Vizekanzler Werner Kogler muss türkise Ideen mittragen.

Foto: Christian Fischer

Szene bei einer stark wirtschaftsbetonten Veranstaltung: Zwei jüngere Leute aus dem Middle Management ländlicher Raiffeisenkassen nähern sich Werner Kogler. Sie wollten ihm nur sagen, wie großartig sie es finden, dass die Grünen jetzt statt den Blauen in einer Koalition mit der ÖVP sind. Alles Gute!

Tatsächlich ist das größte Plus der Grünen derzeit, dass Österreich nun nicht mehr eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei in der Regierung ertragen muss (Herbert Kickls Besuch bei der "Schwesterpartei" AfD war eine neue Provokation).

Sonst müssen die Grünen aber recht bald zeigen, dass sie sich nicht von der türkisen Inszenierungs- und Message-Control-Maschine überrollen und zu Statisten degradieren lassen. Und dass sie gezielte türkise Provokationen auch als solche erkennen.

Fouls mit Demütigungsabsicht

Die türkise Mentalität (die Werner Kogler noch im Wahlkampf mit der einer Sekte verglichen hat) zeigt eine Neigung zu versteckten Fouls mit Demütigungsabsicht. Es mag ja sein, dass es Zeit war, die Aufsichtsratsvorsitzenden von drei wichtigen Bundesmuseen abzulösen. Aber das mit einer im Grunde unzuständigen Ministerin am Abend vor der Amtsübergabe an die grüne Kulturstaatssekretärin zu machen zeugt von Boshaftigkeit. Und selbstverständlich war das türkise Rache am Kuratoriumschef Christian Konrad, Ex-Raiffeisenchef, der sich aus christlicher Motivation für Flüchtlinge einsetzt und harsche Kritik am Kurz-Kurs geäußert hat.

In schöner Offenheit hat die grüne Klubchefin Sigi Maurer in einem Falter-Interview erklärt, die ÖVP habe eben eine gut geölte Kommunikationsmaschinerie, und sie, die Grünen, seien eben erst "aus der außerparlamentarischen Opposition in die Regierung gewechselt". Richtig, aber das ist kein Grund, bei Sebastian Kurz’ Inszenierungen (Besuch im Pflegeheim, auf der Polizeistation, in einer Bäckerei) die Statisterie abzugeben und damit die Symbolpolitik der ÖVP zu unterstützen.

Trommelfeuer der Türkisen

Die Themen der Grünen kamen in ihrer konkreten Ausformung bisher zu kurz – im Vergleich zu dem Trommelfeuer der Türkisen, vor allem bei allen Themen, die auch nur entfernt mit Migration zu tun haben: Kopftuchverbot für unter 14-Jährige, für Lehrerinnen, Sicherungshaft, "Kampf gegen den politischen Islam und die Parallelgesellschaft", Asylzentren an der Grenze, Veto gegen EU-Marineoperation vor libyscher Küste und so weiter. Derzeit sind die Grünen als Bürger- und Menschenrechtspartei weitgehend abgetreten. Das Herumdrucksen bei der verfassungswidrigen "Sicherungshaft", die Zustimmung zum Kopftuchverbot – wollen die Grünen wirklich bei den türkisen Verbots- und Einsperrfantasien mitmachen?

Bei der Beschränkung der Themen des Ibiza-Untersuchungsausschusses auf jene, die der ÖVP nicht so wehtun, wurde man wohl massiv unter Druck gesetzt und wollte die Koalition nicht gefährden. Dennoch ist das Argument – "Wir haben ja nur 14 Prozent, die ÖVP aber 37" – nicht tragfähig. Sebastian Kurz hat derzeit keine Alternative zu den Grünen, da wäre ein selbstbewussteres Auftreten schon möglich.

Natürlich sind das Anfängerfehler, die man beheben kann. Aber jetzt werden Pflöcke eingeschlagen und Weichen gestellt. Die Grünen haben auch nicht "die Sache verraten", wie manche Kritiker meinen. Aber es wird Zeit, dass sie sich auf die Hinterfüße stellen. (Hans Rauscher, 1.2.2020)