Achtung, dies ist ein Recap der Folge "The End is the Beginning". Ein Recap ist eine ausführliche Inhaltsangabe. Es folgen daher

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... und ein paar ...

... SPOILER.

Chris Rios (Santiago Cabrera) wird für Picard ans Steuer dürfen. An welchen rasenden Raumschiffpiloten mit Bad-Boy-Attitüde mag er nur erinnern ...?
Foto: CBS Interactive, Inc, Amazon.com Inc.

Im Prolog sehen wir eine Reihe von Explosionen auf der Marsoberfläche erblühen – der Sabotageakt der Synths hat zehntausende Todesopfer gefordert, wie wir erfahren werden. "Der Mars brennt." Wir blenden um zum Hauptquartier der Sternenflotte, vor dem ein kosmetisch leicht verjüngter Picard und Offizierin Raffi Musiker aufeinandertreffen, beide tragen noch Uniform. Es ist das Jahr 2385, 14 Jahre vor der Gegenwart, und doch spiegelt die Szene eine aus der vorangegangenen Folge wider: Auch hier hat sich Picard gerade eine Abfuhr geholt. Das Projekt zur Evakuierung der Romulaner von ihrer dem Untergang geweihten Heimatwelt wurde wegen Ressourcenknappheit abgeblasen. Synths, durch die die Logistik machbar gewesen wäre, sind nun unter Acht und Bann gestellt.

"Ich hätte mir nie träumen lassen, dass die Sternenflotte Intoleranz und Furcht nachgeben würde", sagt ein leicht schockiert wirkender Picard. Er hat hoch gepokert und verloren: Als letztes Druckmittel bot er nämlich seinen Rücktritt an, und der wurde tatsächlich angenommen – auch das hätte er sich nie träumen lassen. Raffi schwant indes, dass das auch für ihre Karriere nichts Gutes bedeuten wird.

Widerstand ist zwecklos

Nach der Titelmelodie kehren wir in die Gegenwart und in die kalifornische Wüste zurück, wo Raffi in einem Hightech-Hippie-Heim haust, nachdem sich ihre Befürchtungen bestätigt haben. Auf ihre Entlassung aus der Sternenflotte folgte "ein langsames Abgleiten in Erniedrigung und Wut" – kein Wunder, dass sie auf Picard nicht gut zu sprechen ist. Die beiden werden sich zwar im Gespräch einig darüber, dass es zwischen jemandem in der Sternenflotte und dem romulanischen Geheimdienst Kontakte geben muss (mit Recht, wie wir seit dem Auftritt der vulkanischen Commodore Oh in Folge 2 wissen). Doch Raffi kann Picard nicht verzeihen, dass er sich in all den Jahren nie bei ihr gemeldet hat – erst jetzt, wenn er etwas von ihr braucht. Also schickt sie ihn in die Wüste, die praktischerweise gleich vor der Haustür liegt. Immerhin nennt sie ihm aber noch den Namen eines potenziellen Piloten für seine Mission zur Rettung der Androidin (bzw. Gynoide) Soji: Cristobal "Chris" Rios.

Picard ahnt allerdings, dass Raffi insgeheim längst angefixt ist. Wir werden sie im weiteren Verlauf mehrfach bei Recherchen nach dem verschwundenen Wissenschafter Bruce Maddox sehen, der hinter dem Geheimnis der Androiden-Zwillinge Dahj und Soji stecken soll. Einmal übermittelt ihr Picard einen Satz Daten und schließt – fröhlich ihr Sträuben ignorierend – mit "Carry on!". Was maximal der drittberühmteste Picard-Sager ist, aber schon den Grundstein dafür legt, was noch kommen wird.

Wiederkehr eines alten Bekannten

Zur gleichen Zeit an jenem unbekannten Ort, an dem das romulanische "Reclamation Project" einen havarierten Borg-Kubus ausschlachtet, erregt Soji die Aufmerksamkeit eines alten Bekannten: Hugh kennen wir aus "Next Generation" als ehemalige Borg-Drohne, die kurzfristig aus dem Kollektiv gelöst wurde und ihre Individualität entdeckte. Als schönes Beispiel für das "Star Trek"-eigene Geschichtsbewusstsein wird Hugh erneut von Jonathan Del Arco verkörpert, den wir zuletzt vor 27 Jahren in dieser Rolle sahen.

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Jonathan Del Arco ist dem "Star Trek"-Universum treu geblieben – und dieses ihm.
Foto: Willy Sanjuan/Invision/AP

Mittlerweile scheint Hugh eine leitende Funktion im romulanischen Borg-Projekt einzunehmen. Er verspricht Soji eine Audienz bei Ramdha, einer romulanischen Expertin für Mythologie (auch wenn sie selbst diesen Begriff ablehnt). Die befindet sich nun in einer psychiatrischen Station, in der einige Ex-Drohnen ziellos herumtorkeln, und legt eine Art romulanisches Tarot mit dreieckigen Karten. Ramdha war an Bord des letzten assimilierten Romulanerschiffs und wurde vorübergehend zur Drohne, bis die Submatrix des angreifenden Borg-Kubus aus ungeklärten Gründen ausfiel. Diese Fakten sind eigentlich geheim – Soji kann selbst nicht sagen, wie sie in ihrem Kopf auftauchen konnten. Es bleibt rätselhaft!

