Ja oder Nein zu Doskozil: Für seine Kritiker ist der Burgenländer ein Konservativer mit provinziellem Charme, für seine Anhänger ein geschickter Verteidiger gegen Rechts.

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Offiziell gilt in der SPÖ die Parole, bis zur Wien-Wahl – um es ortsüblich auszudrücken – die Gosch’n zu halten. Doch unter der Oberfläche brodelt die Führungsdebatte weiter. Das liegt nicht nur an ungelenken Auftritten und unterirdischen Umfragewerten von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, sondern auch an einer sich abzeichnenden Alternative. Mit seinem Triumph im Burgenland hat Hans Peter Doskozil der gebeutelten Partei den Glauben zurückgegeben, dass die Sozialdemokratie noch siegen kann – und gleich auch am Sessel der Vorsitzenden gerüttelt.

Es sei noch auszudiskutieren, wer die SPÖ an der Spitze in die nächste Nationalratswahl führe, sagte Doskozil in Gewinnerlaune und klang dabei so, als wolle er da ein entscheidendes Wort mitreden. Möglicherweise in eigener Sache.

Ruf des Rechtsauslegers

Wäre er der richtige Mann? Der 49-jährige Ex-Polizist bringt vieles mit, was Genossen bei Rendi-Wagner vermissen. Doskozil ist hemdsärmelig, leutselig, in Interviews souverän. Er trifft eindeutige Entscheidungen, verpackt diese in klare Botschaften, kommt in den Boulevardmedien gut an und verfügt über den Instinkt, im passenden Moment das Richtige zu sagen. Ein patenter Kandidat – wenn da nicht auch der Ruf des Rechtsauslegers wäre.

Doskozil vertrat in seinen vier Jahren als Spitzenpolitiker so einiges, was dem linken Flügel in der SPÖ sauer aufstößt. Er übernahm die von seinem Vorgänger geschmiedete Koalition mit der FPÖ, konnte sich mit den türkis-blauen Sozialhilfekürzungen für Ausländer ebenso anfreunden wie nun mit der präventiven Sicherungshaft für potenzielle Gewalttäter. Mit so einer Linie, monieren Linke, gebe die Sozialdemokratie ihre Identität bis zur Unkenntlichkeit auf.

Sieger mit linken Themen

Der Meinungsforscher Christoph Hofinger relativiert dieses Bild allerdings. "Dass die SPÖ im Burgenland eine Rechtspartei ist, ist ein Mythos", konstatierte der Chef des Sora-Instituts im STANDARD-Chat. Doskozil verfolge in Migrationsfragen zwar einen eher restriktiven Kurs, lasse sich anders als die Konkurrenz rechts der Mitte aber nicht zu chauvinistischen und antimuslimischen Tönen hinreißen. Gewonnen habe er seine Wahl mit linken Themen wie Mindestlohn, Pflege und Gesundheit.

Genau da haken die Anhänger ein. Erstens habe die – wie es heißt – "pragmatische" Linie in der Ausländerfrage die Masse der Parteimitglieder hinter sich, von der Gesamtbevölkerung ganz zu schweigen. Zweitens werde die SPÖ nie eine Mehrheit gegen die ÖVP schaffen, wenn sie sich nicht in der Mitte positioniert. Nur wenn die Sozialdemokraten auch für konservativere Bürger wählbar sind, könne sich je eine Regierung mit den Grünen ausgehen. Es habe wenig Sinn, sich mit dem potenziellen Partner um die gleichen Wähler zu matchen.

In ihren Augen ist Doskozil weniger ein Überzeugungstäter als bloß sehr geschickt darin, fruchtlose Themen vom Tisch zu bekommen. Was bringe es der SPÖ, sich ewig in die Ausländerdebatte zu verstricken? Indem sich der Landeschef gegen Kritik von Rechts immunisiere, könne er sich auf eigene Anliegen konzentrieren – und die seien eben klassisch sozialdemokratisch: siehe 1700 Euro Mindestlohn für Landesbedienstete im Burgenland, siehe die soziale Absicherung pflegender Angehöriger, indem diese vom Land angestellt werden.

Ländlicher Appeal

Auch Kritiker verwenden dieses Beispiel – allerdings unter negativen Vorzeichen. Statt Frauen freie Entfaltung am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, biete Doskozils Pflegemodell bloß eine Zukunft als billige, unqualifizierte Pflegerinnen und zementiere die alte Rollenverteilung. "Das ist kein bisschen fortschrittlich", sagt eine linke Wienerin: "Ein konservativer, mittelalterlicher Mann mit ländlich-provinziellem Appeal kann nicht die Zukunft der SPÖ sein."

Die Imagefrage beschäftigt auch wohlgesinntere Genossen. Was im dörflichen Burgenland klappt, muss nicht in den Städten funktionieren, wo es auch liberale Bobos zu bedienen und Wähler von den Grünen zurückzuholen gilt. Dafür sei "Dosko" das falsche Signal.

Leidensdruck in der SPÖ

Hätte er denn überhaupt in der SPÖ eine Mehrheit? Das hängt wohl vom Leidensdruck ab. Wenn überhaupt, werde Doskozil nicht gleich Parteichef werden wollen, sondern erst im Vorfeld der nächsten Nationalratswahl als Kanzlerkandidat an die Front gehen, so eine verbreitete Einschätzung – schließlich müsse er auch erst seine Stimmbanderkrankung auskurieren.

Dann stellt sich noch die Frage, ob er Chancen sieht, gegen Sebastian Kurz zu gewinnen. Eine aktuelle Umfrage von Peter Hajek für ATV gibt einen ersten Hinweis: Während 47 Prozent für Kurz als Kanzler votieren, schafft Doskozil mit 17 Prozent nur um drei mehr als Rendi-Wagner. Jedoch halten in einer "Profil"-Umfrage von Unique Research 43 Prozent der Befragten Doskozil für den besten SPÖ-Chef, Rendi-Wagner trauen das nur zehn Prozent zu. (Gerald John, Michael Völker, 1.2.2020)