Globuli-Verfechter Christian Becker zeigte sich auf seinem Blog "Homöopathiewatchblog" enthusiasmiert. Das "Gesundheitsminsterium" in Indien habe Homöopathie zur Bekämpfung des Corona-Virus empfohlen. Genauer gesagt das Mittel Arsenicum album 30. Drei Tage lang auf nüchternen Magen genommen, diene es als Prophylaxe gegen den Virus. Der Beitrag Beckers beginnt mit einer recht kühnen Aussage: "Bereits Samuel Hahnemann hat Homöopathie erfolgreich zur Vorbeugung und Behandlung von Epidemien und Pandemien eingesetzt." 

Der Mann fürs Grobe in Sachen Homöopathie

Das ist eine gewagte These, sie kommt aber auch von einem gewagten Mann. Becker ist PR-Fachmann, der für die Homöopathie-Branche den Mann fürs Grobe spielt. In seinem Blog schießt Becker scharf gegen Kritiker der Homöopathie, allen voran gegen die Skeptiker und die Ärztin  Natalie Grams. Kritiker der Pseudomedizin vergleicht er schon mal mit Nationalsozialisten, in der Blogrubrik "JournalistenWatch" sammelt Becker Informationen über unliebsame Berichterstatter rund um den Zuckerkugel-Zauber, vor allem aus Deutschland. 

Menschen in Indien, wie hier in Ahmedabad, schützen sich zumindest mit Masken vor dem Virus.
Foto: REUTERS/Amit Dave

In Deutschland ziehen sich eher dunkle Wolken über der Homöopathie zusammen. Die Option von Krankenkassen, für Homöopathie zu bezahlen, wird zunehmend kritisiert. Eine Erfolgsmeldung, die sich auf ein Gesundheitsministerium berufen kann, und sei es eines aus Indien, kommt da gerade recht. Sieht man genauer hin, lichten sich die Nebel der pseudomedizinischen Euphorie allerdings rasch. Nicht das Gesundheitsministerium Indiens hat zur homöopathischen Viren-Prophylaxe geraten sondern das "Ministry of Ayush" – das Ministerium für Ayurveda, Yoga & Naturheilkunde, Unani, Siddha, Sowa Rigpa und Homöopathie. Tatsächlich hatte das Ministerium einen – mittlerweile heftig umstrittenen – Leitfaden für eine "alternativmedizinische" Vorbeugung gegen das Corona-Virus veröffentlicht.

Ein Ministerium als Symbol nationalistischer Politik

Das Ministerium Ayush gibt es seit dem Jahr 2014, sein Bestehen verdankt es dem Wahlsieg der rechtsnationalistischen BJP (Indische Volkspartei), die mit Narendra Modi auch den Regierungschef stellt. Die Etablierung dieses indischen Hogwarts-Ministeriums sehen auch Kritiker in Indien als Zugeständnis an stramm nationalistische Kräfte. Ayurveda, Homöopathie und Co sind in Indien Bestandteile eines nationalistischen und Hindu-chauvinistischen Mindsets. Ayurveda und ähnliches reklamieren auch rechtsextreme Hindu-Gruppen als unverkennbares Erbe und Identifikationsmerkmal für sich und die indische Nation. 

Mit Pseudomedizin vom Ärztemangel ablenken

Kritiker des Ayush-Minsteriums sehen in der Rückbesinnung der Regierung auf traditionelle und "alternative" Heilmethoden auch andere Gründe. Mit dem Ministerium würden gleichzeitig "alternative Heiler" aufgewertet, die Regierung versuche damit, den Mangel an echten Ärzten im Land zu cachieren. Der Arzt und Vorsitzende des Rats für Medizin in Neu Delhi, Arun Gupta, zieht einen drastischen Vergleich: Die Situation des indischen Gesundheitssystems sei vergleichbar mit einer Fluglinie, die zu wenig Piloten habe. Gupta: "Soll man deswegen einem Rikshafahrer erlauben, ein Flugzeug zu fliegen?

Die Initiative des Ayush-Ministeriums für alternativmedizinische Corona-Prophylaxe sorgt in Indien für eine breite Debatte und für erfrischend massiven Gegenwind in den Medien des Landes. Die renommierte Tageszeitung "The Hindu" bezeichnet das Vorgehen von Ayush als verantwortungslos. (Christian Kreil, 3.2.2020)

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