Siemens-Chef Joe Kaeser hatte schon mehr zu lachen. Der Technologiekonzern schwächelt in wichtigen Bereichen.

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München – Siemens-Chef Joe Kaeser wehrt sich gegen die Kritik von Klimaschützern an dem Münchner Industriekonzern. Es mute "fast grotesk an", dass sich die Aktivisten ausgerechnet auf Siemens eingeschossen hätten, sagte er am Mittwoch vor der Hauptversammlung in München. Vor der Olympiahalle protestierten mehr als hundert Demonstranten, die sich vor allem an der Rolle von Siemens bei einem Kohleabbauprojekt in Australien stoßen. Sie skandierten "Kohle Stopp" und forderten den Rückzug von Siemens.

"Bei solchen Themen kann man nicht gewinnen", sagte der Vorstandschef resigniert. Der Mini-Auftrag für Signaltechnik stehe in keinem Verhältnis zu den Bemühungen des Konzerns um Klimaschutz. Der Streit ums Klima überschattet auch den bevorstehenden Börsengang der Energiesparte Siemens Energy, die vor allem Technik für Kohle- und Gaskraftwerke liefert.

Siemens ist schwach in das Jahr der Aufspaltung gestartet und hat die Experten-Erwartungen deutlich verfehlt. Die meisten Kennziffern fielen schlechter aus als im Vorjahreszeitraum.

Das bereinigte operative Ergebnis aus dem Industriegeschäft, die meistbeachtete Erfolgskennziffer, brach im ersten Quartal (Oktober bis Dezember) um 30 Prozent auf 1,43 Milliarden Euro ein, teilte Siemens am Mittwoch vor der Hauptversammlung in München mit. Analysten hatten im Schnitt mit 1,88 Milliarden Euro gerechnet. Neben dem Energietechnik-Geschäft schwächelte auch das bisherige Aushängeschild, die Industrieautomatisierung (Digital Industries). Diese litt unter dem Abschwung in der Autoindustrie und im Maschinenbau und musste einen operativen Gewinnrückgang um ein Drittel hinnehmen.

Prognosen für Gesamtjahr bestätigt

Kaeser sprach von einem verhaltenen Start ins Geschäftsjahr. Der Nettogewinn ging um drei Prozent auf 1,09 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz stieg zwar leicht um ein Prozent auf 20,3 Milliarden Euro, der Auftragseingang lag aber mit 24,8 Milliarden Euro um zwei Prozent unter Vorjahr. Siemens bestätigte die Prognosen für das Ende September auslaufende Geschäftsjahr 2019/20: Der Umsatz soll auf vergleichbarer Basis moderat steigen, der Gewinn je Aktie soll zwischen 6,30 und 7,00 (Vorjahr: 6,41) Euro landen.

"Die unbefriedigende Situation im gesamten Energiegeschäft macht deutlich, wo der primäre Handlungsbedarf liegt", sagte Kaeser. Siemens Energy soll im September separat an die Börse gebracht werden, Siemens will sich dann von der Mehrheit trennen. Die restlichen Anteile sollen an die eigenen Aktionäre abgegeben werden. Kern der Sparte sind Turbinen und Dienstleistungen für Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke. Der operative Gewinn in diesem Geschäft brach im ersten Quartal um fast zwei Drittel ein, die Windkraftsparte Siemens Gamesa, der Hoffnungsträger für die Energiewende, rutschte sogar in die roten Zahlen.

Die Siemens-Aktie rutschte am Mittwochmorgen vorbörslich ins Minus, holte die Verluste bis Mittag aber wieder auf.

Die Proteste richten sich gegen die Beteiligung des Münchner Industriekonzerns an einem umstrittenen Kohlebergwerkprojekt der indischen Adani-Group in Australien. Ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten – unter anderem von der Gruppe Fridays for Future – wollen auch offiziell zu den Anteilseignern sprechen.

Alle gegen Kaeser

Für die Vorgangsweise beim Projekt wurde Konzernchef Kaeser nicht nur vonseiten der Umweltschützer kritisiert. Auch die Investoren äußert ihren Unmut. Union Investment, ein Großaktionär, bezeichnete das Adani-Projekt etwa als "kommunikatives Desaster". Der Siemens-Vorstand räumte Fehler ein. "Wären wir noch einmal in der Situation, in der wir frei entscheiden können, fiele sie sicher anders aus", sagte Kaeser.

Vorstandswechsel nächstes Jahr?

Kaesers Vertrag läuft im nächsten Jahr aus. Es könnte also die letzte Hauptversammlung des Managers werden – dass der Vertrag verlängert wird, gilt als unwahrscheinlich. Als designierter Nachfolger gilt Vizevorstandschef Roland Busch. Auf ihn würde die Aufgabe zukommen, Siemens profitabler zu machen. In der "Vision 2020+" hat der Konzern bereits ein 500-Millionen-Euro-Sparpaket in der Verwaltung fixiert. Auch im Digital-Industries-Zweig wird es zu Umwälzungen kommen: Hier sei man sich mit den Arbeitnehmern bereits über Sparmaßnahmen einig. Die freiwerdenden Mittel will Busch für Zukäufe verwenden. (Reuters, red, tk, 5.2.2020)