Die guten Kräfte sammeln sich

Zwischenspiel 1: Zu erhabenen Arienklängen (die freilich nur aus dem Kopfhörer von Dr. Agnes Jurati kommen) erblicken wir das berühmte Daystrom-Institut, ein schwebendes Riesenkonstrukt am Himmel über Okinawa und zugleich Bruce Maddox' ehemalige Wirkungsstätte. Die Aussicht wird getrübt, als sich hinter Jurati Commodore Oh – mit Sonnenbrille und sauertöpfischer Miene – aufbaut, um sie über ihren Kontakt zu Picard zu befragen.

Zwischenspiel 2: Picard lässt sich an Bord eines zackigen kleinen Raumschiffs im Orbit beamen, um "seinen" Piloten anzuheuern, einen ehemaligen Sternenflottenoffizier. Der Rios, der ihn zunächst empfängt, wirkt überraschend betulich, entpuppt sich allerdings nur als medizinisches Notfallhologramm. Der echte Rios erwartet Picard dann mit freiem Oberkörper, einem Metallschrapnell in der Schulter, einer Flasche Hochprozentigem in Griffweite und wenig Begeisterung. Bei der Einladung, sich zu setzen, wirft Picard einen kurzen Seitenblick auf den Kapitänssessel (Ah, diese Subtilität!), nimmt dann aber in einem weniger prominenten Sitzmöbel Platz. Rios' Bad-Boy-Attitüde hat er sofort durchschaut. Er merkt den makellosen Zustand des Raumschiffs an und sagt Rios auf den Kopf zu: "Sie sind Sternenflotte bis ins Mark."

Nachdem Picard in der Gewissheit, einen weiteren Fang gemacht zu haben, wieder abgezogen ist, erhalten wir eine erste Ahnung von Rios' Vorgeschichte. Er hat schon einmal einen Kapitän, der sich heldenhaft verhielt, verloren und mit der Sternenflotte – angeblich – abgeschlossen. Das Hologramm, das offenbar darauf programmiert ist, seine besseren Seiten zu verkörpern, listet ihm aber Picards Ruhmestaten auf. Und provoziert ihn geschickt mit der Vermutung, dass er vom Star Picard insgeheim fasziniert sei.

Jetzt wird's hektisch

Picard verabschiedet sich von seinem Weingut ("Ich denke nicht, dass ich mich hier jemals wirklich zu Hause gefühlt habe"), seine Haushälter Laris und Zhaban geben ihm noch ein exquisites Jausenpaket mit auf den Weg. Und zum Glück lässt Zhaban eine Melanzani fallen, denn just als er sich danach bückt, zischt ein erster Schuss über seinen Kopf hinweg. Ein behelmtes romulanisches Kommando stürmt das Gebäude, und es kommt zu einem wilden Getümmel, in dem sich Laris und Zhaban als ausgesprochen kampftauglich erweisen. Gemeinsam mit Picard erledigen sie sämtliche Angreifer bis auf einen – der wird von einem Schuss aus dem Off zur Strecke gebracht.

Eine verdatterte Dr. Jurati, die eigentlich nur Picard von ihrer Begegnung mit Commodore Oh erzählen wollte, betritt die Szene. Geschockt, dass sie gerade jemanden umgenietet hat (wann und wie konnte sie sich eigentlich eine Waffe greifen?), stammelt sie: "Vielleicht war es auf Betäubungsfunktion ..." Doch Laris macht diese Hoffnung sofort wieder zunichte: "Romulanische Disruptoren haben keine Betäubungsfunktion." (Subtext: Wir sind keine Weicheier.)

Meltdown

Im Anschluss erleben wir durch rasche Schnitte zwischen den beiden Hauptschauplätzen, wie die Folge einem gemeinsamen Höhepunkt entgegensteuert. Team Picard hat den letzten Überlebenden an einen Stuhl gefesselt und verhört ihn, warum der romulanische Geheimdienst Jagd auf die Androiden-Zwillinge macht. Soji bringt indes Ramdha mit ihrer Befragung aus der Fassung. Die hat erst noch "Ich erinnere mich an dich von morgen" orakelt, dann zückt sie eine Karte mit Zwillingssymbol und flippt aus.

"Welche Schwester bist du – die, die stirbt, oder die, die lebt?", schreit sie und gibt sich gleich selbst die Antwort: "Du bist die Zerstörerin!" Wie ihr Echo brüllt auch der verhörte Romulaner "Destroyer!" und begeht spektakulär Selbstmord, indem er sich in einem grünlichen Säurenebel auflöst. Ramdha, die sich eine Schusswaffe von einer Wache geschnappt hat, kann gerade noch vor einem vergleichbaren Schicksal bewahrt werden – sie wird noch für ein paar weitere Folgen gebraucht. Die herumstehenden romulanischen Ex-Borg-Drohnen wirken nun deutlich fokussierter und werfen Soji böse Blicke zu.

