"Ziehen Sie schon mal ihre Hose aus", heißt es bei uns oft, noch bevor der Arzt überhaupt ins Zimmer kommt.

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Bernadette Redl beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit – und hört zu, wenn ihr jemand von Erlebnissen mit Gesundheitssystemen erzählt.

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Es ist oft wirklich eine unangenehme Situation im Behandlungszimmer. Der Arzt kommt rein, und man sitzt oder liegt – je nach Beschwerden – schon oben ohne mit Hose oder gar nur in der Unterhose da. Meist werden Voruntersuchungen gemacht, bevor der Arzt überhaupt dazukommt. Oder die Sprechstundenhilfe bittet aus Zeitgründen darum, sich schon mal auszuziehen. Es ist jedenfalls seltsam, einer wildfremden Person beim ersten Treffen nackt die Hand zu schütteln.

In den USA ist das anders, ließ ich mir unlängst berichten. Klar, die Amis sind prüde – das ist die gängige Meinung. Und wenn schon?, finde ich. Beim Arzt ist das jedenfalls nichts Schlechtes.

Arzt geht raus

Wird man etwa am Knie untersucht und trägt eine lange Hose, läuft das dort so: Zuerst gibt es eine Besprechung mit dem Arzt – voll bekleidet. Dann erklärt dieser ausführlich und verständlich das weitere Vorgehen: Er werde jetzt das Zimmer verlassen, und derweil habe der Patient Gelegenheit, sich zu entkleiden. Der Arzt drückt einem ein Stück Papier in die Hand, das ausschaut wie Küchenrolle. Mit dem Unterschied: Es ist so groß wie eine Decke.

Nachdem man die Hose ausgezogen hat, so erklärt der Mediziner weiter, solle man sich auf die Liege setzen und die Küchenrollen-Decke über Schoß und Beine legen. Ein paar Minuten später klopft der Arzt vorsichtig an die Tür und fragt von draußen, ob man nun bereit für die Untersuchung sei. Erst nach einem Ja kommt er rein. Auch nach der Untersuchung verabschiedet er sich erst, dann kann der Patient sich wieder anziehen.

Umkleide und Ultraschall

Ähnlich läuft es bei bildgebenden Untersuchungsverfahren in den USA, etwa beim Ultraschall. Patienten werden nach der Anmeldung in eine Umkleidekabine gebracht. In jeder liegen Krankenhaushemden bereit. So bekleidet betritt man das Untersuchungszimmer. Die betroffene Körperstelle wird erst entkleidet, bevor es losgeht.

Gut, viele werden sagen: Das alles dauert viel zu lange. Besonders, da die Zeit von Kassenärztinnen und -ärzten in Österreich ohnehin begrenzt ist. Das sehe ich ein. Und ich gebe zu, ich bin nicht prinzipiell dafür, amerikanische Verhältnisse im Behandlungszimmer auch bei uns einzuführen. Schließlich dürfte auch der Großteil der Patienten damit klarkommen, sich prinzipiell vor Ärzten auszuziehen – wie sollte es auch anders gehen? Allerdings: Eine voll angezogene Begrüßung sollte zumindest drin sein, nur so können medizinische Untersuchungen auf Augenhöhe ablaufen. (Bernadette Redl, 9.2.2020)