Irgendwie schafft man die Emails immer noch: Wer ins Büro geht, steckt möglicherweise aber auch die Kollegen und Kolleginnen an.

Foto: GettyImages

So gut wie jeder steht einmal pro Winter vor einer wichtigen Entscheidung. Man spürt, dass irgendetwas im Körper anders ist. Vielleicht hat man schlecht geschlafen, muss niesen, vielleicht kratzt auch der Hals oder man muss husten, aber trotzdem geht man ins Büro. Das ist alle Jahre während der Grippewelle der Fall und auch die Ursache dafür, dass sich die Viren an andere verbreiten.

Präsentismus ist der Fachbegriff dafür, dass Leute trotz Krankheit nicht zu Hause bleiben. Es ist ein Phänomen, das Heiko Breitsohl von der Abteilung Personal, Führung und Organisation der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt wissenschaftlich untersucht. Präsentismus hat viele Ursachen. "Viele Menschen arbeiten heute in prekären Beschäftigungsverhältnissen und haben daher die oft berechtigte Sorge, ihren Arbeitsplatz zu verlieren."

Irgendwie schaffen

Die Untersuchungen zeigen aber auch andere Gründe auf: "Viele haben das Gefühl, dass sonst die Arbeit liegen bleibt und später umso geballter auf einen zukommt, oder sie haben ein starkes Verantwortungsgefühl gegenüber ihrer beruflichen Tätigkeit. In manchen Unternehmen gibt es auch Regelungen, die vorsehen, dass es sich lohnt, nicht in Krankenstand zu gehen. Dies sind beispielsweise Boni, die dann bezahlt werden, wenn man unter einer gewissen Anzahl an Krankenstandstagen bleibt."

Oft sei es aber die Arbeitskultur in einem Team oder in einem Betrieb, die – eher unausgesprochen und zwischen den Zeilen – vermittelt, wie man sich zu verhalten hat. Orientierungshilfe bietet da häufig die Führungskraft: "Geht sie krank arbeiten, hat das Einfluss auf das eigene Verhalten", führt Heiko Breitsohl aus.

Wirkung auf Produktivität

Die Frage, wie sich Präsentismus auf die Leistungsfähigkeit von Unternehmen auswirkt, steht nun zunehmend im Fokus der Forschung. Offensichtlich ist, so Heiko Breitsohl: "Für die Organisationen ist Präsentismus mit Produktivitätsverlusten und damit entstehenden Kosten verbunden, da ArbeitnehmerInnen, die krank zur Arbeit gehen, nicht ihre normale Produktivität aufrechterhalten können. Auf individueller Ebene führt Präsentismus zu einer Verschlechterung der Gesundheit und zu darauffolgenden längeren Ausfallzeiten."

Im Detail ist die Sache aber noch komplizierter, insbesondere ist es schwierig, die Folgen des Präsentismus konkret zu messen: "Präsentismus ist zum Teil ein unsichtbares Phänomen." In ihrer Arbeit zeigen Breitsohl und seine KollegInnen verschiedene Wege auf, wie sich Präsentismus und der damit einhergehende Produktivitätsverlust messen lassen können. (red, 29.1.2020)