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Diese Woche trifft sich der Vorstand der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf – Clemens Auer vertritt dabei Österreich als Sonderbeauftragter in Sachen Gesundheit. Auf der Agenda des "Executive Board Meetings" der WHO stehen unter anderem geistige Eigentumsrechte an Arzneimitteln. Die Entscheidungen dahingehend würden dabei zur Einführung eines europaweiten Referenzpreissystems führen – so zumindest die Befürchtung des Austrian Economic Centers (AEC) und des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Dabei würden die Preise für Arzneimittel europaweit vereinheitlicht.

Patentrecht und Gesundheit – ein heißes Thema

Die internationalen Eigentumsrechte sind im sogenannten Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – Trips – geregelt. Dabei wird einem Erfinder oder Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum von üblicherweise 20 Jahren das alleinige Recht auf die wirtschaftliche Verwertung auf eine technische Erfindung zugesprochen. Das gibt den Unternehmen eine gewisse Sicherheit auf Profite, die die teilweise hohen Entwicklungskosten wieder einspielen sollen. Das setzt im Umkehrschluss Anreize zur Innovation – so zumindest die gängige Argumentation der Verfechter dieser Regelung.

Wie Preise für Medikamente entstehen

Ethisch heikel wird diese Argumentation freilich, wenn es um den Gesundheitssektor geht. Um einen Ausgleich zwischen den Interessen der Gesellschaft und den kommerziellen Zielen der Wirtschaft zu schaffen, räumen die internationalen Regelungen den einzelnen Staaten einen gewissen Handlungsspielraum ein. So ist der Preis für Arzneimittel in Österreich mittels eines Referenzpreissystems geregelt. Dabei wird ein Höchstpreis festgesetzt, der sich an einem Vergleichspreis orientiert. In Österreich wird dazu nach einer Novelle des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) aus dem Jahr 2017 auf den EU-Durchschnittspreis zurückgegriffen, der in den Preisverhandlungen zwischen Sozialversicherung, Krankenhäusern und Pharmakonzernen nicht überschritten werden darf. Je nach Ausgestaltung eines solchen Systems würde eine solche Regelung das Ziel verfolgen, dass "kein Land zu viel und kein Land zu wenig für Medikamente zahle", so Daniela Bagozzi, eine Sprecherin der WHO.

Milliardengeschäft Pharmazeutika: Bis 2030 soll sich der Umsatz des österreichischen Pharmamarkts auf 5,2 Milliarden Euro steigern.
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Pharmaindustrie schlägt Alarm

Die österreichische Pharmaindustrie und die AEC fürchten nun, dass die Beschlüsse der WHO zu einer Vereinheitlichung der Arzneimittelpreise in Europa führen könnten. Die WHO widerspricht dem allerdings: Das Thema Referenzpreise sei derzeit nicht auf der Agenda des Vorstandstreffens, so Bagozzi. Vielmehr sei man bemüht, für größere Transparenz bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu sorgen, was bei einigen Ländern jedoch auf Widerstand stößt. Letztes Jahr hat die WHO bereits eine Resolution verabschiedet, die den Preisentstehungsprozess bei Arzneimitteln durchsichtiger machen soll.

Nichtsdestoweniger schlägt der Interessenverband der Pharmaindustrie Alarm: "Ein Einheitspreis, ungeachtet der Kaufkraft und des Bedarfs der unterschiedlichen Länder, würde höchstwahrscheinlich zu niedrigeren Preisen führen", so deren Pressesprecher Peter Richter. Die durchschnittlichen Entwicklungskosten eines Medikaments belaufen sich laut Pharmig international auf 2,6 Milliarden US-Dollar. Dabei sind die Kosten für Medikamente, die zwar entwickelt wurden, es aber nicht auf den Markt geschafft haben, miteingerechnet. Niedrigere Preise seien also innovationsfeindlich.

30 Prozent der neuen Krebsheilmittel in Österreich nicht verfügbar

Eine weitere Schwäche des Referenzpreissystems sieht die AEC hinsichtlich der Verfügbarkeit von Medikamenten. So seien etwa 30 Prozent der neuen Heilmittel gegen Krebs in Österreich nicht verfügbar, so das AEC, das sich auf eine Studie des Competitive Enterprise Institute, eines wirtschaftsliberalen amerikanischen Thinktanks, beruft. In den USA sei das anders: Dort stünden den Patienten etwa 90 Prozent der Verfahren zur Verfügung. Das könnte allerdings unter anderem an den unterschiedlich lange dauernden Preisverhandlungen in den Ländern liegen. "Daher sind in manchen Ländern Medikamente oft früher verfügbar als in anderen", so Richter. Ob das ethisch vertretbar ist? "Richter: Am Ende müssen diese Unternehmen immer noch den marktwirtschaftlichen Gesetzen gehorchen", so Richter. (APA, red, 6.2.2020)