"Beschämend" empfindet diese Demonstrantin vor dem US-Kongress die Vorgänge zum Impeachment-Prozess.
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Ein Schuldurteil im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump galt schon im Vorhinein als völlig illusorisch. Bis auf den einen Senator oder die andere Senatorin aus den Reihen der Republikaner galten alle Parteifreunde – und auch seine (insgeheimen) Feinde innerhalb der Grand Old Party – als Garanten für einen Freispruch. Dabei erschien die Beweislast gegen den Mann im Weißen Haus eindeutig, ja sogar erdrückend.

Doch darum ging es bei der finalen Abstimmung im Impeachment-Prozess in der Nacht auf Donnerstag gar nicht. Das wurde Ende vergangener Woche klar, als die im Senat mit einer Mehrheit ausgestatteten Republikaner – mit Ausnahme von Susan Collins aus Maine und Mitt Romney aus Utah – den Prozess de facto abwürgten: Es wurden keine weiteren Zeugenaussagen zugelassen. Und bestätigt wurde somit ein weiteres Mal: Das hier ist kein juristischer, sondern ein politischer Prozess – und der hat nur einen Zweck: den Machterhalt.

Kein Prozess ist ...

Schon kursiert hundert- und tausendfach die Befürchtung, mit diesem Urteil werde ein Präzedenzfall geschaffen; in Zukunft könne ein Präsident – oder eine Präsidentin – fast nach Belieben schalten und walten. Denn es sei nunmehr möglich, den Vorwurf des Amtsmissbrauchs mit dem Argument zu entkräften, dass alles im Interesse der Bürger geschehen sei – so taten es Trumps Anwälte.

Wird es also möglich sein, künftiges präsidiales Fehlverhalten mit Hinweis auf die "Causa Trump" einfach abzutun?

ORF-Korrespondent Christophe Kohl berichtet aus den USA.
ORF

Nein, wehrt Rechts- und Politologieprofessorin Kirsten Carlson von der Wayne State University in Detroit, Michigan, ab: Im Gegensatz zu einem Strafrechtsprozess würde ein Impeachment-Verfahren prinzipiell nur eingeschränkt – nämlich ausschließlich im unverbindlichen Bereich – als Präzedenzfall taugen. "Der Senat kann zwar Prozeduren studieren, die er in vergangenen Amtsenthebungsverfahren zur Anwendung brachte", erklärt die Professorin, "Aber diese Prozeduren müssen nicht befolgt werden."

In der Tat enthält die US-amerikanische Verfassung nur sehr wenige verbindliche Anweisungen in diesem Zusammenhang, etwa in Artikel 1, Abschnitt 3, wo es heißt: "Der Senat hat das alleinige Recht, über alle Amtsanklagen zu befinden."

In den 1990er-Jahren entschied das US-Höchstgericht, dass andere Gerichte die Entscheidungen und Vorgehensweisen des Senats nicht beeinflussen und revidieren dürfen. Allein die Kongresskammer selbst habe das Recht dazu.

... wie der andere

Gegen die These, dass mit dem Prozess gegen Trump ein Präzedenzfall geschaffen worden sei, sprechen außerdem die zwei historischen Amtsenthebungsverfahren gegen Andrew Johnson (1868) und Bill Clinton (1998/99): In beiden Fällen waren die Prozeduren strukturell zwar ähnlich, aber keineswegs ident mit jenen im Fall von Trump (2019/20).

Carlson ist überzeugt, dass künftige Impeachment-Verfahren wieder ganz anders ablaufen werden: "Der Senat kann seine Regeln durch Mehrheitsentscheidungen ändern – wann immer er es will."

Verfahrensregeln werden also flexibel gehandhabt werden können; fix bleibt hingegen die Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit im Senat für die tatsächliche Absetzung eines Staatsoberhauptes: Diese ist nämlich in der Verfassung im besagten Artikel 1 festgehalten: "Niemand darf ohne Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder schuldig gesprochen werden."

Diese Regel ist gleichsam in Stein gemeißelt, denn bisher wurden in den USA sämtliche Verfassungsänderungen nur durch Zusatzartikel vorgenommen. Der originale Text des Grundgesetzes wurde noch nie geändert – und so wird es bleiben. (Gianluca Wallisch, 6.2.2020)