Kanzler Sebastian Kurz (rechts) und sein Vize Werner Kogler (links) präsentierten nach der Regierungsklausur ihre Pläne – aber keine Details.

Foto: Christian Fischer

Krems/Wien – Sebastian Kurz zeigt sich – Überraschung! – sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Für eineinhalb Tage haben sich die türkis-grünen Regierungsmitglieder samt Kanzler zu einer Klausur nach Krems begeben, um bei Tag die Arbeitsschwerpunkte der einzelnen Ressorts zu besprechen und am Abend bei Speis und Trank die Beziehungen zu vertiefen. Resultat des Treffens ist, wie allseits betont wird, ein gestärkter Zusammenhalt in der Koalition – und ein Beschluss des Ministerrats, die ökosoziale Steuerreform nun wirklich ernsthaft anzugehen.

APA-Video von der Pressekonferenz.
DER STANDARD/APA

Als "Einstieg in den Umstieg" umschreibt die für Verkehr und Umwelt zuständige grüne Ministerin Leonore Gewessler das, worauf sich die Koalition festgelegt hat. Einerseits soll mit kommendem Jahr die erste Tarifstufe bei der Lohn- und Einkommensteuer, die ab einem Monatseinkommen von 1250 Euro brutto einsetzt, von 25 auf 20 Prozent sinken. Andererseits sind verkehrspolitische Maßnahmen geplant, um ökologisch vorbildhaftes Verhalten zu belohnen und Gegenteiliges – wie es Grünen-Chef Werner Kogler schonend ausdrückt – "tendenziell teurer" zu machen. Es handelt sich dabei um jene sechs Vorhaben, die bereits aus dem Regierungsprogramm bekannt sind.

Entscheidende Details fehlen

Die entscheidenden Details, in denen der sprichwörtliche Teufel steckt, hat die Koalition auch nach Krems nicht parat. Im Sommer, verspricht Gewessler, werde dann aber klar sein, wie der Umbau von Pendlerpauschale und Co genau funktionieren wird. In Kraft treten sollen die Maßnahmen wie die Steuersenkung 2021.

Genaue Informationen liegen nur zur Flugticketabgabe vor, die künftig pauschal zwölf Euro betragen wird: Kurze Strecken werden teurer, lange billiger, daraus resultieren Mehreinnahmen in Höhe von 110 Millionen Euro pro Jahr.

Das ist insofern relevant, als es die Steuersenkungen zu finanzieren gilt. Die für 2021 geplante Entlastung kostet laut Finanzminister Gernot Blümel 1,6 Milliarden, womit laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) der aktuelle Budgetüberschuss schon beinahe aufgebraucht ist. Doch dann wird es erst richtig teuer: 2022 soll die zweite Tarifstufe von 35 auf 30 und die dritte Stufe von 42 auf 40 Prozent sinken. Damit summiert sich die Entlastung gemäß Blümel auf vier Milliarden Euro. Außerdem will die Regierung den Familienbonus von derzeit 1500 auf 1750 Euro anheben, samt Ausbau des Kindermehrbetrags.

Von links: Umweltministerin Leonore Gewessler, Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) bei der Regierungsklausur in Krems.
Foto: Christian Fischer

Erst nach 2022 soll die Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen von 25 auf 21 Prozent Thema werden. Dies könnte weitere 1,5 Milliarden kosten.

Die bisher nicht verbuchten Mehreinnahmen aus dem erhöhten Spitzensteuersatz von 55 Prozent auf Einkommen über einer Million, den die Koalition nun verlängerte, machen sich dagegen bescheiden aus: Mehr als 30 Millionen sind nicht zu erwarten.

Nulldefizit dank "Sparen im System"

Die Regierung geht selbst nicht davon aus, dass dies im Verein mit den noch unbestimmten Einnahmen aus den Ökosteuern reichen wird, um die Entlastung zu bezahlen, ohne das Nulldefizit aufzugeben.

Das koalitionäre Konzept sieht zur Gegenfinanzierung "Sparen im System", "sparsamen Umgang mit Steuergeld" und "mehr Steuergerechtigkeit" bei der Betrugsbekämpfung und im Bereich der Digitalwirtschaft vor.

Wo genau und in welcher Höhe? Auch darauf fehlen noch die konkreten Antworten. Zu finanzieren ist dabei nicht nur die Steuerentlastung: Das Regierungsprogramm verspricht auch Investitionen in den öffentlichen Verkehr, in Kinderbetreuung, Schulen und Pflegeleistungen.

Opposition wittert "Marketingschmäh"

Als schwach qualifiziert die Opposition die Pläne der Regierung. Die Senkung der ersten Tarifstufe, die dem einzelnen Bürger im Jahr maximal 350 Euro bringt, gleiche nicht einmal die kalte Progression aus, kritisiert SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer: "Das ist aus Sicht der arbeitenden Menschen keine Steuerreform, sondern ein Sparpaket."

Neos-Mandatar Sepp Schellhorn hält die Schritte zur Ökologisierung für unzureichend und trifft sich dabei mit der Umweltorganisation Greenpeace, der die Maßnahmen zu vage sind.

Eine Umweltsünde glaubt die FPÖ aufgedeckt zu haben. Die gemeinsame Anreise der Regierung per Bus sei nichts als ein "Marketingschmäh" gewesen: ÖVP und Grüne hätten gefälligst mit dem umweltfreundlicheren Zug anreisen sollen. (Gerald John, 30.1.2020)