Ludovic Orban wurde als Premier Rumäniens abgewählt.

Foto: EPA / Stephanie Lecocq

Bukarest – Mit einem Misstrauensvotum haben in Rumänien die oppositionellen Postkommunisten (PSD) am Mittwochnachmittag die Minderheitsregierung unter Premierminister Ludovic Orban (Liberale Partei/PNL) gestürzt. Die Regierung war nur genau drei Monate im Amt.

261 Abgeordnete und Senatoren – 28 mehr als notwendig – stimmten für den Misstrauensantrag, den die PSD und der Ungarnverband (UMDR) einbrachten, nachdem Regierungschef Orban vergangene Woche Änderungen des Kommunalwahlrechts mit der Vertrauensfrage verbunden hatte. Ausschlaggebend zum überraschend deutlichen Votum beigetragen hatte letztlich die Kleinpartei Pro Romania des früheren Premierministers Victor Ponta, obwohl dieser noch vor wenigen Tagen versichert hat, dass seine Fraktion den Misstrauensantrag keineswegs mittragen werde.

Streit um Wahlrecht

Der liberalen Regierung warfen die Postkommunisten unter anderem schwere Verstöße gegen demokratische Wahlrechtsgrundsätze vor – sie habe die "Spielregeln während des Spiels" beziehungsweise wenige Monate vor der Kommunalwahl vom Frühsommer ändern wollen. Orbans Retourkutsche kam prompt: Von einer Partei, die Demokratie und Rechtsstaat dermaßen untergraben habe wie die PSD, lasse er sich nicht belehren.

Für den liberalen Regierungschef und seine Ministerriege bedeutet das Abstimmungsergebnis keinen umgehenden Abgang: zum einen, weil das abgewählte Kabinett vorerst weiter die Geschäfte zu führen hat – allerdings mit eingeschränkten Befugnissen –, zum anderen, weil Staatspräsident Klaus Johannis in den vergangenen Wochen wiederholt klargestellt hatte, im Fall eines Sturzes der Regierung abermals Ludovic Orban mit der Regierungsbildung beauftragen zu wollen.

Neuwahlen rücken näher

Schon seit Jahresbeginn hatten Johannis und Orban wiederholt durchblicken lassen, die ersten Neuwahlen der rumänischen Nachwendezeit anstoßen zu wollen, da wegen der volatilen Mehrheitsverhältnisse im Parlament keinerlei Reformen möglich sind, obwohl das Land sie dringend benötigt. Viele rumänische Politbeobachter sind daher der Meinung, dass Orban die Vertrauensfrage gezielt zu von der PSD seit Jahren abgelehnten Wahlrechtsänderungen gestellt hat, um so einen Misstrauensantrag zu erwirken und Neuwahlen zu forcieren. Letztere sind trotz des heutigen Misstrauensvotums noch keineswegs Gewissheit, rücken allerdings in greifbarere Nähe. Laut rumänischer Verfassung müssen nämlich nach dem Sturz einer Regierung binnen 60 Tagen auch zwei Nachfolge-Kabinette vom Parlament abgelehnt werden, bevor das Staatsoberhaupt die Legislative auflösen und Neuwahlen ansetzen kann.

Der 56-jährige Liberalen-Chef Orban wird daher in den kommenden Wochen sein ganzes Verhandlungsgeschick aufbieten müssen, um mehr als die Hälfte der rumänischen Parlamentarier zu überreden, zwei Nachfolgeregierungen hintereinander abzulehnen und damit ihre eigenen Mandate samt zahlreicher Privilegien vorzeitig aufzugeben.

Die liberale Vizepremierministerin Raluca Turcan hatte erst dieser Tage erklärt, dass ihre Partei Neuwahlen im Juni anstrebt, die zeitgleich mit der regulär steigenden Kommunalwahl angesetzt werden könnten. Sollte der Plan aufgehen, dürfen die Liberalen auf einen haushohen Wahlsieg hoffen: In den Umfragen liegt die liberal-konservative PNL mittlerweile bei mehr als 47 Prozent, während die PSD auf rund 20 Prozent kommt. Als drittstärkste Kraft würde laut jüngster Sonntagsfrage die Reformpartei USR ins Parlament einziehen, während der Ungarnverband, Pro Romania und die linksliberale ALDE allesamt an der in Rumänien geltenden Fünf-Prozent-Parlamentshürde scheitern würden. (APA, 5.2.2020)