Die Gruppe der gebildeten Flüchtlinge sei schließlich heterogen, sagt Expertin Kohlenberger: Ein Schulabschluss in Afghanistan bedeute nicht das Gleiche wie ein Schulabschluss in Syrien.

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Wien – Der Ausbildungsgrad der aus Syrien, dem Irak und Afghanistan ab 2015 nach Österreich gekommenen Menschen ist regelmäßig Streitthema in Österreich. Das AMS hatte im Jänner 2016 erste Zahlen aus seinen Kompetenzchecks bei den Flüchtlingen veröffentlicht, die besonders für Iraker und Syrer eine hohe Akademikerquote auswiesen.

Etwa drei Jahre später tauchten Berichte auf, die so aussahen, als seien diese AMS-Zahlen geschönt gewesen. Eine andere AMS-Statistik, erstellt beim Erstkontakt von Betreuern mit Geflüchteten, zeigte nämlich deutlich niedrigere Ausbildungsniveaus. Die Erklärung aus dem Arbeitsmarktservice: Die Betreuer tragen nur bereits im Inland anerkannte Ausbildungen ein, weshalb zum Beispiel ein syrischer Arzt ohne Nostrifizierung in dieser Statistik als Maturant aufgenommen wurde. Bei den Kompetenzchecks wurde dagegen die höchste abgeschlossene Ausbildung eingetragen.

Besondere Herausforderung

Im vergangenen Herbst brach die Debatte neuerlich los: Die Industriestaatenorganisation OECD hatte in ihrem Länderbericht zu Österreich festgehalten, dass "die meisten Flüchtlinge eine niedrige Grundbildung haben" und dass 60 Prozent der Flüchtlinge weniger als einen Pflichtschulabschluss haben. Die entsprechende Passage wurde auch in vielen Berichten thematisiert, darunter im STANDARD, zumal die OECD von einer besonderen Herausforderung sprach: Österreich tue sich im internationalen Vergleich bei schlecht ausgebildeten Migranten besonders schwer, sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen.

Wie sich herausstellte, sind die Zahlen falsch. Die OECD berief sich in der erwähnten Passage auf eine Studie der WU-Forscherin Judith Kohlenberger, die intensiv an Erhebungen zur Ausbildung Geflüchteter in Österreich gearbeitet hat. Die Industriestaatenorganisation zitierte fehlerhaft. Richtig hätte der Satz lauten müssen, dass 60 Prozent der Flüchtlinge sehr wohl einen Pflichtschulabschluss haben. Die Zahl wurde nach Hinweis Kohlenbergers nun korrigiert – die erwähnte Passage über den generell niedrigen Bildungsgrad der Flüchtlinge ganz herausgenommen

Offensichtliches Versehen

Kohlenberger spricht von einem offensichtlichen Versehen bei der OECD, die Sache sei aber dennoch "ärgerlich", eben weil das Thema stark umkämpft ist und die fehlerhafte Botschaft viel Verbreitung fand. Dabei gibt es selbst bei korrekten Statistiken über den Ausbildungsgrad keine simplen Interpretationen, wie sie sagt.

Die Gruppe der gebildeten Flüchtlinge sei schließlich heterogen: Ein Schulabschluss in Afghanistan bedeute nicht das Gleiche wie ein Schulabschluss in Syrien. Und eine bessere Ausbildung ist nicht immer hilfreich. Es können sich Menschen mit niedrigerem Abschuss in einem fremden Land leichter tun, weil sie andere Erwartungen haben. "Gerade bei Afghanen waren die Arbeitsmarktzahlen in letzter Zeit ganz gut", so Kohlenberger. (szi, 4.2.2020)