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Ratlosigkeit in Iowa, auch bei Anhängern von Bernie Sanders.

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Müde Gesichter bei der Vorwahl in Iowa.

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Händische Auszählung in West Des Moines.

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Des Moines – "Sie können nicht einmal eine Vorwahl organisieren und wollen die Regierung führen. Nein, danke!" Brad Parscale, Wahlkampfmanager von US-Präsident Donald Trump, nahm die Vorlage, die ihm die Demokraten Montagnacht in Iowa lieferten, dankbar auf. Er nannte den Zustand der wichtigsten US-Oppositionspartei eine "Kernschmelze". Trump selbst bezeichnete die Vorwahlen als "totales Chaos".

Stunden dauerte da schon die Auszählung der Stimmen von den Wahlversammlungen der Demokraten im kleinen US-Bundesstaat im Mittleren Westen des Landes – ein Sieger war noch nicht in Sicht. Denn wegen "Ungereimtheiten" bei der Auszählung der Stimmen, wie die Parteiführung zerknirscht einräumte, weiß vorerst niemand, wie die Abstimmung ausgegangen ist. Eine App, die für die Übermittlung der Stimmen zuständig ist, habe nicht funktioniert. Ein Gewinner soll nun erst am Dienstag Ortszeit bekannt werden – wohl am Nachmittag mitteleuropäischer Zeit.

Das hinderte allerdings weder den linksgerichteten Senator Bernie Sanders noch den Bürgermeister von South Bend, Indiana, Pete Buttigieg, daran, den Sieg für sich zu reklamieren – ohne auf vollständige offizielle Zahlen zu warten. Sie bezogen sich auf Teilauszählungen. Für die meisten Kandidaten bei der Vorwahl ist der lange Schwebezustand ein Desaster.

Besonders Buttigieg, der in Iowa-Umfragen gut lag, in landesweiten Erhebungen aber zurückliegt, hatte sich von einem Sieg bei den Wahlbefragungen Rückenwind erhofft. Die Meldung über das tatsächliche Ergebnis könnte nun aber am Dienstag schon von einem anderen Großereignis überschattet werden: der Rede zur Lage der Nation, die Trump in der Nacht auf Mittwoch halten soll.

Verschwörungstheorien sprießen

Vorteile hat das verzögerte Ergebnis allenfalls für einen der Kandidaten: Joe Biden, landesweiter Umfrageführer, der in Iowa-Umfragen aber zurücklag. Er muss nun vorerst nicht erklären, wieso er, der haushohe Favorit, im wichtigen ersten Bundesstaat wohl nicht zu den Siegern gehört – wie auch für ihn wenig erfreuliche, bisher veröffentlichte Teilergebnisse andeuten.

Das wiederum ließ im Internet schnell Verschwörungstheorien hochschwappen: Robby Mook, ehemaliger Wahlkampfmanager Hillary Clintons, sei für die Entwicklung der App zuständig gewesen, lautet eine. Weil Clintons Ex-Konkurrent Bernie Sanders in den Ergebnissen zu hoch liege, blockiere diese nun die Übermittlung. Fake-News, wie sich später herausstellte: Mook wies auf Twitter zurück, mit der Programmierung der App in Zusammenhang zu stehen.

Vielmehr dürfte es sich um ein klassisches Problem hoher Anforderungen und einer engen Deadline handeln: Das Programm sei innerhalb der letzten zwei Monate geschrieben worden, die Partei habe sich erst spät dafür entschieden, die Wahlergebnisse auf diese Weise zu übermitteln, berichtete die "New York Times". Der nun zum Einsatz kommende Ersatzplan – die Ergebnisse via Telefon zu übermitteln – sei damals kurzfristig abgelehnt worden, weil er als zu kompliziert galt.

Das liegt auch am komplizierten Wahlsystem für den "Caucus": Abstimmende wählen in einer ersten Runde ihre Favoritin oder ihren Favoriten. Kommt diese Person nicht über 15 Prozent, können sich ihre Anhänger umentscheiden und eine andere Kandidatin oder einen Kandidaten wählen. Daraus ergibt sich schließlich eine Zahl an Delegierten. Veröffentlicht wurde bisher nur diese letzte Zahl, nun sollten es alle drei sein – deshalb war schon im Vorfeld Verwirrung befürchtet worden.

Mehrere Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Demokraten forderten ob des Chaos, das System der Caucus-Wahlversammlungen zu beenden. David Plouffe, Ex-Wahlkampfmanager Barack Obamas, sprach auf MSNBC vom "letzten Iowa-Caucus". Man solle beim nächsten Mal eine einfache Vorwahl durchführen.

Sanders sieht sich vorn, Debakel für Biden

In Ermangelung eines Ergebnisses wiederholten viele Kandidatinnen und Kandidaten bei ihren Auftritten nach der Wahl ihre Wahlkampfreden. Biden warnte, vier weitere Jahre Trump würden den Charakter der USA grundlegend ändern. Sanders sagte: "Der heutige Tag markiert den Anfang des Endes von Donald Trump, dem gefährlichsten Präsidenten in der modernen amerikanischen Geschichte." Senatorin Elizabeth Warren gab zu Protokoll: "Als Partei sind wir heute einen Schritt näher daran, den korruptesten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte zu besiegen."

Sanders' Wahlkampfteam präsentierte, wohl auch im Kampf um die erzählerische Hoheit, unvollständige Zahlen, die den Senator als Sieger sehen: Der 78-Jährige liege laut Teilergebnissen mit gut 28,6 Prozent auf Platz eins. Demnach landete Buttigieg mit 25,7 Prozent überraschend stark auf dem zweiten Platz, gefolgt von Warren mit 18,4 Prozent.

Biden käme Sanders' Zahlen zufolge mit 15,1 Prozent nur auf den vierten Platz. Das wäre eine herbe Schlappe für den 77-Jährigen, den Umfragen in Iowa auf dem zweiten Platz gesehen hatten. In landesweiten Umfragen führte der Mitte-Politiker bisher, seine Wahlkampfleiterin Symone Sanders stellte umgehend die Gültigkeit der Ergebnisse in Frage. Buttigiegs Team hingegen erklärte, ihr Kandidat liege vorn. Tatsächliche Resultate sollen aber erst im Laufe des Dienstags präsentiert werden.

Trump selbst übrigens konnte am Montagabend einen weiteren Sieg einfahren, wenn auch einen erwarteten: Er holte gegen weitgehend unbedeutende Gegner bei der Republikaner-Vorwahl in Iowa 97,1 Prozent, was er via Twitter als "big win" bezeichnete. (Manuel Escher, 4.2.2020)