Nicht weit weg von der Schilchergegend mit ihren urig-noblen Buschenschanken geht's hinauf in die Hügel. In einer starken Rechtskurve, unten in einer tiefen Senke an einem Bach, stehen drei recht desolate Häuschen. Eines davon ist bewohnt.

Anita Krofitsch lebt mit drei Kindern in einem Häuschen im Wald. Sie möchte nach einer Krebserkrankung nun wieder arbeiten.
Foto: Alexander Danner

Es ist ein ungewöhnlich milder Jännertag in der Weststeiermark, die Sonne wärmt die Natur frühlingshaft auf. Das kleine Wohngebäude steht, umgeben von hohen Bäumen, gänzlich im Schatten. Klammfeucht ist es hier. "Manchmal im Sommer verirren sich eh ein paar Sonnenstrahlen herein", lächelt Anita Krofitsch. Es gibt Schlimmeres in ihrem Leben als die paar fehlenden Sonnenstunden.

Drinnen in der Küche strahlt der Holzofen wohlige Wärme aus. "Das Wichtigste ist, dass die Kinder ein warmes Zuhause haben", sagt Frau Krofitsch. Sie lebt hier mit den drei Kindern – sie sind drei, sieben und elf Jahre alt – in einer Wohnumgebung, die unwillkürlich die TV-Serie eines deutschen Privatsenders in Erinnerung ruft, in der ein Profi-Bautrupp eine baufällige Unterkunft in Schuss bringt und die ganze Familie, die dann die kostenlos renovierten vier Wände bestaunt, in Tränen ausbricht.

Sohn Lukas kann nur weiche Sachen essen, seine Zähne sind erkrankt.
Foto: Alexander Danner

Der kleine, dreijährige Lukas sitzt im Kindersessel am Küchentisch, die Mama schiebt ihm behutsam Löffel für Löffel Suppe mit Backerbsen und Teigfleckerln in den Mund. Er kann nur weiche Sachen essen. Lukas hat "einen Gendefekt", sagt Frau Krofitsch, "die Zähne sind, wenn sie rauskommen, wie Kaugummi".

Erst kürzlich sei er wieder operiert worden. Lukas braucht eine Prothese. Der Bub ist kreuzfidel, so als ginge ihn das Ganze gar nichts an.

Anita Krofitsch hat Lukas als Pflegling zu ihren beiden anderen Kindern dazugenommen. Sie musste ihn einfach zu sich holen. Die tristen Verhältnisse bei ihr sehr nahe stehenden Verwandten, in denen Lukas aufwuchs, "da konnte ich nicht länger zusehen und ihn dort lassen". Sieben Tage nachdem sie Lukas endlich im Haus hatte, kam die Diagnose: Brustkrebs.

Krofitsch jammert nicht, sie sagt nur, es sei "schon hart". Und das eigentlich immer. Es ist der 27. Jänner, und es sind – sie weiß es auf den Cent genau – noch drei Euro und 40 Cent in der Brieftasche.

Vor allem gegen Ende des Monats wird das Budget knapp.
Foto: Alexander Danner

Sie sitzt hier, 34 Jahre alt, irgendwie gefangen in der Einschicht. Die junge Frau war Köchin, sogar Küchenchefin, ehe bei ihr Krebs diagnostiziert wurde. Monate mit Chemotherapien und schweren Operationen folgten, der Krebs strahlte in die Gebärmutter aus, plötzlich ein Blutsturz. Sie kämpfte sich durch. "Heute bin ich krebsfrei, aber man hat mir gesagt, er kommt wieder. Wann? Ich weiß es nicht."

Was, wenn es Geld regnete?

Aber da ist noch die Tochter. "Sie ist schon viermal wegen dem Hautkrebs operiert worden. Er wächst immer nach, aber er ist bis jetzt gutartig. Nur: Wer weiß? Nachdem ich Krebsträgerin bin." Dass der Sohn schwerer Legastheniker ist, fällt da gar nicht mehr ins Gewicht. Vielleicht wäre vieles anders gekommen, wenn der Ex nicht gewesen wäre. Sie hatte mit ihm einen Kredit für den Kauf des Hauses aufgenommen. Er ist mittlerweile weg, sie blieb auf den Schulden sitzen. 640 Euro monatlich Rückzahlung, bis 2045. An einen Verkauf ist nicht zu denken, niemand will das Haus.

Momentan lebt Frau Krofitsch von der Kinderbeihilfe, kleinen Alimentenzahlungen und dem Pflegegeld für Lukas. Volkshilfe und Caritas helfen manchmal aus. Dem stehen gegenüber: Kreditrückzahlung, Strom, Versicherungen, Telefon, Auto – das jetzt wegen eines Kupplungsschadens nicht mehr fahrtüchtig ist. "Die paar Hundert für die Reparatur sind einfach nicht drinnen. Ich hab mir zwar ein bisserl was auf die Seite gelegt. Ich spare seit Jahren 20 Euro für meine Kinder und 50 Euro für uns alle – als Sicherheit. Jetzt habe ich aber genau 1.500 Euro zu viel gespart, und die muss ich verbrauchen, damit ich wieder die Mindestsicherung bekomme", sagt Frau Krofitsch.

Arbeiten, so wie früher als Köchin, ist nicht mehr möglich. Die Chemo hat die Nervenbahnen der Arme und Beine schwer beeinträchtigt. "Ich will aber unbedingt wieder arbeiten, vielleicht als Verkäuferin oder Lagerarbeiterin."

Helden im Fernsehen – Lukas spielt sie nach.
Foto: Alexander Danner

Was, wenn es Geld regnen würde? "Ein Urlaub, das wäre wirklich einmal schön. Wir waren einmal mithilfe der Volkshilfe eine Woche in Murau. Das war schön mit den Kindern. Oder so ein Tag in einer Therme, das wäre was."

Bis dahin bleiben in Summe 200 Euro monatlich fürs Essen – und die Stoffwindeln für den Kleinen. Die er sich von Mama immer wieder laut fordernd umbinden lässt. Als Cape.

Dann ist Lukas Superman. (Walter Müller, 6.2.2020)