Die ÖVP will auch Menschen einsperren, gegen die kein konkreter Tatverdacht besteht: Ob das mit oder ohne Verfassungsänderung möglich ist, darüber diskutieren alle anderen.

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Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen ist das Thema nur vage angeführt, dennoch wird seit der Angelobung von Türkis-Grün über kein Thema so intensiv und andauernd gestritten wie über die Sicherungshaft – unter den Parteien, aber auch innerhalb der Parteien.

Der zusätzliche Hafttatbestand soll für "gefährliche" Asylwerber gelten – "zum Schutz der Allgemeinheit", wie im Regierungsprogramm steht. Knackpunkt der Diskussionen um den Freiheitsentzug ohne Tatverdacht ist die Verfassungskonformität. Denn in Österreich reicht der Schutz der persönlichen Freiheit im Vergleich zu anderen Staaten besonders weit. Zudem steht die Europäische Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang. Daher ist im Regierungsprogramm explizit festgehalten, dass der zusätzliche Hafttatbestand verfassungskonform sein müsse.

Daher soll ein zusätzlicher, verfassungskonformer Hafttatbestand (Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit) eingeführt werden für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden.
Aus dem Regierungsprogramm

Die Position der ÖVP

Zwar verweisen Vertreter der Volkspartei darauf, dass sie eine verfassungskonforme Regelung verhandeln wollen, es könne aber auch sein, dass man dazu die Verfassung ändern müsse. Für den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner wäre eine Verfassungsänderung "zweitrangig". Klubobmann August Wöginger (ÖVP) erklärte, er wolle die Gesetzeslücke schließen, dafür sei eine Verfassungsänderung nötig. Grundtenor: Man bekenne sich zum Regierungsprogramm, könne sich eine Verfassungsänderung aber durchaus vorstellen. Die Frage einer Verfassungsänderung wird im Koalitionspakt ja nicht direkt angesprochen. Verfassungskonform kann ja auch heißen, dass die Regelung nach einer Änderung der Verfassung mit dieser konform sei. Kanzler Sebastian Kurz will Experten zurate ziehen. Die Sicherungshaft soll für Personen kommen, die schon ein Gewaltverbrechen begangen haben und eine Drohung aussprechen.

Wir haben eine verfassungskonforme Regelung vereinbart auf Basis der europäischen Menschenrechtskonvention.
August Wöginger, ÖVP-Klubobmann

Die Position der Grünen

Die Grünen drücken sich ein bisschen herum. Klarheit versuchte der Abgeordnete Michel Reimon zu schaffen, er erklärte, er werde einer Verfassungsänderung keinesfalls zustimmen. Die Sicherungshaft bezeichnete er als "Marketingmaßnahme" der ÖVP. Im grünen Parlamentsklub sehe man das "sehr einheitlich". Klubobfrau Sigi Maurer bestätigte daraufhin, dass dies grüne Linie sei. "Die Vorgabe ,verfassungskonform‘ bezieht sich aus unserer Sicht auf die bestehende Verfassung. Diese zu ändern, um eine sogenannte Sicherungshaft zu ermöglichen, ist für uns nicht denkbar." Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler antwortete zuletzt auf die Frage, ob es mit den Grünen eine Verfassungsänderung geben werde: "Ich meine Nein."

Das braucht eine Verfassungsänderung, und die ist aus grüner Sicht unmöglich. Da werde ich nicht zustimmen.
Michel Reimon, grüner Abgeordneter

Die Position der SPÖ

In der SPÖ führt Hans Peter Doskozil das Wort, und eigentlich sagt er immer wieder das Gleiche, er tat dies auch schon vor der Wahl, als das Thema aufgepoppt ist. Doskozil ist für eine Sicherungshaft. Mit dem Nachsatz: "Wenn sie der Verfassung entspricht." Seiner Partei, der SPÖ, rät Doskozil mit Nachdruck, ihren Standpunkt zu überdenken. Der Standpunkt der Partei ist aber gar nicht so einfach festzumachen. Die SPÖ ist gegen eine "willkürliche Sicherungshaft". Parteichefin Pamela Rendi-Wagner beruft sich auf Experten, die meinen, dass eine Sicherungshaft aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang ist, generell unmöglich sei. Einer Verfassungsänderung würde die SPÖ nicht zustimmen.

Andere in der Partei, wie der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, der steirische Landeschef Anton Lang oder der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, haben sich für eine Sicherungshaft ausgesprochen, allerdings mit Einschränkungen: Die Verfassung dürfe nicht geändert werden, und diese Form der Präventivhaft dürfe nicht explizit nur für Asylwerber gelten. Doskozil und Ludwig können sich eine solche Maßnahme als Schutz von Frauen gegen (ihre) gewalttätigen Männer vorstellen. Ein Ende der parteiinternen Diskussion ist nicht in Sicht.

Die Position der FPÖ

Die Freiheitlichen sind für die Sicherungshaft und bieten sich für eine Verfassungsänderung an.

Die Position der Neos

Die kleinste Oppositionspartei sieht die Notwendigkeit einer Sicherungshaft nicht und ist gegen eine Verfassungsänderung. (Davina Brunnbauer, Michael Völker, 4.2.2020)