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Sebastian Kurz soll mit der Vorgehensweise der WKStA unglücklich sein.

Foto: Reuters/Foeger

Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Donnerstag in einem Schreiben zu einem runden Tisch zum Thema "Defizite und Verbesserungspotenziale in der Causa WKStA" eingeladen. Den Vorsitz will der Kanzler selbst übernehmen, Alma Zadić (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sollen auch eingebunden sein. Beim runden Tisch soll es nach Meinung des Bundeskanzlers vor allem um drei Punkte gehen: die Verfahrensdauer, das Vertrauen in die Justiz sowie Unabhängigkeit und Objektivität. Außerdem verspricht er eine entsprechende finanzielle Austattung. Wie der damalige Minister Clemens Jabloner im Vorjahr in seinem Wahrnehmungsbericht deponiert hat, fehlen der Justiz allein für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes heuer 90,6 Millionen Euro.

Zuvor waren Aussagen publik geworden, die Kurz in einem Hintergrundgespräch Mitte Jänner getätigt hat. In diesem Gespräch, an dem auch DER STANDARD teilgenommen hat, beschwerte sich Kurz über die Vorgehensweise der WKStA in der Casinos-Affäre. Besonders störte ihn, dass der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) als Beschuldigter geführt wird. Er insinuierte damals, dass die WKStA parteipolitisch agiere. Es ist journalistische Praxis, aus Hintergrundgesprächen nicht zu zitieren. Der "Falter", der nicht bei dem Termin dabei war, machte Gesprächsteile publik – sie sollen an die Wiener Wochenzeitung "herangetragen" worden sein.

Justizministerin verteidigt WKStA

Justizministerin Zadić hat sich am Mittwoch hinter die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gestellt. Die kolportierten Aussagen von Bundeskanzler Kurz könne sie nicht verifizieren und daher nicht bewerten, sagte Zadić. Sie wisse jedoch, dass die WKStA objektiv und unabhängig von der Parteizugehörigkeit ermittle.

Außerdem erinnert sie daran, dass ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm die "Stärkung der Korruptionsbekämpfung" vereinbart haben. Es gelte, die unabhängige Ermittlungsarbeit der Staatsanwälte zu stärken und vermeidbare Berichtspflichten zu reduzieren.

"So nicht formuliert"

Der Bundeskanzler wollte zur Berichterstattung über das Hintergrundgespräch zuerst keine Stellungnahme abgeben. Am Mittwochabend äußerste sich Kurz dann doch noch. Er habe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht unterstellt, dass sie parteipolitisch agiere. "Das habe ich so nicht formuliert", sagte der Kanzler vor Journalisten in Brüssel. Dort hat er den EU-Ratspräsidenten Charles Michel zu Gesprächen über das Budget getroffen.

Gleichwohl sei es aber so, "dass es immer wieder im öffentlichen Dienst politische Parteien gibt, die versuchen, Personen, die ihnen nahestehen, in Führungsfunktionen zu bringen". Das sei in der österreichischen Verwaltung immer wieder mal vorgekommen. Dennoch betonte der Kanzler sein "volles Vertrauen in die Justiz", auch in Justizministerin Alma Zadić, "die gute Arbeit leistet". Auf die Frage, ob er auch Vertrauen in die WKStA habe, antwortete er: "Ich habe Vertrauen in den österreichischen Rechtsstaat", Vertrauen "in die Justiz in Summe".

SPÖ fordert Bundesstaatsanwalt

Mit Unmut reagierte die SPÖ auf die Vorgänge. In einer Pressekonferenz verlangte Justizsprecherin Selma Yildirim am Donnerstag die Einrichtung eines Bundesstaatsanwalts, der die Weisungsspitze gegenüber staatsanwaltlichen Behörden darstellt. Außerdem fordert sie, die Ressourcen der WKStA aufzustocken. Dann würden sich auch manche Verfahren beschleunigen, so Yildirim – wenngleich die lange Verfahrensdauer oft auch an rechtmäßigen Einbringen der Anwälte von Beschuldigten und an der internationalen Verflechtung bei Wirtschaftsdelikten liege.

Standesvertreter empört

Die Standesvertreter und Gewerkschafter reagieren empört auf die kolportierten Zitate, die der "Falter" publik gemacht hatte. Vorausgesetzt, diese Äußerungen seien so gefallen, sei es "unvertretbar, dass der Bundeskanzler den Rechtsstaat und die Justiz derart angreift", sagt die Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte, Cornelia Koller, auf Anfrage des STANDARD.

