Jugendliche machen sich mit der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte strafbar – auch wenn sie sich dessen gar nicht bewusst sind.

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Die Verbreitung sexueller Darstellungen von Minderjährigen ist – selbstverständlich – verboten. Immer häufiger stehen Ermittler aber vor einer heiklen Lage: Vermehrt sind die Beschuldigten selbst noch gar nicht volljährig. In Deutschland veranlasste das die Polizei im vergangenen Oktober gar zu einer Razzia gegen Minderjährige, die derartige Aufnahmen in sozialen Netzwerken geteilt haben sollen.

Kinderpornografie also, die durch Kinder verbreitet wird. "Wir kriegen das häufig an Schulen mit", sagt Barbara Buchegger von der Initiative Safer Internet. Seit Jahren würden Kinder solche Aufnahmen von sich untereinander versenden – "Stichwort Sexting". Grundsätzlich ist es nicht verboten, so etwas mit Einverständnis der Betreffenden auf dem Handy zu haben – problematisch wird es aber, wenn Aufnahmen weiterverbreitet werden: "Das passiert immer wieder aus Macht- und Rachegefühlen heraus", sagt Buchegger. "Man muss dabei beachten: Ein Kind sieht das ja nicht als Kinderpornografie", erklärt dazu Jürgen Ungerböck, Referatsleiter Sexualstraftaten und Kinderpornografie im Bundeskriminalamt (BK), im Gespräch mit dem STANDARD.

Podcast: Was tun, wenn Kinder Kinderpornos verbreiten?

Unrechtsbewusstsein fehlt

Aufgrund des Alters könnten derartige Inhalte gar nicht als solche wahrgenommen werden. In den letzten Jahren sei vor allem die Problematik des Verbreitens von Aufnahmen von Kindern, die die Minderjährigen selbst nicht kennen, größer geworden. Ungerböck verweist auf "das Eselvideo" – eine Aufnahme, die sexuelle Handlungen zwischen einem Kind und einem Esel zeigt. Dieses sei hundertfach über soziale Netzwerke geteilt worden, generell verbreiten sich derartige Inhalte wie ein Lauffeuer unter Jugendlichen.

"Hier fehlt meist das Unrechtsbewusstsein", sagt Ungerböck. "Die einen Empfänger zeigen sich schockiert und leiten es weiter, andere finden es lustig und teilen es ebenso – beides ein Treffer", so der Referatsleiter. "Da herrscht die Wahrnehmung, es handle sich um ein 'Spaßvideo'. Da gilt es, Bewusstsein zu schaffen. Die Frage ist halt, wie." Das BK hat daher gemeinsam mit der LPD Wien ein Präventionsvideo gedreht, in dem Jugendliche darüber informiert werden, dass die Verbreitung solcher Inhalte eine schwere Straftat darstellt.

Das Land aufrütteln

Im Vergleich zu diesem präventiven Ansatz habe hingegen das deutsche Bundeskriminalamt Wiesbaden einen Weg gewählt, mit dem man das Land aufrütteln wollte, so Ungerböck. So ging es mit einer Razzia bundesweit gegen 21 Verdächtige im Alter von 14 bis 26 Jahre vor. Aber Video oder nicht: "Drei Monate später, wenn so was wieder auf Facebook auftaucht, drückt wieder einer auf Teilen, und es geht erneut los", sagt der Ermittler.

Unter 14-Jährige sind nicht strafmündig – die Staatsanwaltschaft muss aber Jugendhilfeträger informieren, erklärt Katrin Grabner, Kinder- und Jugendrechtlerin bei SOS Kinderdorf. Jugendlichen über 14 drohen hingegen nach dem Jugendstrafrecht bis zu 1,5 Jahre Haft.

Die Verbreitung durch strafunmündige Personen stelle einen großen Arbeitsaufwand dar, sagt Ungerböck. Mit klassischen Pädophilen, mit denen sich das Referat befasst, habe es aber nichts zu tun. "In erster Linie werden solche Videos in Whatsapp-Gruppen geteilt", sagt Buchegger. Im schlimmsten Fall müsse dann die ganze Klasse das Handy abgeben, erklärt Ungerböck, der die Verbreitung vor allem in sozialen Medien beobachten konnte.

