Wer ist der beste Verkäufer Europas? Der Handel übt sich in Wettbewerben.
Foto: APA/dpa/Carsten Rehder

Florian Hiebl verkauft Sportlern Skiausrüstung. Steht er im Rampenlicht auf der Bühne, bringt der 22-Jährige im Duell mit Mitstreitern auch Waschmaschinen, Staubsauger und Dampfgarer unters Volk. Gereizte Reklamationen brachten ihn dabei bisher ebenso wenig ins Stottern und ins Schleudern wie enervierende englischsprachige Kunden, die er zu besänftigen und beraten wusste. Nun ruhen große Hoffnungen auf seinen Schultern: Der Salzburger soll heuer nicht nur Österreich bei den Europameisterschaften der Berufe würdig vertreten, sondern auch den Jungen mehr Lust auf einen Job im Handel machen.

Quer durch die Branche kämpfen Einzelhändler zusehends mit Nachwuchsproblemen. Das Image der Billiglöhner lässt sich trotz einiger neuer finanzieller Zuckerln nur schwer abstreifen. Auch was die Arbeitsbedingungen betrifft, eilt dem Verkauf nach wie vor kein guter Ruf voraus: Der Teilzeitanteil ist hoch, die Karrierechancen gelten als gering, die Arbeitszeiten als unregelmäßig und willkürlich.

Offene Lehrstellen

Vor allem im Westen gab es im Vorjahr einen teils erheblichen Überhang an offenen Lehrstellen, geht aus den aktuellen Statistiken des Arbeitsmarktservice hervor. In Tirol kamen im Schnitt auf 54 angehende Lehrlinge doppelt so viele freie Stellen. Oberösterreich zählte 277 offene Stellen, aber nur 109 Lehrplatzsuchende. An Jungen fehlte es den Händlern zudem in der Steiermark, Vorarlberg und Salzburg – auch wenn die Zahl der Lehrlinge in Summe 2019 erstmals seit langem österreichweit wieder gestiegen ist.

Klar spiele Geld eine Rolle, sagt Hiebl auf die Frage, warum viele seiner Generation ihr Glück lieber in anderen Berufen suchen. "Doch wer den Job gut und gerne macht, kann auch im Handel das verdienen, was er sich vorstellt", glaubt er, "denn Aufstiegsmöglichkeiten gibt es überall." Er selbst lernte im Sporthandelsbetrieb seiner Eltern in Obertauern, arbeite mittlerweile bei der Expansion und im Einkauf mit. Dienste am Samstag und Sonntag seien in der Hochsaison Standard. Ob ihn das nicht nervt? "Jeder Chef ist froh, wenn er gute Leute hat, und lässt umgekehrt mit sich reden. Dann hat man halt jedes zweite Wochenende frei. Passt ja auch." Ihm jedenfalls mache der Umgang mit Kunden Spaß.

Hiebl misst sich im September bei den Euro-Skills mit Konkurrenten aus sieben Ländern. Es ist das erste Mal, dass der Handel bei der diesmal in Graz ausgetragenen Berufseuropameisterschaft nach einem aufwendigen Bewerbungsprozess mit von der Partie ist. Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer, erwartet sich, dass Funken daraus auf die Branche überspringen. Eine Lehre im Handel sei keine Einbahnstraße, bei der man etwa ein Leben lang hinter der Feinkosttheke stehe, sagt sie und erinnert an ein breites Betätigungsfeld vom Marketing über Logistik bis hin zum Einkauf. Die Gehälter seien deutlich angehoben worden. "Wir sind heute weit weg von einer Billigbranche."

Freizeit statt Überstunden

Um die Rolle des Handels weiter zu stärken, schwebt der Branche ein neuer Titel vor, der jenem des Meisters und des Bachelors ebenbürtig sein soll. Der bisherige Arbeitstitel hierfür: Bachelor Professional. Noch sei er jedoch nicht spruchreif, betont Thalbauer.

Für den Handelsgewerkschafter Karl Dürtscher braucht der Handel ein Gesamtpaket, um den Anschluss an die Jungen nicht weiter zu verlieren. "Wer will schon eine qualifizierte Ausbildung machen, wenn er dann maximal 20, 30 Stunden die Woche arbeiten kann?" Vielen sei geregelte Freizeit wichtiger, als Überstunden ohne Zuschlag zu schieben. Auch ständiges Trommeln für die Sonntagsöffnung lasse das Arbeitsumfeld nicht gerade attraktiv erscheinen.

Staatsmeister Hiebl will jedenfalls bald über den Tellerrand des Familienbetriebs hinausblicken. Ein halbes Jahr Arbeit in Australien würde ihn reizen, erzählt er. "Es ist sicher nicht schlecht, auch einmal was anderes zu sehen." (Verena Kainrath, 29.1.2020)