Österreich wäre von den geplanten Kürzungen im Agrarbudget laut Kommissionsvorschlag besonders betroffen. Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger ortet einen "Anschlag auf die Landwirtschaft". Dass die türkis-grüne Regierung den Einnahmenentfall ausgleichen will, hält er für unumgänglich. Die Leistungen, die die Landwirtschaft erbringe, müssten abgegolten werden.

STANDARD: Österreich droht die Kürzung der Agrargelder aus Brüssel, die aus dem nationalen Budget ausgeglichen werden soll. Beihilfenrechtlich wird das wohl ein Problem?

Moosbrugger: Was auf dem Tisch liegt, ist ein Anschlag auf die Landwirtschaft. Wenn eine EU-Kommission Wünsche hat, welche Aufgaben die Landwirtschaft erfüllen soll, dann sind diese zu bezahlen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat erklärt, er werde dafür kämpfen, dass das Volumen im Agrarbudget erhalten bleibe. Wenn man die Leistungen auch in Zukunft will, ist das, was aus Brüssel nicht kommt, aus dem nationalen Budget zu berappen. Ich gehe davon aus, dass wir Lösungen finden, es waren auch bisher nationale Kofinanzierungen möglich, damit man mit österreichischen Sonderprogrammen die Leistungen, die die Gesellschaft erwartet und die Politik definiert, bezahlt.

STANDARD: Ich sehe in der Frage, was die Gesellschaft erwartet, keinen Konsens. Stichwort Klimaschutz: Die einen klagen über viel zu viele Kühe, die Landwirte verwenden zu viele Pestizide, andere wollen ihr Fleisch essen, die Bauern jammern, dass die Anforderungen immer höher und unrealistischer werden.

Die Bevölkerung muss sich entscheiden, was sie will, sagt Josef Moosbrugger.
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Moosbrugger: Es gibt ein paar Zielkonflikte. Wir wollen emissionsfreie Ställe, es gibt das Wunschdenken von mehr Tierwohl und Bewegungsmöglichkeiten, oder man will biologische Produktion im Schweinebereich. Die Tiere sollen sich im Freien bewegen, aber es soll gleichzeitig keine Belastung für den Boden geben. Man erwartet Produkte, die mit möglichst wenig Pflanzenschutz produziert werden, aber sie sollen alle in Farbe, Form und Größe genau gleich aussehen. Da muss sich die Bevölkerung auch ein Stück weit entscheiden, was sie will.

STANDARD: Die Bilder von der Kuh, die fröhlich in der Idylle herumtollt, und von den glänzend roten Äpfeln kommen auch von Bauernvertretern. Mit den großen Marketingbudgets könnte man sie korrigieren.

Moosbrugger: Wir spüren schon, dass die Bevölkerung den Alltag im landwirtschaftlichen Betrieb immer weniger kennt und Vernunft und das Verständnis dafür, was es braucht, eher abnehmen. Es geht darum, der Bevölkerung nichts vorzugaukeln. Da nehme ich auch den Lebensmittelhandel in die Pflicht.

STANDARD: Das führt mich zu Bio, die Produktion wurde gut gefördert, viele Betriebe sind umgestiegen. Aber im Handel bleibt der Anteil der Bioprodukte bei unter zehn Prozent. Die Menschen sagen ja zu Bio und kaufen dann konventionell.

Moosbrugger: Wir sind für eine Weiterentwicklung, aber der Markt muss das Potenzial liefern und den Preis dafür bezahlen. Grundsätzlich haben wir die Potenziale, die der Markt bietet, gut bedient. Ich sehe da durchaus ein Stagnieren.

STANDARD: Die nächste EU-Bioverordnung kommt 2021. Österreich hat manche Regel großzügig ausgelegt, etwa Ausnahmen bei der Weidehaltung erlaubt, die fallen sollen. Und auf EU-Ebene soll die Flächenprämie auf ökologischere Beine gestellt werden. Steigt der Druck auf die Biobauern weiter?

Moosbrugger: Ausnahmen wird es auch in Zukunft geben, aber nicht pauschal, sondern mit Einzelgenehmigung. Den Übergang haben wir vernünftig gestaltet, aber es geht ums Bioaudit 2021 und danach. Was derzeit im Papier enthalten ist, ist nicht akzeptabel für Österreich, zum Beispiel die Vorgaben für die Weideverpflichtung. Mit den österreichischen Voraussetzungen wäre das der Todesstoß für viele biologisch wirtschaftende Betriebe.

STANDARD: Die Österreicher kochen mit ihren Ausnahmen bei der Umsetzung der EU-Regeln immer ihr eigenes Süppchen. Ist das nicht kontraproduktiv?

Moosbrugger: Die EU sollte die Vernunft haben, den großen Rahmen vorzugeben und regionale Spielräume zuzulassen. Landwirtschaft ist nicht überall gleich. Wachsen oder weichen, wie das in anderen europäischen Ländern passiert ist, ist nicht unsere Devise. Wir haben sehr stark auf kleinstrukturierte bäuerliche Familienbetriebe gesetzt.

Klimaschutz, Tierwohl: Die Abgeltung der Leistungen hält mit den Ansprüchen nicht Schritt, klagen die Bauernvertreter.
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STANDARD: Da muss man die Kirche aber im Dorf lassen. Wir haben viele klein- und mittelgroße Bauern, aber auch größere und sehr große Agrarbetriebe mit 3000 Hektar. Und die sahnen sehr viel mehr Förderungen ab als kleine. Den Strukturwandel hat man trotz hoher Förderungen mit diesem System nicht verhindert.

