Wurst ist vieles. Nur wurscht ist sie niemandem. Was wären wir ohne Krainer, Blunzn oder Knacker. Ob man zuschlägt, witzelt oder sich angeekelt wegdreht: Kalt lässt eine Platte Wurstaufschnitt niemanden. Und auch unsere Sprache wäre ohne sie nur halb so geschmackvoll durchzogen.

Foto: Heribert Corn

Für den Dichter Ernst Jandl war Wurst überhaupt das schönste Wort der deutschen Sprache. Ursprünglich bedeutet Wurst Gemengsel. Nur die Wurst schafft es, inneres Chaos, das Gemengsel, so glänzend-prall in Form zu bringen. In Kombination mit Senf und Kren ist ihr eine ganze Gastrosparte gewidmet: die Würstlstände. Und schon im 16. Jahrhundert war es ein gewisser Hanswurst, der die Menschen zum Lachen brachte. Wurst ist in Wort und Optik nicht nur schön, sondern auch lustig. Ohne großes Zutun liefert sie Zitate, Witze und Rezepte.

Für Letzteres, die Rezepte, interessieren sich seit einiger Zeit immer mehr Hobbyköche. In Zeiten, in denen vielen wichtig ist, was in welchem Gericht drin ist, ist auch bei der Wurst die sicherste Variante, die Fülle selbst zu übernehmen. Der Koch Max Stiegl wurstet schon seit vielen Jahren selbst. Er und sein Restaurant Gut Purbach stehen für hochwertige Innereienküche. Fünfmal im Jahr gibt es einen Sautanz, bei dem Stiegl und seine Mitarbeiter vor den Augen von 200 Gästen ein ganzes Schwein verwerten. Ohne Wurst geht das natürlich nicht über die Bühne.

Max Stiegls Brätbuffet: fertig gewolftes Brät aus Büffel, Fasan, Kutteln, Blut, Topinambur und Oktopus.
Foto: Heribert Corn

An diesem Fotoshooting-Tag mit dem RONDO geht es nur um die Wurst. Ein bisschen Übung brauche es schon, aber im Prinzip sei Wurstmachen ganz einfach, spricht der Koch und rührt ein Brät aus Büffel- und Schweinefleisch. Heute gibt es Fleisch vom Büffel bis zum Fasan, das in Würste gelangt. Die Finger von Max Stiegl stehen vor Kälte rot wie Blutwürste vom Handballen ab. Und auch wenn kühlere Temperaturen beim Wursten empfohlen werden, damit das Brät nicht zu warm wird, so ist das Wursten unter freiem Himmel dem Wunsch von Fotograf und Redakteurin nach mehr Platz geschuldet.

Rein darf alles

Ganz dem Urgedanken der Wurst entsprechend, dass Fleischteile abseits von Filet und Co in der Wurst ihre Verwendung finden, ist insbesondere beim Wursten für den Heimbedarf alles erlaubt. So sieht auch der Gabentisch im Innenhof von Stiegls Restaurant aus. Vom Oktopus über eingelegte Kutteln und Kimchi vom Chinakohl ist alles vertreten. Ein bisschen Schwein tut allen Würsten gut, ist Max Stiegl überzeugt. Aus einem einfachen Grund: "Wenn ich schon einmal das Kopfkino übersprungen habe und mir eine Oktopus-Wurst bestelle, dann brauche ich wenigstens ein bisserl etwas Bekanntes zum Festhalten", sagt der Koch.

Gerade im Fall "Oktopus" braucht auch dieser das Schweinefleisch zum Festhalten. Ansonsten würde er in seiner Konsistenz nach dem Fleischwolf wohl im Naturdarm davonschwimmen. Außerdem seien wir in Österreich, "da braucht es ein Schwein in der Wurst", sagt Stiegl. Schon überhaupt, wenn es das Mangalitza-Schwein vom Nachbarn ist. Die Zutatenliste von Max Stiegl ist überhaupt regional geprägt: Der Büffel in Stiegls Büffelwurst stand zu Lebzeiten in Andau im Seewinkel auf der Weide. Die Enoki-Pilze, eine Pilzart, die aus Japan stammt, züchtet inzwischen die Purbacher Nachbarin Livia in ihren Pilzkulturen.

