Aufgrund eines technischen Mangels sollten manche Personengruppen für mehrere Wochen nicht ins Sozialmedizinische Zentrum Süd gebracht werden.

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Für einige Wochen wurden gewisse Personengruppen von den Rettungsdiensten nicht mehr in die interne Ambulanz des Kaiser-Franz-Josef-Spitals (KFJ) gebracht. Anlass war eine entsprechende Bitte des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) an die Sanitäter.

In dem Schreiben an die Rettungsdienste, das dem STANDARD vorliegt, wurde darum gebeten, bis auf Weiteres die Zufahrten an die interne Ambulanz im KFJ einzuschränken. Und zwar in folgendem Maße: "Keine intoxikierten Patienten, keine Patienten, welche besonderes Gefahrenpotenzial aufweisen", sowie "keine unterstandslosen Patienten."

Kein Ausnüchterungsraum

Der Wiener Krankenanstaltenverbund begründet die Maßnahme auf Anfrage des STANDARD damit, dass die internistische Aufnahmestation im Kaiser-Franz-Josef-Spital kurz vor Weihnachten aufgrund eines technischen Gebrechens im angestammten Gebäude vorübergehend übersiedelt werden musste. Während der Mängelbehebung sei die Einheit im Gebäude des Mutter-Kind-OP-Zentrums untergebracht worden. Und in diesen vorübergehend bezogenen Räumlichkeiten sei kein Ausnüchterungsraum zur Verfügung gestanden. Es sei gebeten worden, auf diese räumliche Situation Rücksicht zu nehmen.

Auf die Fragen, ob Personalnot, etwa in der Betreuung der Patienten, einen Mitgrund für die Maßnahmen darstellte oder ob es mit den entsprechenden Personengruppen in der Vergangenheit zu Zwischenfällen kam, reagierte der KAV nicht. Es wurde jedoch betont, dass es sich "um eine Bitte und keine Rettungssperre" handelte. Die internistische Aufnahmestation sei vollumfänglich verfügbar gewesen und jeder Notfall entsprechend versorgt worden. Derzeit erfolge die Rückübersiedelung der Station, da die Mängel am ursprünglichen Standort behoben worden seien.

Kritik

Eine wesentliche Frage blieb jedenfalls seitens des KAV unbeantwortet: Welches Gefahrenpotenzial sieht der KAV in "unterstandslosen" Patienten? Und inwiefern hängt das Fehlen eines Ausnüchterungsraums damit zusammen, jene Patienten nicht entsprechend behandeln zu können?

Als "irritierende Aufzählung" bezeichnet Christoph Stoik, Professor für Soziale Arbeit an der FH Campus Wien, die Bitte an die Rettungsdienste. "Da wird auf diskriminierende Weise eine Gefahrenlage konstruiert", sagt der Sozialwissenschafter. "Außerdem werden Menschen auf bestimmte Merkmale reduziert."

Zu einer ähnlichen Beurteilung kommt Alexander Machatschke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe: "Diese Gleichsetzung ist stigmatisierend, übertreibend und nicht nachvollziehbar."

Hürden in der Versorgung

Der Zugang für obdach- und wohnungslose Menschen zum Gesundheitssystem sei ohnehin mit Hürden verbunden, meint Stoik: "Wir wissen zum Beispiel aus der Straßensozialarbeit, dass Menschen immer wieder von der Rettung nicht mitgenommen werden." Das veranlasse Streetworker dann dazu, so lange bei der Person zu bleiben, bis die Versorgung sichergestellt sei. Auch die fehlende Versicherung sei oft ein Problem.

Aufgrund von schlechten Erfahrungen im Gesundheitswesen üben Wohnungs- und Obdachlose oft von sich aus "Zurückhaltung" und nehmen die Grundversorgung nicht in Anspruch, sagt Stoik. Auch Scham spielt vermutlich eine große Rolle.

Machatschke bestätigt, dass Wohnungs- und Obdachlose immer wieder schwierige Erfahrungen in Krankenhäusern machen: "Es gibt dort eben Vorurteile, so wie in der Bevölkerung auch." Auch wenn Wohnungslose unter Umständen "schwierig" sein können, sei es pauschalisierend, die angesprochenen Gruppen in einen Topf zu werfen.

Menschen ohne Dach über dem Kopf seien jedenfalls nicht automatisch bedrohlich, sagt Stoik: "Obdachlose Menschen stellen nicht prinzipiell eine Gefährdung für ihr Umfeld dar. Auch nicht für Mütter und Kinder." (Vanessa Gaigg, 31.1.2020)