Donald Trump (im Bild ein mehrstöckiges Graffito an einer Hausmauer in Boone, Iowa) kann zufrieden sein mit dem Verlauf des Amtsenthebungsverfahrens: Er wird wohl freigesprochen werden.
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Es ist dann doch nicht so gelaufen, wie es sich Donald Trump gewünscht hat. Denn eigentlich wollte er am Dienstagabend, wenn er seine Rede zur Lage der Nation hält, eine rhetorische Siegerrunde drehen, entlastet nach dem dreimonatigen Amtsenthebungsverfahren.

Nun wird er mit dem Triumphgeheul noch warten müssen, denn offiziell fällt die Entscheidung über Schuld oder Unschuld des Präsidenten erst am Mittwoch. Zwar zweifelt niemand mehr daran, wie es enden wird, nämlich mit einem Freispruch; aber weil er sich den Ablauf anders vorgestellt hatte, klang Trump am Wochenende eher wütend als zufrieden. Den Demokraten, der "radikalen Linken", polterte er via Twitter, gehe es bei ihrem "Impeachment-Schwindel" nicht um Gerechtigkeit. Sie wollten nur die republikanische Partei destabilisieren, um bei der Wahl im November besser abzuschneiden.

Es sind ein paar Details der Choreografie, die ihm nicht passen. Zwar scheiterten die Demokraten mit dem Antrag, John Bolton als Zeugen vorzuladen – den im September entlassenen Nationalen Sicherheitsberater, der in einem Buch schildert, wie Trump ihn anwies, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unter Druck zu setzen, auf dass Kiew Ermittlungen gegen Joe Biden aufnehme. Doch obwohl die Republikaner Boltons Aussage verhindern konnten, musste ihr Fraktionschef Mitch McConnell beim Prozedere einen Rückzieher machen.

Ein Scheinkompromiss

Nach seinem Fahrplan wäre der Impeachment-Marathon bereits am Freitag zu Ende gewesen. Da sich die Demokraten dagegen sträubten und McConnell zumindest den Schein von Kompromissbereitschaft wahren wollte, geht es in die Verlängerung: Nun werden die Senatoren, zumindest einige von ihnen, öffentlich begründen, warum sie die Vorladung zusätzlicher Zeugen befürworteten oder ablehnten. Die Schlacht der Argumente, schon jetzt geführt mit Blick auf den herbstlichen Wahlkampf, erlebt noch eine kurze Fortsetzung – obwohl das Ergebnis im Grunde feststeht.

Ein Prozess ohne Zeugen – das sei nicht nur kein fairer, sondern überhaupt kein Prozess, wiederholte Chuck Schumer, der Fraktionschef der Demokraten, was er schon in den Tagen zuvor gesagt hatte. Rahm Emanuel, unter Präsident Barack Obama eine Zeit lang Stabschef des Weißen Hauses, prophezeit den Republikanern, dass sie im November bei den parallel zum Präsidentschaftsvotum anstehenden Senatswahlen ihre Mehrheit einbüßen werden.

Ein Drittel der Sitze der Kammer ist dann neu zu vergeben. In Staaten, in denen es auf der Kippe stehe zwischen beiden Parteien, orakelt Emanuel, könnten sich Wähler, die bei dem abgewürgten Impeachment-Verfahren Fair Play vermissten, an den konservativen Amtsinhabern rächen. Als Beispiele nennt er Arizona, Colorado, Iowa, Maine und North Carolina. Falls die Republikaner dort ihre Mandate verlieren und dies nicht durch Zugewinne anderswo ausgleichen, wäre es um ihre Mehrheit geschehen. Momentan kommen sie auf 53 der 100 Senatssitze.

75 Prozent für neue Zeugen

Folgt man den Umfragen, dann wären 75 Prozent der Amerikaner für die Vernehmung neuer Zeugen gewesen. Bei Republikanern, die sich als gemäßigt verstehen, erzeugt das einen gewissen Erklärungsnotstand. Da ist Lamar Alexander, ein Veteran aus Tennessee, der im Herbst nicht noch einmal antreten will und von dem manche allein deshalb erwartet hatten, dass er sich nicht um die Parteidisziplin scheren würde. Trump habe "unangemessen" gehandelt, als er Selenskyj zu Untersuchungen gegen Biden drängte, sagt auch Alexander. Aber gerade weil er davon überzeugt sei, bedürfe es keiner weiteren Beweise. "Wenn Sie acht Zeugen haben, die bestätigen, dass jemand Fahrerflucht beging, wozu brauchen Sie dann noch einen neunten?", fragte er bei Meet the Press, Amerikas bekanntester Sonntagstalkshow.

Marco Rubio, 2016 im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ein Widersacher Trumps, führt ein rein politisches Argument ins Feld: Es würde das Land zu sehr spalten, würde man den Staatschef absetzen. Ergo liege eine Amtsenthebung nicht im Interesse des Landes, "nur weil bestimmte Handlungen das Kriterium des Impeachments erfüllen".

Kreative Antworten

Dann wäre da noch Lisa Murkowski, Senatorin aus Alaska, wegen ihrer Unberechenbarkeit auch Sphinx genannt. Hätte sie wie ihre Parteifreunde Susan Collins und Mitt Romney für eine Fortsetzung des Prozesses gestimmt, wäre das Ergebnis ein Patt gewesen – eines, das neue Fragen aufgeworfen hätte. Normalerweise ist es der Vizepräsident, der ein Machtwort spricht, falls es 50:50 steht. In diesem Fall aber kam Mike Pence nicht infrage. Das Impeachment sei so parteiisch, dass mit einem fairen Prozess nicht zu rechnen sei, weshalb es keinen Sinn mache, ihn noch länger zu führen, hatte Murkowski ihr Nein begründet.

Nach dem Votum sprach sie Sätze in Reportermikrofone, die nach einer Generalabrechnung klangen. "Ich bin wirklich angewidert von allem, vom Abgeordnetenhaus, vom Senat, von den Republikanern, von den Demokraten. Es ist einfach ein trauriger Tag." (Frank Herrmann, 2.2.2020)