Mater semper certa est, hieß es im römischen Familienrecht, die Mutter ist immer sicher. Das bedeutete, dass jene Person, die ein Kind geboren hatte, automatisch auch die rechtliche Mutter dieses Kindes war. Die soziale Rolle der Elternschaft war demnach an den biologischen Prozess der Schwangerschaft und Gebärens geknüpft. Und dieses Gesetz überlebte viele Jahrhunderte, schaffte es später ins Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands und gilt dort heute noch: Mutter ist laut geltendem Recht die Person, die ein Kind geboren hat.

Im Gegensatz dazu war die Vaterschaft im alten Rom nicht an eine biologische Verbindung geknüpft, sondern wurde sozusagen über Bande gespielt: pater est quem nuptiae demonstrant – Vater ist, wen die Ehe als solchen zeigt. Vaterschaft konstituierte sich also, anders als Mutterschaft, nicht über Biologie, sondern über soziale Verhältnisse. Die Ehe mit einer Mutter, nicht die Spermaabgabe, machte den rechtlichen Vater aus. Ob die Ehefrau das Sperma, mit dem sie schwanger wurde, von einem anderen Mann hatte, war für die Vaterschaft egal. Ebenso konnte kein Mann zur Vaterschaft eines Kindes verpflichtet werden, das er mit einer Frau gezeugt hatte, mit der er nicht verheiratet war – was ja oft vorkam. Außer er adoptierte dieses Kind – was so gut wie nie vorkam, dafür adoptierten die römischen Männer gerne alle möglichen passenden Söhne, ebenfalls ganz unabhängig von irgendeinem Sperma.

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Ich hab dir Sperma gegeben, nun will ich Rechte!

Wie auch immer, heute haben wir zwar die Ehe für alle, aber die Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Paaren gilt für alle Gebiete, nur nicht für dieses: Die Co-Elternschaft von Verheirateten, die nicht selbst geboren haben, wird in dem Fall, dass sie keine Männer, sondern Frauen sind, keineswegs qua "nuptiae demostrant". Sondern sie müssen den komplizierten und teilweise regelrecht demütigenden Prozess einer Stiefelternadoption durchlaufen.

Natürlich gibt es einen Grund für diese Ungleichbehandlung weiblicher und männlicher Eheleute, und dieser heißt: Sperma. Heute beanspruchen Männer bekanntlich die rechtliche Vaterschaft, also ein Mitbestimmungsrecht über das Leben von Frauen und deren Kindern, nicht mehr nur qua Ehe, sondern auch qua Sperma. Das Argument "Ich bin dein Ehemann, also habe ich Rechte", wurde ergänzt und teilweise ersetzt durch das Argument "Ich bin der Spermageber, also habe ich Rechte".

Manchmal kommen dadurch zwei Männer miteinander in Konkurrenz um ein Kind, nämlich wenn Spermaspender und Ehemann der Schwangeren zwei unterschiedliche Leute sind. Dann sitzt interessanterweise immer noch der verheiratete Nicht-Spermageber am längeren Hebel: "Pater Familias" sticht "Erzeuger". Doch wenn der Ehemann eine Ehefrau ist, gilt das plötzlich nicht mehr. Offenbar muss um jeden Preis verhindert werden, dass Frauen und Lesben einem Mann, der eventuell eine Vaterschaft beanspruchen will, im Wege stehen.

Keine Zwangsbeziehungen mehr

Ein anderer Grund fällt mir für die Ungleichbehandlung jedenfalls nicht ein. Die Spermaabgabe ist gerade dabei, in Bezug auf familienrechtliche Logik die Funktion des Eherechts zu übernehmen. Zwei Varianten von Patriarchat, die sich nicht groß unterscheiden, wenn Sie mich fragen.

Deshalb ist der feministische Kampf für reproduktive Selbstbestimmung von Menschen, die schwanger werden können, heute so wichtig. Und ein wesentlicher Bestandteil dieser Freiheit ist aus meiner Sicht, dass eine Schwangerschaft nicht zu Zwangsbeziehungen führen darf. Sondern dass Menschen, die ein Kind in ihrem Körper wachsen lassen und dieses gebären, entscheiden können, mit wem zusammen sie gegebenenfalls eine Co-Elternschaft realisieren möchten. Solange wir der Ansicht sind, dass eine Eheschließung als Form der Bekundung dieses Willens angesehen werden sollte (wie im Fall von heterosexuellen Paaren), muss das für Eheleute jeglichen Geschlechts gelten.

Von daher: Ja, unbedingt weg mit der Stiefkindadoption für lesbische Co-Mütter. Her mit der rechtlichen Gleichstellung aller Menschen, die mit einer Mutter (im Sinne des römischen und deutschen Rechtes) verheiratet sind, ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Auch wenn das nur ein erster Schritt hin zu reproduktiver Selbstbestimmung ist. Aber es ist ein wichtiger, der jetzt ansteht. (Antje Schrupp, 3.2.2020)