Nur die Schulweghelferin wird mit Maske angetroffen.

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Ja, aggressiv bis hysterisch können die Leute schon werden in Gauting. Etwa wenn auf der Bahnhofstraße, der Hauptschlagader, jemand mit seinem Auto rückwärts einparkt. Da schimpfen und hupen sie dahinter erbost, weil es ein paar Sekunden nicht weitergeht und sich eine kleine Schlange bildet. Aber das Coronavirus, dessen Infektionen in Deutschland allesamt hier in der Gemeinde mit ihren 20.000 Einwohnern südwestlich von München ihren Ursprung hatten? "In Gauting gibt es keine Spur von Hysterie", sagt die Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU) zum STANDARD. Die Kindergärten und Schulen stimmten sich eng mit dem Gesundheitsamt ab, das beim Landkreis Starnberg angesiedelt ist.

Erst am Montag ging von dort ein Informationsschreiben an die Grund- und Mittelschulen: Von "Entwarnung" ist darin die Rede, keine Schule sei von einer Schließung bedroht. Besonders solle auf das Händewaschen mit Seife sowie regelmäßiges Lüften geachtet werden.

Mit den Kindern sprechen

Außerdem wird darum gebeten, das Thema "altersgemäß" in den Klassen zu besprechen. Bei Verdachtsfällen sollen sich Schulleiter an das Gesundheitsamt wenden. Einzelne Kinder würden mit Desinfektionsmittel in die Schule kommen, so das Landratsamt, davon werde aber wegen möglicher allergischer Reaktionen abgeraten. Christine K., Mutter von einem Kindergarten- und einem Grundschulkind in Gauting, sagt: "Die Stimmung würde ich nicht als sehr angespannt bezeichnen, doch die Leute sind sicher aufmerksamer und auch etwas ängstlicher."

Webasto heißt die Firma, im Ortsteil Stockdorf und ganz am Gemeinderand gelegen, wo es nach den Erkenntnissen zu allen bisher acht Infektionen in Deutschland kam. Eine chinesische Mitarbeiterin hatte sie, so die Annahme, bei einem Besuch in der Firma ausgelöst. In der vierstöckigen gläsernen Zentrale des Automobilzulieferers brennt kein Licht, die 1.000 Mitarbeiter sollen noch bis zum 11. Februar zu Hause bleiben. Dann sei die angenommene längste Inkubationszeit überschritten.

Außer einer Schulweghelferin sieht man im Gautinger Zentrum keinen Menschen mit Mundschutz. Hat sie Angst vor dem Virus? Die Frau nickt. Der Briefträger trägt Briefe aus und hält den einen oder anderen Plausch, an der Bushaltestelle "Am Rathaus" wartet eine ganze Traube von Menschen. Das ganz normale Leben mittags an einem Werktag, keine Krisenstimmung.

Ausgrenzung von Betroffenen

Die teilweise weit verstreut in Oberbayern lebenden Webasto-Mitarbeiter machen aber auch andere Erfahrungen, wie die Firma berichtet, Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung. So wurde der Ehemann einer Mitarbeiterin ins Homeoffice geschickt, bis er eine negative Testbescheinigung vorlegen kann. Kindergärten haben Kindern von Webasto-Angestellten den Besuch untersagt – was nicht den Vorgaben der Behörden entspricht. Schulen haben versucht, Schülern, die bei Webasto ein Praktikum machen, den Umgang mit Klassenkameraden zu untersagen. Und Mitarbeiter einer Werkstatt haben sich geweigert, das Auto eines Webasto-Mannes zu reparieren.

Im Gautinger Gemeinderat sitzt auch ein Angestellter der Firma. Vergangene Woche kam er nicht zur Sitzung, erzählt die Bürgermeisterin, eine reine Vorsichtsmaßnahme. Beim nächsten Treffen werde er wieder dabei sein. Die Leiterin der Apotheke, Anke Uthe, sagt, dass die Mundschutzmasken ausverkauft und nicht mehr lieferbar seien. "Das macht aber nichts, es fragt kaum einer danach." Sie hätten jetzt vor allem mit der Influenza zu tun. "Die Millionen Chinesen brauchen die Masken dringender, zumal diese ja in China hergestellt werden." (Patrick Guyton aus Gauting, 4.2.2020)