Wien – Ein Paradigmenwandel zeichnet sich ab: Was die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen und die Bedrohung der pflanzlichen Vielfalt betrifft, war im heimischen Alpenraum bislang die Landwirtschaft der treibende Faktor. Doch deren Auswirkungen stoßen allmählich an ihre Grenzen – künftig wird der Klimawandel der entscheidende Faktor sein, berichten Wiener Forscher im Fachjournal "Global Change Biology".

Die Untersuchung

Das Team um Stefan Dullinger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien und Veronika Gaube vom Institut für soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur erweiterte gängige Rechenmodelle, wie sich die Biodiversität in Zukunft entwickeln wird, mit Landnutzungs-Vorhersagen. Als Modellgebiet wählten sie die Eisenwurzen-Region in Oberösterreich und der Steiermark, als Modellorganismen dienten 834 Pflanzenarten. 1.300 land- und forstwirtschaftliche Modellbetriebe wurden inkludiert.

"Deren Betreiber reagieren in der Simulation auf verschiedene mögliche Entwicklungen der wirtschaftlichen und klimatischen Rahmenbedingungen", so die Wissenschafter: "Ihre Entscheidungen führen zu Veränderungen in der Landschaft, die gemeinsam mit dem Klimawandel die Lebensräume der Pflanzen verändern."

Ausgereizt

Das Ergebnis: Große Änderungen in der Landnutzung sind dem Modell zufolge nicht mehr zu erwarten. Einerseits sei der Wald gesetzlich geschützt, andererseits könne man bei den meisten Wiesen und Weiden aufgrund der gebirgigen Lagen die Nutzung kaum mehr intensivieren. Der Handlungsspielraum der Landwirte wäre demnach stark begrenzt.

"Im Unterschied dazu führt der Klimawandel bei etwa 60 Prozent der Arten zu Lebensraumverlusten", schrieben die Wissenschafter. Diese Verluste wären teilweise massiv, vor allem bei Arten in höheren Berglagen. Die Biodiversität in den österreichischen Gebirgslebensräumen wäre demnach hauptsächlich vom Klimawandel bedroht.

Dennoch könne man durch vernünftige Landnutzung "deutlich positive Effekte auf die Lebensräume von Arten in der Region erzielen", meint Dullinger: nämlich mit einer "ambitionierten Agrarpolitik mit starken finanziellen Anreizen für eine biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft". (APA, red, 29. 1. 2020)