Ein gigantisches Kaleidoskop versinnbildlicht Rijeka 2020.

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Rijeka lebt anders, Rijeka wählt anders, und Rijeka isst anders. Die Hafenstadt an der Kvarner Bucht ist wohl die offenste, liberalste und kulturell interessanteste Stadt Kroatiens. In der Geburtsstadt Ödön von Horváths bilden verschiedene Einflüsse bis heute ein Biotop, in dem die Freiheit der Gedanken zelebriert wird.

Bereits in den vergangenen Jahren hat sich Rijeka einen Namen als Ort für experimentelles Theater gemacht. Für das Kulturjahr 2020 wurde nun die Theatergruppe Needcompany aus Brüssel eingeladen (mit All the Good). Auffallend, wie stark auf internationale Beteiligung gesetzt wird. Die Amerikanerin Ann Bogart führt bei Tristan und Isolde Regie.

Geplant sind Ausstellungen, Konzerte, Festivals, Opernproduktionen, Skulpturen im öffentlichen Raum und Buchvorstellungen. Insgesamt werden 600 Veranstaltungen mit über 250 Partnerorganisationen stattfinden – darunter der Steirische Herbst, die Österreichische Akademie der Wissenschaft, die Central European University oder das Europäische Observatorium für Erinnerungen der Universität Barcelona.

Unter der Habsburger Krone

Gemeinsam mit Triest hatte die Stadt im 18. Jahrhundert einen Freihafen, was nicht nur den Handel, sondern auch die Industrie belebte. 1779 wurde die Stadt direkt der Habsburger Krone unterstellt – Verbindungen nach Wien, Budapest, Ljubljana und Zagreb wurden ausgebaut. In jugoslawischer Zeit war Rijeka vor allem Industriestadt. Die Werft zog Arbeiter aus allen Teilen Südosteuropas an: Rijeka ist und war links und multikulturell.

Die Arbeiteridentität und die mondäne Handelsstadt spiegeln sich in ihrer Widersprüchlichkeit architektonisch wider. Mit Spannung wird die Ausstellung Scars – also "Narben" – über Kunst im Europa der 1990er-Jahre erwartet, hier insbesondere die Installation Anachronistisches Badehaus des Komponisten Heiner Goebbels. Man wird dieser im Swimmingpool lauschen können.

Rijeka (heute: 130.000 Einwohner) hat nach der Unabhängigkeit Kroatiens 1991 an Bevölkerung verloren. Aber noch immer leben hier Kroaten, Serben, Bosnier und Italiener zusammen. Die Verantwortlichen für die "Kulturhauptstadt 2020" versuchen unter dem Motto Wasser, Arbeit und Migration vor allem dieser Geschichte Rechnung zu tragen. Studiert man das Programm, sollte man durchaus Diskussionen erwarten.

"Wasser" als Thema

Rijeka bedeutet auf Kroatisch "Fluss", die Stadt ist nach der Rjeèina benannt, die ins Meer mündet. Entlang des Themas "Wasser" wird diskutiert, welche Veränderungen es bedarf, um die Natur in der Bucht zu erhalten. Beim Thema Arbeit geht es um die Herausforderung, die postindustrielles Wirtschaften mit sich bringt. Beim Thema Migration wird der Umgang mit Differenz, Minderheit und Mobilität diskutiert.

Politisch interessant werden Veranstaltungen, die sich mit Rijeka als einem Laboratorium europäischer Geschichte auseinandersetzen. Die Ausstellung D’Annunzios Martyrium und Geigen über den Grenzen beschäftigt sich mit dieser Geschichte. Und bei den Konferenzen Zeitkapsel I und II geht es um die Ära zwischen 1900 und 1945 und um jene zwischen 1945 und 1990. (Adelheid Wölfl aus Rijeka, 31.1.2020)