Tawfiq Allawi ist neuer Premier des Irak.

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Bagdad – Inmitten der politischen Krise im Irak hat Staatschef Barham Salih den ehemaligen Telekommunikationsminister Mohammed Tawfiq Allawi als neuen Regierungschef nominiert. Allawi kündigte am Samstag vorgezogene Neuwahlen an und versprach, die Gewalt gegen Demonstranten aufzuklären.

Der einflussreiche Schiitenführer Moqtada al-Sadr sagte Allawi seine Unterstützung zu. Unmittelbar nach der Nominierung formierte sich allerdings Protest gegen den 65-jährigen Politiker. Allawis Nominierung erfolgte genau vier Monate nach dem Beginn der regierungskritischen Proteste im Irak und zwei Monate nach dem Rücktritt von Premier Adel Abdul Mahdi wegen der Proteste.

Neuwahlen und Aufklärung der Gewalt angekündigt

In einer Fernsehansprache kündigte Allawi die Bildung einer Regierung an, die das ganze Volk repräsentiert. Er versprach vorgezogene Neuwahlen. Die Verantwortlichen für die zahlreichen Todesopfer unter den Demonstranten in den vergangenen Monaten sollten zur Verantwortung gezogen werden. Die Demonstranten rief er auf, sich an seine Seite zu stellen, "denn ohne euch bin ich allein und kann gar nichts tun".

"Wir lehnen Allawi ab", riefen Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz in Bagdad und auch im Süden des Landes wurde demonstriert. Die Protestbewegung hatte die Ernennung eines politisch unabhängigen und nicht an früheren Regierungen beteiligten Kandidaten zum Ministerpräsidenten gefordert. Allawi war von 2006 bis 2007 und erneut von 2010 bis 2012 Telekommunikationsminister. Beide Male trat er zurück, nachdem er vergeblich versucht hatte, Maßnahmen gegen Korruption durchzusetzen.

Ein Monat Zeit um neue Regierung zu bilden

Der nach monatelangem Stillstand vom Parlament als Konsenskandidat nominierte Allawi hat laut der irakischen Verfassung nun einen Monat Zeit, eine Regierung zu bilden. Neben der Zustimmung der verfeindeten politischen Lager im Irak ist ein neuer Regierungschef auch auf die Unterstützung durch die schiitischen Autoritäten, das Nachbarland Iran, die US-Regierung und nicht zuletzt auch die regierungskritische Protestbewegung angewiesen.

Bei den am 1. Oktober begonnenen Massenprotesten im Irak kamen bisher mehr als 480 Menschen ums Leben, fast 30.000 wurden verletzt. Die Aktionen richteten sich zunächst gegen Korruption, hohe Jugendarbeitslosigkeit und Dienstleistungsengpässe, wandelten sich jedoch rasch in regierungskritische Proteste und die Forderung nach einem politischen Neubeginn. (APA, 2.2.2020)