Im jüngsten öffentlich bekannten Postenschacher rund um die Causa Casinos und Peter Sidlo ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft.

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Die parteipolitische Besetzung von Spitzenjobs in staatsnahen Betrieben sorgt in Österreich immer wieder für Kritik. Im jüngsten öffentlich bekannten Fall ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft: Der FPÖ wird vorgeworfen, im Gegenzug für eine Lizenzvergabe den FPÖ-Mann Peter Sidlo als Finanzvorstand bei den Casinos Austria durchgedrückt zu haben. Der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik beschäftigt sich seit Jahren mit der Thematik und hat mit der Rechercheplattform Addendum den Hintergrund aller Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte in Staatsbetrieben analysiert.

STANDARD: Wie viel Einfluss haben Parteien auf die Besetzung von Spitzenjobs in Staatsunternehmen?

Ennser-Jedenastik: Sehr viel. Parteipolitische Besetzungen haben in Österreich eine lange Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Unternehmen verstaatlicht. Die Parteien benutzen diese Betriebe seither als ihre Spielwiese. Mehr als die Hälfte aller Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer in staatsnahen Unternehmen weisen eine Parteinähe auf. Je nachdem, wie die Regierung zusammengesetzt ist, kommen passende Personen zum Zug.

STANDARD: Die ÖVP regiert seit mehr als 30 Jahren. Ist sie die Gewinnerin im Postenschacherspiel?

Ennser-Jedenastik: In Summe ja. Die SPÖ war bis Ende der 90er-Jahre in der dominanteren Position, das hat sich dann unter Schwarz-Blau I gedreht. Insgesamt ist die ÖVP heute in staatsnahen Unternehmen etwas stärker vertreten. Es ist auch abhängig vom Unternehmen und davon, wie die zuständigen Ministerien, die die Jobs in den Betrieben bestellen, gefärbt waren.

STANDARD: Was ist das Problem bei der Besetzung mit Parteigängern?

Ennser-Jedenastik: Man kann die Parteinähe per se schon als unschön bezeichnen. Das eigentliche Problem ist aber, dass solche Besetzungen das Einfallstor für potenziell korrupte Praktiken sein können. Das hat als jüngstes Beispiel die Besetzung Peter Sidlos gezeigt – zumindest nach allem, was mutmaßlich passiert ist. Es ist natürlich so: Wenn ich als Politiker korrupte Geschäfte durchführen will, dann brauche ich Verbündete an den richtigen Stellen.

Laurenz Ennser-Jedenastik forscht über Parteien, Wahlen, Bürokratie und Regulierung am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien.
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STANDARD: Nur weil jemand parteinah ist, muss es nicht gleich zu Korruption führen.

Ennser-Jedenastik: Natürlich nicht. Wir haben ja auch über die Jahrzehnte Manager in wichtigen Positionen erlebt, die parteinah und trotzdem kompetent waren. Prinzipiell ist die Frage, warum die Mehrheit der staatsnahen Manager einer Partei angehören muss, während auf der anderen Seite nur rund zehn Prozent der Wähler Parteimitglieder sind.

STANDARD: Wie kann man die Postenbesetzungen weniger anfällig für Missbrauch machen?

Ennser-Jedenastik: Es ist natürlich schwierig, das sind historisch gewachsene Muster. Schwer zu sagen ist auch, welche Gesetze man beschließen müsste, damit dieser Postenschacher nicht mehr möglich ist. Man kann natürlich Betriebe privatisieren. Warum der Staat an einem Glücksspielunternehmen beteiligt sein muss, ist etwa nicht unbedingt einsichtig. Es gibt viele Beispiele, die in anderen Ländern nicht in staatlicher Hand wären.

STANDARD: Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung? Die Grünen haben diesen Postenschacher immerhin oft kritisiert.

Ennser-Jedenastik: Ich würde erwarten, dass es weniger wird. Aber es ist natürlich logisch, dass die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler, die unter anderem den Aufsichtsrat der ÖBB bestellen muss, ein Interesse daran hat, dass dort im Sinne ihrer umweltpolitischen Ziele agiert wird. Dazu müssen bei den ÖBB aber womöglich andere Leute sitzen als die Personen, die ihr Vorgänger Norbert Hofer von der FPÖ bestellt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass die Grünen Personen holen, die nicht so stark parteigebunden sind, aber dennoch ideologisch aus dem – aus Sicht der Grünen – "richtigen" Eck kommen. Der Personalpool ist bei den Grünen ja auch viel kleiner als bei den großen Parteien. Man wird also sehen. Bei den ersten Besetzungen für die Generalsekretariate in den Ministerien hat man im Vizekanzleramt und im Verkehrsministerium auf bewährte Leute aus dem Haus gesetzt. Das klingt ja schon einmal ganz vielversprechend. (Davina Brunnbauer, 31.1.2020)