Wilhelm Leibl ging es um das Wie, nicht das Was.

bpk / Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Fünf Männer scheinen ins Gespräch vertieft. Doch ihre Münder sind geschlossen. Der deutsche Maler Wilhelm Leibl lässt die Figuren in seinem Gemälde Die Dorfpolitiker aus dem Jahr 1877 verstummen. Sie sehen lumpig aus, sind aus dem Leben gegriffen. Der realistische Maler wollte weder das Schöne noch das Hässliche malen, sondern das Wahre.

Nach einem Studium in München wurde Leibl in Paris von Gustave Courbet entdeckt. Eine vielversprechende Karriere stand ihm bevor, doch der Krieg zwang ihn zurück nach Deutschland, wo er zwar unter Kollegen verehrt wurde, sich 1873 aber aufs Land zurückzog. Die Motive der einfachen Landbevölkerung handeln ihm den Ruf als "Bauernmaler" ein.

Vergessenes Vorbild

Den versucht Wilhelm Leibl. Gut sehen ist alles! in der Albertina zu widerlegen. Seit 25 Jahren wurde Leibls Werk nicht ausgestellt, es ist das erste Mal außerhalb Deutschlands. Die in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich entstandene Retrospektive vereint malerische und zeichnerische Arbeiten. Darunter auch Das Mädchen mit der Nelke, das eigentlich Teil eines großen Gemäldes war, das Leibl aber zerschnitt. "Das eigene Sehen war ihm wichtiger als die Lehre der Akademie", sagt Marianne von Manstein, die die Schau mit Bernhard von Waldkirch kuratiert. Er erfasste Motive realistisch, so wie er sie sah.

Etwas schade ist, dass die Ausstellung keine Werke von Zeitgenossen, wie das im Kunsthaus Zürich der Fall war, zeigt. Dort standen ihm nicht nur Courbet und Manet gegenüber, sondern auch spätere Künstler, wie Maria Lassnig und Wolfgang Tillmans, die ihn zitierten. (Katharina Rustler, 5.2.2020)