Moosbrugger: Mit unter 20 Hektar bewirtschafteter Fläche gegenüber anderen Einheiten in Europa sind unsere Betriebe um ein Vielfaches kleiner, und wir sind eines der Mitgliedsländer, die den geringsten Strukturwandel aufweisen. Es gibt natürlich größere Betriebe, aber wenn man den Ansatz will, dass Leistung auch über die Fläche gerade im Umweltbereich erbracht wird, werden wir diese Förderungssystematik auch in Zukunft brauchen. Landwirtschaftsförderung ist keine Sozialpolitik, sondern Leistungsabgeltung.

STANDARD: Stichwort Politik: Da gibt es im Regierungsprogramm Steuerzuckerln und einige Goodies im Sozialversicherungsrecht, wie Beitragsreduktion in der Krankenversicherung. Schlecht steigen die Landwirte da nicht aus.

Moosbrugger: Das Regierungsprogramm bietet Sicherheit in der Frage der öffentlichen Gelder und Entlastungen im steuerlichen Bereich, die ich für dringend notwendig erachte. Aber wir brauchen auch Spielregeln, damit nicht nur überwiegend das Billige im Vordergrund steht, sondern auch Fragen der Herkunft. Zum Beispiel bei Verarbeitungsware. Der Konsument kauft eine Wurst, weil er glaubt, wenn sie in Österreich verarbeitet wird, ist es ein österreichisches Produkt. Es braucht eine Herkunftskennzeichnung auf die Wurst – wo kein österreichischer Rohstoff drin ist, soll draufstehen, wo die Rohstoffe herkommen.

STANDARD: Seitens der EU gibt es da aber keine große Unterstützung.

Moosbrugger: So negativ sehe ich das nicht. Andere europäische Länder wie Italien, Frankreich oder Finnland sind bei der Herkunftskennzeichnung Vorreiter. Wir wollen das ja nicht bei der Salami auf der Pizza oder beim Pfeffer oder bei anderen Kleinigkeiten. Wir wollen das bei Primärzutaten wie Milch, Fleisch und Eier bei einem Rohstoffanteil von über 50 Prozent. Der Konsument hat ein Recht darauf, dass er weiß, wo das Fleisch von der Wurst herkommt oder die Butter für die Milch, nicht nur wo sie verarbeitet worden sind. Und wir wollen das bei der Gemeinschaftsverpflegung vom Krankenhaus bis zum Bundesheer. Der Konsument soll die Sicherheit haben, dass er weiß, woher der Rohstoff kommt. Das sind die wesentlichen Kriterien, die wir brauchen, damit sich dort nicht so mancher Trittbrettfahrer etwas holt, das ihm nicht zusteht.

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Die Ferkelkastration ist vielen ein Dorn im Auge.
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STANDARD: Der FPÖ-Abgeordnete Reinhard Teufel hat gewarnt, das seien Ideen aus dem Trulli-Wucki-Land, das wird teuer.

Moosbrugger: Das mag schon sein, dass das nicht jedem gefällt. Aber die Einkommenssituation, was die Produktion und damit die Lebensmittel anbelangt, ist in den letzten Jahren ständig gesunken. Österreich ist das viertbilligste europäische Land, was Lebensmittelpreise anbelangt. 9,7 Prozent der Haushaltsausgaben gibt ein Österreicher für Lebensmittel aus. Der EU-Durchschnitt ist bei 12,1 Prozent. Betrachtet man diese Differenz, wären das zwischen fünf und sechs Milliarden Euro Wertschöpfung, die dem Bauern fehlt. Das ist das Doppelte des Agrarbudgets.

STANDARD: Die Arbeiterkammer beklagt mit schöner Regelmäßigkeit, dass Österreicher besonders viel ausgeben müssen. Und in den USA sind die Haushaltsausgaben für Lebensmittel noch sehr viel niedriger.

Moosbrugger: Aber wir haben einen der höchsten Standards in der landwirtschaftlichen Produktion in Europa. Was Tierwohl, was Betriebsmitteleinsatz und was bäuerliche Strukturen anbelangt.

STANDARD: Das sehen viele Konsumenten anders. Viele sind nicht zufrieden damit, was in Österreich in manchen Bereichen möglich ist, etwa beim Tiertransport . Oder zum Beispiel das Vergasen von Küken. Muss man den Konsumenten nicht viel öfter reinen Wein einschenken? Für die Junghähne, die heranwachsen, wenn man die männlichen Küken nicht tötet, gibt es zum Beispiel kaum einen Markt.

Moosbrugger: Das versuchen wir zu transportieren. Man ist der Meinung, die Ferkelkastration ist zu verbieten. Aber es kauft niemand ein Eberfleisch. Wenn das in der Pfanne liegt, wirst du schnell draufkommen, das ist relativ unpraktikabel.

STANDARD: Geht es nach Klimaschützern, sollten wir ohnehin besser auf Fleisch verzichten.

Moosbrugger: Das ist ja auch nicht verboten. Aber es gibt ja genug Alternativen dazu. Reden wir uns doch nicht dahingehend hinaus, dass es nur ums Fleisch geht. Es ist doch absurd, wir hätten österreichische Äpfel und importieren von Chile die Äpfel nach Österreich. Da ist ein Fehler im System. Klimaschutz heißt, regional einzukaufen. Wir brauchen keine Fleischsteuern und keine österreichischen zusätzlichen Steuern für die Landwirtschaft. Wir brauchen einen Klimazoll. (Regina Bruckner, 31.1.2020)