Nachhaltiger, als man zunächst denken würde: Volkskultur unterm Hakenkreuz.

Foto: Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum

Gleichschaltung, Massenmobilisierung, Kontrolle: Die Ziele nationalsozialistischer Kulturpolitik unterschieden sich kaum von jenen in anderen Politikfeldern des Regimes. Kultur und insbesondere das weite Feld des Brauchtums aber boten spezielle Möglichkeiten der Instrumentalisierung. In der Gaubehörde Innsbrucks firmierte das unter "Volkstumspropaganda".

Dass sich Gauleiter Franz Hofer in einem Maß um die "Kunst- und Geschichtszensur" bemüht hat, das selbst Goebbels zu weit ging, gehört zu den geradezu kuriosen Erkenntnissen aus einer Studie zur "Identitäts- und Kulturpolitik im Gau Tirol-Vorarlberg 1938–45" des Historikers Nikolaus Hagen.

Der Einfluss totalitärer Regime

Bemerkenswert ist auch der Befund über das Erbe der NS-Kulturpolitik: Sie schuf Verwaltungsstrukturen, die zum Teil bis in die Gegenwart wirken. Reichsgaue übernahmen mit der Trägerschaft von Kultureinrichtungen auch deren Kontrolle. Dass der Staat heute als "der dominante Akteur in Kunst und Kultur" agiere, sei letztlich "nur vor dem Hintergrund der autoritären und totalitären Regime der Jahre 1933 bis 1938 bzw. 1938 bis 1945" erklärbar, resümiert Hagen.

In Tirol wurden ab 1938 auch die ersten kommunalen Musikschulen eingerichtet. Als 2008 die Landesmusikschule Kramsach nach Sepp Tanzer benannt wurde, war dessen Rolle als einstiger Gaumusikleiter nicht unbekannt, doch die Politik ignorierte Proteste. Erst 2013 wurde der öffentliche Druck so groß, dass die Schule umbenannt wurde. Das Land richtete einen Fördertopf für wissenschaftliche Forschungen ein. Ergebnisse sind jetzt in dem vom Landesarchiv herausgegebenen Sammelband Vom Wert des Erinnerns erschienen. Das oft bemühte Narrativ, wonach Volkskulturverbände in der NS-Zeit aufgelöst worden seien, erweist sich jedenfalls als brüchig.

Hagen thematisiert auch die Verflechtung zwischen Politakteuren und Volkskultur, also auch eine "Innovation" des NS-Regimes, die die demokratische Wende überdauert habe: Tirols Landeshauptmänner fungieren bis heute traditionsgemäß als Präsidenten etwa von Blasmusik- und Trachtenverband. Auch das machte historische Aufarbeitung letztlich unumgänglich. Der Förderschwerpunkt des Landes ging 2019 in die Verlängerung bis 2023. Angekündigt sind Studien u. a. zum "Tiroler Abend" als Propagandainstrument und zu Wehrmachtsdeserteuren in Tirol. (Ivona Jelčić, 4.2.2020)