Melbourne – Dominic Thiem, sagte Novak Djokovic vor ein paar Tagen in Melbourne, besitze alles, was ein Champion benötige. Da sprach nicht der Blinde von der Farbe. Der 32-jährige Serbe kennt sich im Tennis aus, er zählt zu den sehr aktiven Legenden des Sports, hat bereits 16 Grand-Slam-Turniere gewonnen. Siebenmal die Australian Open, er ist quasi ein "Down-Under-Spezialist".

Dominic Thiem, 16-facher Turniersieger, jubelt über seinen dritten Finaleinzug auf höchster Ebene.
Foto: APA/AFP/SAEED KHAN

Am Sonntag, ab 9.30 Uhr (live auf derStandard.at/Sport, Servus TV und Eurosport), werden nicht nur die Straßen in Lichtenwörth leergefegt sein. Der 26-jährige Thiem fordert in der Rod Laver Arena den Fachmann. Es geht ums Maximum, den Titel, der mit 2,53 Millionen Euro honoriert wird. Der Niederösterreicher schlug am Freitag im Halbfinale den um vier Jahre jüngeren Deutschen Alexander Zverev in 3:42 Stunden mit 3:6, 6:4, 7:6 (3), 7:6 (4).

Er steht zum dritten Mal in einem Major-Finale, die ersten zwei hat er verloren. Jeweils die French Open, jeweils gegen Rafael Nadal. Der ist Spezialist auf Pariser Sand. Es gibt viele Argumente, die für Djokovic sprechen. Er ist im Laufe des Turniers auf weniger Widerstand gestoßen, eliminierte bereits am Donnerstag Roger Federer in drei Sätzen, hat also auch einen Tag mehr Zeit, zu regenerieren. Thiem hofft, dass dies keine Rolle spielt. Im Vergleich steht es 4:6, zuletzt gewann der Herausforderer allerdings zweimal. Im Halbfinale der French Open und bei den ATP Finals in London. Das ist mental betrachtet kein Nachteil.

Die Match-Highlights.
Eurosport
Interview nach dem Match.
Australian Open TV
Alles gegeben.
Foto: APA/AFP/SAEED KHAN

Die Sympathien am Freitag in der Rod Laver Arena, wo Thiem zwei Abende zuvor in einem epischen Viertelfinale Nadal niedergerungen hatte (4:10 Stunde), waren in etwa gleich verteilt. Vor dem Match hatte ein Offizieller der Buschfeuerhilfe noch um Unterstützung für Zverev gebeten, weil dieser für den Fall eines Turniersiegs die Spende seines gesamten Preisgeldes angekündigt hatte. Daraus sollte nichts werden. "Ich bin überglücklich, die Partie war von Anfang an auf des Messers Schneide. Ich denke, wir haben beide ein bisserl nervös begonnen. Eh klar, beide im ersten Halbfinale hier", sagte Thiem danach.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. "Ich hab bis jetzt meine zwei Grand-Slam-Finale in Paris gegen Nadal gespielt, der zum damaligen Zeitpunkt zehn- bzw. elfmal das Turnier gewonnen hat. Am Sonntag gegen Djokovic, der hat das Turnier siebenmal gewonnen. Ich spiele immer gegen die Könige von demjenigen Grand-Slam-Turnier, aber es ist die ultimative Herausforderung."

Das Match gegen Zverev hatte überhaupt nicht nach dem Geschmack von Thiem begonnen. Aufschlagverlust, Rebreak, Unterbrechung wegen einsetzenden Regens, das Dach musste geschlossen werden, Thiem blieb offen für Patzer. "Der erste Satz war nicht ideal. Ich habe ein bisserl gebraucht, bis ich reingekommen bin." Zverev servierte stark, hatte schlussendlich beim ersten Aufschlag einen Prozentsatz von 81. Bei den längeren Ballwechsel dominierte aber schon Thiem, er hat die besseren Grundschläge, ist beweglicher, laufstärker. Nach dem ersten Spiel im dritten Satz kam es zur zweiten unvorhergesehenen Unterbrechung, ein Scheinwerfer im Stadion war ausgefallen.

Thiem leuchtete dann, breakte, wurde aber etwas nachlässig, er litt an Magenkrämpfen ("Das habe ich öfters, da muss man sich kein Sorgen machen"), wehrte aber zwei Satzbälle grandios ab. Was ihn erneut auszeichnete, war die Fähigkeit, in kritischen Phasen das beste Tennis auszupacken, zuzulegen. Gegen Nadal gewann er drei Tiebreaks, gegen Zverev zwei, das zeugt von mentaler Kraft, von Selbstvertrauen. Zverev hingegen unterliefen fast haarsträubende Fehler, das war auch seiner Unerfahrenheit geschuldet. Thiem nützte den dritten Matchball, wurde seiner Favoritenrolle gerecht, stellte auf 7:2.

Am Sonntag nimmt er eher die Außenseiterrolle ein, nicht zuletzt aufgrund des Verschleißes. Thiem benötigte für seine sechs Partien (Mannarino, Bolt, Fritz, Monfils, Nadal, Zverev) 18:15 Stunden, Djokovic erledigte seine Aufgaben (Struff, Ito, Nishioka, Schwarzmann, Raonic, Federer) in 12:29 Stunden.

Thiem wäre im Falle des Sieges erstmals die Nummer drei. Darüber, sagte er, zerbreche er sich nicht den Kopf. "Ich stelle mich der ultimativen Herausforderung." Siegt Djokovic, löst er Nadal an der Spitze ab. (hac, 31.1.2020)