Schweinespeck, Gemüse und Petersilie für die Wurst.
Foto: Heribert Corn

Durch den Fleischwolf

Der Fasan, der mit dem Kimchi aus Enoki-Pilzen schon als Brät ein Hingucker ist, den hat der Jäger aus Purbach vorbeigebracht. Das Kimchi, fermentiertes Gemüse, von den Pilzen bis zum Chinakohl, macht Stiegl freilich ebenso selbst. Aktuell ist Kimchi ein Hype in ambitionierten Kochkreisen, meint der gebürtige Slowene Stiegl. Dabei ist Sauerkraut nichts anderes als fermentiertes Gemüse. Und das ist nun wirklich nicht neu in der österreichischen Küche. Doch auch er sieht Sauerkraut lieber neben der Wurst.

Kräuter müssen zwar nicht in den Fleischwolf, im Zuge des Gefechts taten sie es aber dem Büffelfleisch gleich.
Foto: Heribert Corn

In die Wurst, und zwar in die vom Büffel, kommt bei Stiegl das Kimchi aus Chinakohl. Die Schärfe und das Umami im Kimchi, das sich durch die Fermentation entwickle, seien kongeniale Partner im Wurstbrät, sagt Stiegl. Auch noch auf der Zutatenliste zu finden ist Buddhas Hand. So heißt eine Zitrusfruchtart, die ursprünglich aus Asien stammt. Diejenige, die an diesem Tag für Max Stiegls Zwecke zur Verfügung steht, wächst bei einem Kärntner Züchter. Die Naturdärme, die Stiegl in warmes Wasser einweicht, sind die zukünftige Hülle des Gemenges.

Dazu noch etwas Salz, Pfeffer, Petersilie, Koriander und Majoran, und aufgedeckt ist der Tisch für Stiegls Hauswurst in fünffacher Ausführung. An Werkzeugen braucht es Wurstspritze und Fleischwolf. Hobbyköchen empfiehlt der Koch, Faschieraufsätze für diverse Küchenmaschinen zu besorgen oder einen kleinen Fleischwolf, der um die 40 Euro zu haben ist. Wer das nicht möchte, kann auf Faschiertes zurückgreifen oder das Fleisch vom Fleischer des Vertrauens faschieren lassen.

Es geht ans Eingemachte

Sind die Zutaten einmal festgelegt, geht es Schlag auf Schlag. Büffel- und Schweinefleisch sowie Schweinespeck drehen sich durch den Fleischwolf, dazu Kimchi vom Chinakohl, Majoran. Fertig. Es fehlen nur noch die Kräuter. Diese können kleingeschnitten, im Ganzen oder durch den Fleischwolf gedreht verwurstet werden. Letzteres ist nicht notwendig und auch eher unüblich. In dem Moment war Stiegl schlichtweg danach.

Damit der Darm sich leichter aufblasen und in der Folge füllen lässt, legt Max Stiegl ihn in warmes Wasser ein.
Foto: Heribert Corn

Die nächste in der Reihe ist die Fasanwurst: Schenkelfleisch, Koriander und eingelegte Enoki-Pilze formen post Fleischwolf ein formidables Brät. Der Fleischwolf stoppt, mit Ausnahme von kurzen Reinigungspausen, erst, als Oktopus mit Schwein und Petersilie nebst Topinambur mit Karotten und Kraut als fein zerkleinertes Brät in Schüsseln auf dem Tisch stehen. Nun geht es ans Füllen des Naturdarms. Die Därme stammen vom Schwein.

Stiegl hat sie vom örtlichen Fleischer bekommen. Wenn es eine Schwierigkeit beim Wurstmachen gibt, dann diese: den Darm auf die Wurstspritze zu fädeln. Darum habe er sie auch in warmes Wasser eingelegt.

So ließen sie sich leichter aufblasen und in der Folge besser füllen. Um die Wurstspritze gibt es im Gegensatz zum Fleischwolf auch keinen Umweg: "Wer Wurst machen will, braucht eine Wurstspritze", spricht Stiegl, fuzelt den Darm auf die zweifingerbreite Spritzenvorrichtung und dreht das Brät in den Darm.

