumann. Auf seine Nachfrage habe ihm der erklärt, dass Sidlo der FPÖ nahestehe, seine Nominierung deshalb die beste Lösung fürs Unternehmen sei. Da sei offensichtlich geworden, "dass die Politik zurück in der Casag war", so der Zeuge. Er habe sich also an Rothensteiner gewandt (mit dem eingangs zitierten Satz), doch der zuckte offenbar die Schultern. Sidlo sei "ein Muss", habe ihm der gesagt.

Neuer Kandidat verschwand

Nach einem persönlichen Gespräch mit dem Novomatic-Kandidaten war die Ablehnung der Tschechen noch gewachsen, "diese Besetzung würde das Unternehmen in die falsche Richtung bringen", schilderte der Zeuge. Novomatic sei aber auf die Bedenken nicht eingegangen.

Allerdings: Casag-Miteigner Novomatic hat auch einen Alternativkandidaten zu Sidlo vorgeschlagen, einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen. Nach dem ersten Feedback von Personalberater Egon Zehnder zu Sidlo nannte Rothensteiner dem Berater den Alternativkandidaten. Zehnder hat ihn auch beurteilt – Thema war das im Aufsichtsratspräsidium dann nicht. Der Mann stehe nicht mehr zur Verfügung, Novomatic ziehe den Vorschlag zurück, habe Novomatic-Chef Neumann am 20. Februar 2019 verkündet.

Bestellt wurde der neue Vorstand am 28. März, der Gesamtbericht von Egon Zehnder mit den kritischen Schlussfolgerungen zu Sidlo war dem Gesamtaufsichtsrat nicht vorgelegt worden. Das Aufsichtsratspräsidium (Rothensteiner, Chvátal, Neumann und Josef Pröll) war dagegen, nur Chvátal stimmte für die Offenlegung. Auch im Gesamtaufsichtsrat wurde zu dieser Frage auf Antrag eines von Sazka entsandten Kontrollors abgestimmt – auch da wurde gegen die Offenlegung des Gesamtberichts gestimmt. Zudem hatte sich das Präsidium ein Gutachten zu dieser Frage besorgt.

Vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung Ende März kam es diesbezüglich zu einem Gespräch Rothensteiners mit jenem Aufsichtsratsmitglied, das um die Vorlage des Zehnder-Berichts gekämpft hatte. Rothensteiner habe ihm vermittelt, dass die Bestellung Sidlos nicht zu verhindern und "die Conclusio im Zehnder-Bericht zu Sidlo nicht so positiv" sei, sagte der Mann aus. Rothensteiner habe ihm geraten, im Interesse der Gesellschaft nicht weiter Druck zu machen. Er habe sich dann der Stimme enthalten.

Gutes Benehmen

Dem Zufall wurde nichts überlassen beim Hearing und bei der Abstimmung im Aufsichtsrat. Die drei Präsidiumsmitglieder hätten entschieden, dass der Kandidat der Tschechen, Martin Škopek, als letzter drankommen sollte. Warum? Laut Vermutung Chvátals habe man so sicherstellen wollen, dass sich die Vertreter der Sazka-Gruppe "benehmen". Also nicht gegen Sidlo stimmen.

So kam es, wie es kam – Sidlo wurde einstimmig, ohne Gegenstimme, bestellt. Dass er in einem Brief ans Aufsichtsratspräsidium im Mai dann schrieb, er wisse nichts über eine politische Implikation seiner Bestellung, sei in der Rückschau "eine glatte Lüge", meint Chvátal, wohl in Bezug auf die nun bekannten Chatprotokolle. Deswegen habe der Betriebsrat dann Sidlos Abberufung beantragt. Die folgte am 12. Dezember.

Dass Sidlo laut internem Prüfbericht zum "Projekt Alea" anderes berichtet, erschütterte den Zeugen Chvátal nicht. Er nennt die von der Kanzlei Schima Mayer Starlinger und KPMG erstellte Expertise, die keinerlei Fehler beim Aufsichtsrat sieht, einen "Persilscheinbericht". Anwalt Georg Schima weist das zurück, er könne das nicht nachvollziehen. Man habe an Kritik an der Corporate Governance der Casag nicht gespart, die Vorbereitung der Bestellung sei nicht "state of the art" gewesen. Aber: Sidlo habe die nötige Qualifikation gehabt, und was die vorgeworfenen politischen Absprachen betrifft, lägen keine Beweise für strafrechtlich Relevantes vor. (28.1.2020)