Bild nicht mehr verfügbar.

2000 auf dem frühen Höhepunkt ihrer Karrieren: US-Rapper Eminem ist mit dem Album "The Marshall Mathers" erfolgreich.

Foto: Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Britney Spears punktet in den Charts mit "Oops! ... I Did It Again".

Foto: Reuters

Zum Jahreswechsel 1999/2000 befürchtet man aufgrund des "Millennium-Bugs" zwar den Weltuntergang: Fehler in der Digitaltechnik aufgrund der Umstellung auf den 1. Jänner 2000 und damit die Rückstellung elektronischer Geräte auf null führen weltweit zur Götterdämmerung. Dumme Sache.

Als wir nach Silvester aber doch nicht untergegangen sind, entpuppt sich 2000 als folgenreiches Jahr für den Pop: Harry Potter regiert ab Band vier die Welt. Die Handys bekommen eine Kamerafunktion. Pokemon geht bei den kleineren Kindern um, Big Brother als Mutter aller Dschungelcamps bei den größeren. Mit Dot.com wird die Internetblase aufgebaut. Die DVD ist jetzt leistbar – und im Straßenbild sieht man Erwachsene auf Tretrollern namens Scooter herumgurken. Hier einige folgenreiche Punkte in musikalischer Hinsicht:

1. MP3

Die mit Sicherheit größte Erschütterung der Popwelt mit wirtschaftlichen Auswirkungen bis heute stellt die ab 2000 einsetzende Lawine des Datenkompressionsformats MP3 auf Heimcomputern und vor allem auf dem in den Handel kommenden tragbaren MP3-Player dar. Mittlerweile längst von den Smartphones inhaliert, stellen MP3-Files alte Geschäftsmodelle auf den Kopf. Ab 2000 wollen die Leute zunehmend nicht mehr für Musik zahlen. Man saugt sich ganze Soundbibliotheken illegal aus dem Netz. Man erinnere sich auch an den von der US-Metal-Band Metallica geführten Gerichtsstreit mit der "Musiktauschbörse" Napster. Der MP3-Sound ist bis heute medioker geblieben.

Geld von Musikplattformen generieren nur die wenigstens Künstler. Der Rest ist auch noch 2020 blecherner Spotify- und Youtube-Sound aus dem Handy. Musiker verdienen einzig durch völlig überteuerte Konzertkarten.

HuffPost Live

2. Britney Spears

Bevor Madonna in den Nullerjahren nicht mehr sooo gute Musik zu veröffentlichen beginnt, überzeugt der knackige elektronische Pop von Music noch einmal als State of the Art. Sie muss sich diesen damaligen Midterm-Triumph ihrer Karriere allerdings mit Britney Spears teilen. Spears bleibt damals in den Verkaufsrängen nach ihrem ersten Blockbuster ... Baby One More Time in den globalen Charts mit ihrem zweiten Album Oops! ... I Did It Again ungeschlagen.

Neben dem Debüt von Pink! startet damals auch eine frühere Kollegin von Britney Spears aus dem US-TV-Format Mickey Mouse Club durch, eine gewisse Christina Aguilera. Ab sofort ebenfalls an vorderster kommerzieller Front zu finden: Beyoncé mit Destiny’s Child. Ältere und züchtigere Popdiven und Koloraturfrauen wie Mariah Carey oder Whitney Houston haben es in den Nullerjahren ziemlich schwer.

BritneySpearsVEVO

3. Eminem

Dass ausgerechnet ein Weißbrot aus dem Trailerpark den Hip-Hop in den Nullerjahren zum heute weltweit dominierenden Pop-Genre führt, ist und bleibt spätestens seit der Karriere von Elvis Presley und der Transformation des "schwarzen" Rhythm and Blues zum auch für die Kinder der weißen Mittelschicht verdaulichen Rock 'n' Roll klar. Unter der Regie des afroamerikanischen Produzenten und Hip-Hop-Moguls Dr. Dre entdeckt der pfiffige Rapper Eminem mit dem autobiografischen Album The Marshall Mathers und den Singles Stan (feat. Dido) und The Real Slim Shady den Gangster und das zornige Kind aus zerrütteten Verhältnissen in uns allen.

Auch wenn zeitgleich etwa das Album Stankonia des US-Südstaatenduos OutKast die musikalisch interessantere (allerdings etwas weniger erfolgreiche) Alternative darstellte.

EminemVEVO

4. Alternative

Im Alternative-Genre war 2000 ein Jahr mit vielen wichtigen Veröffentlichungen. Die White Stripes (Seven Nation Army) werden mit De Stijl bekannt. Bevor sie zu nervigen U2-Kitschisten werden, legen Coldplay mit Parachutes ein schönes Debüt vor. Moloko und Goldfrapp liefern mit Things To Make And Do und Felt Mountain einen gefälligen Nachschlag zu dem in den 1990er-Jahren mit Massive Attack populär gewordenen Trip-Hop.

PJ Harvey untermauert mit den (erstaunlich optimistischen) Stories from the City, Stories from the Sea ihren Ruf als beste Songwriterin ihrer Generation. Als Gast ist Thom Yorke mit dabei. Dessen Band Radiohead zerhackt auf Kid A in der Nachfolge des Meisterwerks OK Computer den Gitarrenrock früherer Tage im Laptop und zerstört fortan erstaunlich erfolgreich das Strophe-Refrain-Schema und die geraden Takte.

Elektropunkerin Peaches bringt das bahnbrechende, nun ja, Sex-Positivity-Album Teaches Of Peaches in die Clubs. Die schicken Franzosen Phoenix entdecken mit United den Schnupftabak- und Schlurf-Pop der 1970er wieder. Queens Of The Stone Age nehmen auf Rated R Hardrock, Pop und Drogen ernst: Feel Good Hit Of The Summer. The Avalanches bestreiten ein ganzes Album namens Since I Left You mit abertausenden Samples. Britpop erlebt mit Oasis im Wembley Stadium Höhepunkt und Ende. Sehr wichtig: Die Disco-Roboter Daft Punk weisen mit ihrer bis dato erfolgreichsten Single One More Time und dem Autotune-Effekt ins Heute.

PJHarveyVEVO

5. Anton aus Tirol

Auch Österreich hat der Welt etwas zu geben. 2000 geht Gerry Friedle alias DJ Ötzi mit dem Anton Aus Tirol um. Skifahren wird nie wieder dasselbe sein! 2000. Ab jetzt geht alles.

Aaron Kahlau

(Christian Schachinger, 4.2.2020)