Demonstranten fordern eine rigidere Klimapolitik. Zuletzt sind Österreichs Emissionen jedoch wieder gestiegen.

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Wie so oft, kam es dann doch anders. Noch im Vorjahr verbreitete die Volkspartei die Jubelmeldung einer "Trendwende" in Österreichs CO2-Bilanz. ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager sah in dem Rückgang sogar den "Klimakurs der Volkspartei" bestätigt. Die Rede ist von einer Emissionsreduktion von 3,7 Prozent im Jahr 2018. In der offiziellen Bilanz, die das Umweltbundesamt am Montag veröffentlichte, ist dieser Rückgang nun auch zu erkennen, die Reaktion des jetzigen grünen Koalitionspartners fiel jedoch weniger euphorisch aus: "Jedes Minus in der CO2-Bilanz ist per se gut", kommentierte Klimaministerin Leonore Gewessler die gesunkenen Werte am Montag. "Das Minus ist aber nicht aufgrund von politischen Maßnahmen entstanden, sondern durch einen Wartungsstillstand bei der Voest und durch einen wärmeren Winter."

Eine Trendwende war also nicht in Sicht, wie Wissenschafter bereits im Vorjahr festhielten. Im Gegenteil: 2019 ist Österreichs Ausstoß wieder gestiegen, wie das Umweltbundesamt (UBA) am Montag bestätigte. Details zu den neuen Zahlen gibt es bisher aber nicht, bei dem Hintergrundgespräch im Klimaschutzministerium wurden die Zahlen des Jahres 2018 vorgestellt. Ähnlich genaue Details für das Vorjahr liegen noch nicht vor.

Eine traurige Bilanz

Die Übersicht der vergangenen drei Jahrzehnte bilde jedenfalls eine "sehr traurige Bilanz", erklärte UBA-Klimaexpertin Henriette Spyra: "Von 1990 bis zum Jahr 2018 hat sich eigentlich gar nichts getan." Besonderes Sorgenkind sei nach wie vor der Verkehrssektor. Während seit 1990 die Emissionen in allen Bereichen – mit einer kleinen Ausnahme bei fluorierten Gasen – zurückgegangen sind, stieg der Ausstoß im Verkehrsbereich deutlich. So auch im Jahr 2018, in dem 30 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Bereich zurückzuführen waren.

Umweltministerin Leonore Gewessler will besonders im Verkehrssektor viele Klimamaßnahmen setzen.
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In den übrigen Bereichen sind die Emissionen von 2017 auf 2018 teilweise deutlich gesunken: Im Gebäudesektor um ganze 8,3 Prozent, in der Abfall- und Landwirtschaft entstand ein Minus von 4,7 beziehungsweise 1,2 Prozent. Rückgänge gab es auch im Bereich des Emissionshandels – also Energie und Industrie. Dort wurden 2,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart, ganze 1,6 Millionen Tonnen davon sind allerdings auf den "Voest-Effekt" zurückzuführen. Mit diesem könne man natürlich nicht jedes Jahr rechnen, hieß es seitens des Umweltbundesamts. Das zeigte sich bereits im Vorjahr. Nach ersten Berechnungen dürfte der Ausstoß der Industrie und Energie zuletzt wieder gestiegen sein.

Klimaziel 2020 könnte sich "knapp" ausgehen

Trotz des Emissionsrückgangs im Jahr 2018 ist Österreich ein weiteres Mal am Emissionsreduktionspfad, der durch das Klimaschutzgesetz vorgegeben wird, vorbeigeschrammt. Nichtsdestotrotz könnte das Klimaziel 2020 "knapp erreicht" werden, wie Spyra bestätigte. Grund dafür ist ein "Puffer" aus den vergangenen Jahren, in denen der Ausstoß unter den möglichen Grenzwerten lag.

Brenzlig werden auf jeden Fall die nächsten Jahren. Österreich muss seinen Treibhausgasausstoß außerhalb des EU-Emissionshandels bis 2030 um 36 Prozent im Vergleich zu 2005 reduzieren. Dies könne aber nur "mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen quer durch alle Sektoren erreicht werden", wie Gewessler betonte. Nachdem in den vergangenen Jahren kaum eine Reduktion gelang, beläuft sich die Lücke zwischen 2018 und 2030 nach wie vor auf 28 Prozent.

Damit nicht genug: Das bisherige Ziel wurde von der EU gesetzt. Die türkis-grüne Regierung hat sich allerdings deutlich mehr vorgenommen: Bis 2040 soll das Land klimaneutral werden und der Reduktionspfad den Pariser Klimaabkommen entsprechen. Übersetzt bedeutet das laut UBA-Expertin Spyra nichts anderes, als dass Österreich seinen Ausstoß bis 2030 um ganze 50 Prozent senken müsste. "Je früher eine Reduktion gelingt, desto leichter wird es natürlich gehen", sagte die Expertin dazu.

Tempo 140 einstellen

Gewessler will jetzt auf jeden Fall ordentlich Tempo machen – beziehungsweise dieses im Verkehr drosseln. Die Teststrecke mit Tempo 140 soll demnächst der Vergangenheit angehören, wie die Ministerin bestätigte. Die Verordnung sei schon in Arbeit, hieß es am Montag. "Tempo 140 war ein falsches Signal", sagte die grüne Politikerin. Im Verkehrssektor wolle man besonders eng mit den Bundesländern zusammenarbeiten.

Diese Klimaschützer wollen weniger Autos auf der Straße sehen. Durch einen Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel soll das künftig gelingen.
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Sinnvoll wäre nach Angaben von Spyra etwa eine Vereinheitlichung der Toleranzgrenzen bei Tempolimits – und vor allem die Einhaltung dieser. Das UBA hat in einem Bericht 50 Maßnahmen für potenzielle Emissionsminderungen unter die Lupe genommen. Die Temporeduktion im Pkw-Verkehr war dabei der größte Hebel. "Die Hälfte des Effekts geht allein auf die Einhaltung von Tempolimits zurück", so die Expertin. Neben Maßnahmen im Verkehr – allen voran den Öffi-Aufbau – will Ministerin Gewessler noch heuer das neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auf den Boden bringen.

Noch keine Nachbesserung der Klimaziele

Bis die geplanten Maßnahmen in der jährlichen Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamts auftauchen, wird es allerdings noch dauern. Geplant ist, dass erste Klimamaßnahmen ab Jänner 2021 zu greifen beginnen. Durch die verzögerte Veröffentlichung der Zahlen werden die Ergebnisse erst in der Bilanz im Jahr 2023 ablesbar sein. Ob die Regierung die nationalen Emissionsreduktionsziele in Eigenregie nachschärfen wird, legte Gewessler vorerst nicht fest. Hier warte man die Empfehlungen der EU-Kommission im Rahmen des Green Deals ab. (Nora Laufer, 3.2.2020)