Im Gastkommentar würdigt der frühere Bundespräsident Heinz Fischer seinen verstorbenen Freund und Wegbegleiter Heinz Kienzl.

Ich lernte Heinz Kienzl rund um die Hochschulwahlen des Jahres 1957 kennen – also vor etwa 63 Jahren. Er selbst war nach 1945 Funktionär der sozialistischen Studenten gewesen und kümmerte sich auch nach seiner Promotion an der Hochschule für Welthandel um "den Nachwuchs". Er war offen, herzlich, optimistisch, humorvoll und immer voller Tatendrang. Bei einem gemeinsamen Projekt übernahm er immer die mühsamsten und schwierigsten Aufgaben.

In der Nazi-Zeit musste er als sogenannter Halbjude das Studium abbrechen, und da er außerdem "wehrunwürdig" war, wurde er eingesetzt, um auf schwierigem Terrain und in gefährlichen Situationen Stromleitungen zu verlegen.

Sein Blick auf die Nazi-Diktatur war scharf, aber ohne Bitterkeit. In den verschiedensten Varianten äußerte er seine Genugtuung, dass er die NS-Zeit überlebt hat – Hitler aber nicht.

Begeisterter Bergsteiger

Wir waren gute Freunde. Unsere Geburtstage – er am 8. und ich am 9. Oktober – feierten wir oft gemeinsam. Er war auch ein begeisterter Bergsteiger. In den frühen 60er-Jahren waren Karl Blecha, Rupert Gmoser, Heinz Kienzl und ich ein Quartett, das jährlich in den Hohen Tauern von Hütte zu Hütte wanderte. Man lernt den Charakter eines Menschen kaum irgendwo so genau kennen wie beim Bergsteigen. Heinz Kienzls uneigennützige Hilfsbereitschaft und Kameradschaft waren grenzenlos.

Bei meiner Hochzeit 1968 war Heinz unser Trauzeuge, und als unsere Kinder klein waren, erschien Heinz – auch noch als Generaldirektor der Nationalbank – regelmäßig am 6. Dezember als Nikolo verkleidet und mit vielen Süßigkeiten ausgestattet, der über die Bravheiten und Schlimmheiten unserer Kinder zu deren Erstaunen genauestens Bescheid wusste.

Heinz Kienzl, 1922–2020.
Foto: Heribert Corn

Sozialpartnerschaftliches Verhalten

Heinz Kienzl war in seiner Zeit der wichtigste Wirtschaftsberater des ÖGB und von ÖGB-Präsident Anton Benya. Er war nicht nur einer der Väter der Sozialpartnerschaft, sondern er lebte und praktizierte sozialpartnerschaftliches Verhalten, und das galt auch für seine Zeit als OeNB-Generaldirektor. Sein liebstes Hobby war die Meinungsforschung, mit der er sich buchstäblich bis zum letzten Tag seines Lebens beschäftigte.

Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerkes hat er mich jeden Samstag – und manchmal auch zwischendurch – angerufen. Wie hätte ich ahnen sollen, dass sein letzter Anruf von vergangenem Samstag der endgültig letzte war.

Heinz Kienzl wird seinem Freundeskreis sehr, sehr fehlen, und seine sozialpartnerschaftlichen Qualitäten fehlen dem ganzen Land. (Heinz Fischer, 30.1.2020)