Innerhalb von 24 Stunden wurde Harald R. nach Deutschland abgeschoben – Möglichkeit, die Maßnahme zu prüfen, hatte er keine.

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Geht es nach dem BFA, soll es R. zehn Jahre lang verboten sein, nach Österreich zu reisen.

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Bomben für Saudi-Arabien und Panzer für die Türkei: Der Rüstungskonzern Rheinmetall gerät wegen seiner Exporte regelmäßig in die Schlagzeilen. Für linke Gruppen ist er eine naheliegende Zielscheibe für Proteste. So auch in Wien, wo Rheinmetall Militär-Lkws herstellt. Zuletzt wurden Anfang September die Mauern des Standorts in Wien-Liesing mit antimilitaristischen Parolen besprüht. Laut Polizei wurde dabei auch der deutsche Student Harald R. auf frischer Tat ertappt.

Bei seiner Festnahme soll R. sich gewehrt und einen Beamten verletzt haben – es gilt die Unschuldsvermutung. Das Verfahren gegen R. läuft noch, trotzdem wurde er schon bestraft: Nach einer Nacht auf dem Revier und der Durchsuchung seiner Wohnung befand sich R. nicht einmal 24 Stunden später mit Blaulicht auf dem Weg zur deutschen Grenze. Als EU-Bürger wurde er in Begleitung von vier Beamten der Spezialeinheit Wega abgeschoben.

Studium "nicht belegbar"

Kurz vor der Abschiebung hatte eine Befragung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) stattgefunden, die Fragen aufwirft. In der Festnahmeanordnung, die vor der Befragung ausgestellt worden war, stand das Ergebnis dieser schon fest: R. ist nach der Einvernahme abzuschieben.

Die Behörde sieht in dem Studenten einen Gefährder, der Angst und Unruhe in der Bevölkerung provoziert. In dem eilig angefertigten Bescheid heißt es, dass R. nur nach Österreich gereist sei, um Straftaten zu begehen. Tatsächlich lebt er seit Jahren in Wien und geht seinem Studium nach. Laut BFA ist das "nicht belegbar". Eine aufschiebende Überprüfung stand R. nicht zu.

Dem Land nicht zumutbar

Doch nicht nur das: Geht es nach dem BFA, soll es R. für zehn Jahre verboten werden, nach Österreich zu reisen. So lange dauert es laut Einschätzung der Behörde, bis der 28-Jährige einen "positiven Gesinnungswandel" betreffend seine Einstellung zur Rechtsordnung vollzogen haben kann. Erst dann sei er dem Land wieder zumutbar.

Für R.s Verteidiger Christian Schmaus ist das Vorgehen des BFA "ungewöhnlich und aus rechtsstaatlicher Perspektive sehr bedenklich". Dass R. der Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz vor der Abschiebung verwehrt worden sei, ist laut Schmaus ein "unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht" seines Mandanten.

In einem wertenden Ton heißt es im Bescheid, dass R. "vollkommen egozentrisch" sei und nur provozieren wolle, weil er sich bei der Befragung wortkarg gab. Das BFA sieht in der Sprayaktion "pseudopolitische Aktivitäten", die R. besser in Deutschland hätte setzen sollen.

Gericht zerpflückt Bescheid

Das zehnjährige Aufenthaltsverbot würde bedeuten, dass R. sein Studium und Leben in Wien aufgeben müsste – deshalb legte er nach seiner Abschiebung Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot ein. Dieser gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Anfang November statt und behob den Bescheid des BFA ersatzlos. Dass R. die öffentliche Sicherheit gefährde, sei weder behauptet noch nachgewiesen, so das Gericht.

Die Behörde will sich aber noch nicht geschlagen geben und beruft gegen die Entscheidung. Bisher ist R. unbescholten, doch ist es laut BFA zu wenig, nur das leere Strafregister für die Einschätzung seiner Gefährlichkeit heranzuziehen. Schließlich habe er bei seiner Festnahme ein hohes Maß an Aggressivität gezeigt. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

Das BFA in Wiener Neustadt schaffte es schon mehrmals wegen umstrittener Bescheide in die Schlagzeilen: Weil ein Afghane keine Pornos auf seinem Handy hatte, konnte er im Weltbild der Behörde nicht homosexuell sein und erhielt deshalb kein Asyl. (Laurin Lorenz, 14.2.2020)