Einmal im Netz, immer dort

Fälle von Rachepornografie unter Minderjährigen seien nach Einschätzung von Ungerböck zurückgegangen. Dabei ging es häufig um Jugendliche, die sich in einer Beziehung intime Bilder schicken, die nach der Trennung – oft aus Vergeltung – weiterverbreitet werden. Eine so epidemische Verbreitung wie bei dem "Eselvideo" gebe es nicht.

Erhard Friessnik vom Cybercrime-Competence-Center des BK sagt in diesem Zusammenhang: "Egal wie alt man ist, egal welches Geschlecht. Man darf nie vergessen, dass das Internet nie vergisst." Daher sei zu bedenken, welche Daten – insbesondere Fotos – man ins Netz stellt. "Was einmal dort ist, kriegt man nur sehr schwer wieder weg."

Warum?

Doch warum teilen Kinder überhaupt kinderpornografische Inhalte? "Das ist oft wie mit Gewaltvideos", sagt Buchegger. "Es ist oft lustig gedacht. Man will Aufmerksamkeit generieren, zu seiner Gemeinschaft etwas beitragen, indem man sie unterhält. Oft wird es als eine Art Meme betrachtet."

Dabei zeige sich sehr wenig Empathie unter den Minderjährigen selbst, gerade wenn es fremde Kinder sind. "Manchmal hat man den Eindruck, dass die Kinder mit Hunden mehr Mitleid haben als mit anderen Kindern." Woher das kommt?

Buchegger sagt: "Das ist ein Schutzmechanismus. Es ist schwierig, sich zu überlegen, wer das ist und wie man sich selbst dabei fühlt. Vielleicht ist es bei manchen Kindern auch eine Abstumpfung durch diverse Medien."

Je nach Kind gebe es unterschiedliche Hintergründe. "Vielleicht geben sie es einfach auch nicht zu, dass sie es mehr mitnimmt, als sie es thematisieren. Für andere ist das Weiterleiten womöglich eine Form der Bewältigung – um zu sehen, wie andere darauf reagieren."

Gute Zusammenarbeit

Die Zahl der Anzeigen wegen Kinderpornografie ist 2018 um 58,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – von 733 auf 1.161. Der Grund dafür liegt laut Bundeskriminalamt darin, dass die großen sozialen Medien aus den USA das Thema ernster nehmen und Vorfälle auch an Behörden melden. Die Zusammenarbeit des BK mit US-Plattformen funktioniere gerade im Bereich Kinderpornografie sehr gut, sagt Ungerböck. Das National Center for Missing and Exploited Children, eine Nonprofitorganisation aus den USA, mit der die dortigen sozialen Plattformen arbeiten, meldet solche Vorfälle an zuständige Behörden weltweit, die dann in ihrem jeweiligen Land weiterermitteln.

Aufklärung notwendig

Beim verschlüsselten Whatsapp müsse man hingegen auf Meldungen von Betroffenen oder ihren Eltern setzen. Anders sieht es beispielsweise beim chinesischen Anbieter Tiktok aus: Von ausländischen Behörden oder dem dortigen Sitz des Unternehmens habe das Referat aus kriminalpolizeilicher Sicht "noch gar nichts gehört", erklärt der Ermittler. Dabei ist die Plattform in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik geraten – denn die besonders junge Zielgruppe zieht auch Pädophile an.

Aus Sicht von Jürgen Ungerböck brauche es Aufklärung. "Da hilft der beste Strafrahmen nichts, wenn sich dann nur die Grenze ein bisschen verschiebt." Somit sieht der Strafverfolger Lehrer und Eltern in der Pflicht, Kinder regelmäßig aufzuklären. "Und selbst dann ist es wahrscheinlich nicht sicher, dass es passiert – es ist ein Klick, um solche Inhalte weiterzuleiten. Daher wollen wir betonen: Das ist kein Spaß, sondern strafbares Verhalten." (Muzayen Al-Youssef, 4.2.2020)