Nach der ganzen Aufregung ein bisschen Liebesgeschnäbel zwischen Soji und Narek.
Foto: CBS Interactive, Inc/Amazon.com Inc.

Es folgt ein seltsames Intermezzo, in dem Soji mit ihrer vorgeblichen Mutter holografiert, die ihr weismacht, dass es ihrer Schwester bestens gehe. Unmittelbar darauf kippt Soji um, als wäre sie ausgeschaltet worden. Als sie wieder erwacht, kommt Narek – der Romulaner, der aussieht wie Harry Treadaway an einem drehfreien Wochenende – zu ihr in die Kabine und flüstert ihr seine Liebe ins Ohr. Unmittelbar danach trifft er auf dem Gang Commodore Ohs Spezialagentin Narissa und versichert ihr, dass Soji keine Ahnung habe, was sie ist. Bemerkung am Rande: Narek und Narissa reden sich zwar mit "Bruder" und "Schwester" an, aber so ganz sauber wirkt ihr Zusammenspiel nicht.

Sag es, bitte sag es!

Und damit schwenkt die Folge in die Zielkurve ein: Jurati hält eine glühende Bewerbungsrede, warum sie als führende Synth-Expertin unbedingt an Picards Mission teilnehmen müsse, und heuert sich damit mehr oder weniger selbst an. Kurz danach meldet sich auch Rios aus dem Orbit – der Kern des Teams ist also beisammen. Fehlt nur noch Raffi ... und kaum ein Zuschauer dürfte überrascht sein, dass sie an Bord schon auf Picard wartet. Sie reibt ihm zwar noch einmal ausdrücklich ihre Autonomie unter die Nase ("Ich schließe mich Ihnen nicht an, ich brauche nur eine Mitfahrgelegenheit"), aber Hauptsache, sie ist dabei. Das Ziel: Freecloud, ein neuer Schauplatz im "Star Trek"-Universum. Dort soll sich der ominöse Bruce Maddox aufhalten.

Nachdem jeder seinen Claim abgesteckt hat, kommt für einen Moment Unschlüssigkeit auf, was jetzt zu tun sei. Also ergreift Picard kurzerhand die Initiative, macht – YESSS! Es ist so weit! – mit verschmitztem Gesichtsausdruck seine legendäre Handbewegung und sagt: "Energie!" Beziehungsweise im Original natürlich "Engage!", noch ist die Folge ja nicht durch den Universaltranslator gegangen. Zu klassischen "Star Trek"-Klängen geht das Schiff auf Warpgeschwindigkeit und fliegt Folge 4 entgegen. (Jürgen Doppler, 7.2.2020)

Abschließende Betrachtungen:

  • Unterschätze niemals einen Romulaner. Selbst ein bieder wirkendes Haushälterpaar in mittleren Jahren kann sich bei Bedarf umgehend in Kampfmaschinen verwandeln.
  • Folge 3 von 10 ist durch, und Picard hat noch nicht einmal sein ganzes Team beisammen – wir warten noch auf den aus Trailern schon hinlänglich bekannten Elnor.
  • Trotz "Energie!" stand diese Folge im Zeichen der Entschleunigung und fokussierte aufs Zwischenmenschliche. Und weil man sich nur auf eine begrenzte Zahl von Menschen konzentrieren kann, war die Liste der Mitwirkenden vermutlich kürzer als die der "Executive Producers" und noch mehr "Co-Executive Producers" im Vorspann.
  • Herrlich, wie die abgebrühte Raffi die kulleräugig auftretende Agnes wie eine Fliege betrachtete, die in ihrer Suppe gelandet ist: Es zeichnet sich ab, wie die Chemie zwischen den verschiedenen Hauptfiguren konzipiert ist.
  • Wikipedia hatte "The End is the Beginning" zunächst als erste "Picard"-Folge angegeben, bei der Jonathan Frakes alias Will Riker Regie geführt hat. Laut den Credits war es aber doch wieder Hanelle Culpepper. Und apropos Wikipedia: Dort und auf Amazon dürfte es nach der Folge verstärkten Traffic zum Suchbegriff "Tragic sense of life" gegeben haben – so der Titel des Buchs, in dem Pilot Rios so auffällig unauffällig las.
  • Dahj/Soji schält sich endgültig als klarer Dreh- und Angelpunkt des Ganzen heraus. Picard glaubt vielleicht, dass er wie ein tapferer Ritter aufbricht, um eine junge Frau in Not zu retten, doch sie ist noch viel mehr: THE DESTROYER!
  • Und zum Abschluss noch ein Sakrileg: Ist Chris Rios der Han Solo von "Star Trek"?

Sie sind noch "Star-Trek"-Anfänger und wollen eine Einführungslektion? Dann hören Sie unsere Podcast-Folge:

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