Wer der Ansicht sei, dass einseitig ermittelt werde, "dem steht der Rechtsweg offen", so Koller, die Strafprozessordnung gebe den Weg vor. Man werde ein offizielles Schreiben an den Bundeskanzler richten.

Schreiben an Kurz

Dieses liegt dem STANDARD nun vor. Darin äußern die Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte wie auch die Bundesvertretung der Richter und Staatsanwälte ihre "Besorgnis und Irritation" über den "geschilderten Angriff auf die Justiz und damit auf die Rechtsstaatlichkeit Österreichs".

Zudem wird versichert, dass "die österreichische Justiz unabhängig, unparteiisch und objektiv Sachverhalte nach ihrem strafrechtlichen Gehalt prüft und sich die Kolleginnen und Kollegen uneingeschränkt der Einhaltung des Amtsgeheimnisses verpflichtet fühlen". Zurückgewiesen werden "pauschale Angriffe auf diese Grundsätze der Gerichtsbarkeit" ebenso wie die "Unterstellung einseitiger oder parteipolitisch motivierter Ermittlungen". Sie bitten um ein persönliches Gespräch mit Kurz. Dieses sei "unumgänglich".

"Keine Partei bevorzugt"

Der Vorsitzende der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Christian Haider, ortet "Unterstellungen", da werde der WKStA und ihren Staatsanwälten pauschal Amtsmissbrauch vorgeworfen. Die Strafverfahren der vergangenen Jahre, in die Politiker involviert waren, zeigten, dass keine Partei bevorzugt oder benachteiligt würde, ermittelt werde bei jedem Anfangsverdacht. Es könne "keine Rede von einseitig geführten Verfahren" sein, so der Gewerkschafter und Vorsteher des Bezirksgerichts Bruck an der Mur.

In der Causa Casinos hätten inzwischen auch unabhängige Richter des Oberlandesgerichts Wien die Rechtsmäßigkeit der Hausdurchsuchungen bestätigt. Insofern würden die kolportierten Vorwürfe des Kanzlers auch die unabhängigen Gerichte betreffen.

Sollten die Aussagen beim Hintergrundgespräch tatsächlich so gefallen sein, müsse sich Kurz entschuldigen, sagt SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim: "Diese roten Netzwerke gibt es nicht."

Der Österreich-Ableger von Transparency International fordert angesichts der Debatte, die Unabhängigkeit der WKStA zu stärken: Dies sei "Aufgabe und Pflicht jeder Bundesregierung und Gesetzgebung". Berichte über Ermittlungen in Korruptionsfällen sollten stets erst im Nachhinein an übergeordnete Dienststellen zu erstatten sein, verlangt die NGO, eine starke und unabhängige WKStA dürfe in ihren Zuständigkeiten nicht beschnitten werden.

Angst vor Umbau der WKStA

Allerdings kursieren Vermutungen, dass genau eine solche Beschneidung geplant sei. Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne unter anderem eine Evaluierung des Managements von Großverfahren sowie der für Wirtschaftsgroßverfahren eingesetzten Kapazitäten vereinbart. Und "soweit sinnvoll", soll es auch eine Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA geben.

Letzteres hat zuletzt Spekulationen genährt, der Sonderstaatsanwaltschaft könnte die Zuständigkeit für Wirtschaftsverfahren entzogen werden. Zadić weist das allerdings zurück. "Das ist nicht geplant", versichert die Justizministerin.

Einen ersten Schritt zur Stärkung der Unabhängigkeit der Ermittlungsarbeit sieht Zadić mit der Weisung an die Fachaufsicht, keine direkten Gespräche mehr mit Beschuldigten zu führen, bereits gesetzt. Dementiert hat die Ministerin allerdings, dass dem Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek – wie medial kolportiert – die Fachaufsicht über die Ermittlungen zur Casinos-Affäre entzogen werden könnte.

Pilnacek hatte sich mit Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner getroffen. Beide sind Beschuldigte in der Causa Casinos. Zadić untersagte daraufhin per Weisung weitere Treffen und persönliche Telefonate mit Beschuldigten, "damit jeglicher Anschein der Befangenheit, der Beeinflussung oder der bevorzugten Behandlung vermieden wird", wie die Ministerin betont. (red, gra, fsc, 5.2.2020)