Das gelinge den wenigsten beim ersten Mal. Aber mit Geduld und etwas Übung sei noch jedem eine prächtige Wurst gelungen. Lehrling Lukas jedenfalls hat den Dreh von Anfang an raus. Nicht zu schnell drehen, sonst platzt die Wurst, und nicht zu langsam, sonst rutscht die Hülle wieder von der Spritze.

Alles, was die Fasanwurst braucht.
Foto: Heribert Corn

Die Würste füllen sich. Geschlossen werden die beiden Enden der Wurst auf Gut Purbach mit Garn. Lukas hält zu, Stiegl bindet. Nicht anders als beim Geschenkeeinpacken funktioniert das. Ob man danach wie Stiegl in Schnecken aufrollt oder kürzere Würste abbindet, ist jedem selbst überlassen. Das letzte Mal Obacht geben heißt es, wenn die Wurst auf den Grill kommt. Bei zu hoher Hitze platzt die Haut.

Foto: Heribert Corn

Wurst vom Profi Stierschneider

Würde Fleischermeister Stierschneider seine Würste wie Max Stiegl machen, er könnte seine drei Filialen in Wien wohl schwer in der Menge bedienen. Auch wenn er noch einer der wenigen Fleischer Wiens ist, der seine Würste selbst, in der Produktionsstätte im 15. Bezirk, zubereitet.

Horst Stierschneider ist einer der letzten Fleischer in Wien, die noch selbst Wurst machen.
Foto: Maria Noisternig

Im Vergleich zu großen Ketten produziert er Kleinstmengen und nach einem ursprünglichen Prinzip: "Industrieunternehmen kaufen nur Fleischteile ein und nicht das ganze Tier. Der Grundgedanke der Wurst, Teile abseits von Filet und Co zu verwerten, geht damit verloren", sagt Stierschneider. Bei Stierschneiders ist der traditionelle Ansatz seit Jahrzehnten die gängige Vorgehensweise. Aktuell kauft der Fleischer 15 Schweine und zweieinhalb Rinder pro Woche und verarbeitet diese.

Und auch wenn Stierschneiders Würste zu hundert Prozent Handarbeit sind, so haben sie wenig mit Stiegls Wurstfüllen zu tun. Der Kutter in Stierschneiders Produktionsküche fasst 50 Kilogramm Fleisch.

Beim Zerkleinern ist Eis nötig, damit die Hitze, die durch die rasche Bewegung der Messer im Kutter entsteht, die Eiweißstruktur des Fleisches nicht aufbricht. Eine Wurst aus Stierschneiders Küche folgt dementsprechend diesem Grundrezept: zwei Teile Magerfleisch, ein Teil Fett, ein Teil Eis.

Die automatische Wurstspritze übernimmt das Füllen der Naturdärme. Danach kommen die Würste in die Selchkammer. Auch die hat der gemeine Koch selten zu Hause. Je nach Sorte reifen die Würste oder gehen frisch in den Verkauf. Fleischer, die so arbeiten wie er, gäbe es noch 18 in Wien.

Sie sind von 2400 Betrieben in den 1960er-Jahren übrig geblieben. Gesicherte Nachfolge habe nur einer von all diesen Betrieben. Selbstwurster und Kulturgut-Freunde auf der Suche nach der echten Wurst nähren allerdings die Hoffnung, dass das zweite Ende der Wurst trotzdem noch nicht erreicht ist. (Nina Wessely, RONDO, 30.1.2020)


Max Stiegls Rezept für Büffel-Kuttelwurst

1 kg Büffelschulter, 200 g Schweinsbauch, 100 g Büffelkutteln, 150 g Kimchi, Salz, Pfeffer, 1 TL Majoran, Zitronenzeste, 1 Bund Petersilie, Estragon, 2 Knoblauchzehen, Schweine- oder Lammdarm

Zubereitung:

Büffelschulter und Schweinsbauch würfelig schneiden und grob faschieren. Kutteln kochen und in Julienne (sehr feine Srreifen) schneien. Kimchi in Srreifen schneiden, Petersilie zupfen. Estragon hacken. Die Masse mit allen Zutaten gut vermischen und abschmecken, etwas überwürzen, da die Masse nach dem Garen nachzieht. Masse in den Darm füllen und in heißer, nicht kochender Suppe ziehen lassen oder grillen. Mit Sauerteig-Brot und Kren servieren. Mahlzeit!