Der Wohntraum der Österreicher ist schnell erklärt: Die meisten wünschen sich ein Einfamilienhaus im Grünen. Für viele Raumplaner klingt das eher nach einem Albtraum. Denn Einfamilienhäuser – und die dazugehörige Infrastruktur wie Straßen – fressen Boden und können im Alter zur Bürde werden.

Dabei ist die große Liebe der Österreicher zu dieser Wohnform eine junge. "Das Einfamilienhaus ist ein Irrtum des 20. Jahrhunderts", sagt der oberösterreichische Architekt Fritz Matzinger. Früher lebten Menschen laut Robert Korab vom Wiener Städtebaubüro Raum&Kommunikation in zusammenhängenden Siedlungen rund um ein Dorfzentrum. Das bot den Häusern Schutz, den Menschen Gemeinschaft. Die Einfamilienhaus-Teppiche breiteten sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg im ganzen Land aus.

Baum pflanzen, Haus bauen, Kind kriegen – das sind für manche die großen Ziele im Leben. Der Hausbau ist aber nicht unumstritten.
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In einem freistehenden Haus lebten früher nur Großgrundbesitzer, was mit einem höheren sozialen Status einherging, erklärt Korab. Das Einfamilienhaus ist für ihn eine Abwandlung dieses Gutshofes. Nur wurden die hohen Zäune durch Thujenhecken ersetzt.

In manchen Fällen spiegle sich die feudale Herkunft der Wohnform sogar in ihrer Architektur wider. Etwa wenn das traute Eigenheim Ähnlichkeit mit einem Schlösschen aufweist. Das Einfamilienhaus, erklärt Korab, sei für viele Teil ihrer Identität. Das erklärt, warum Nachbarschaftsstreitigkeiten nirgends erbitterter geführt werden – und Kritik an der Wohnform auch STANDARD-Leser aufregt.

Keine private Entscheidung

Und Kritik gibt es genug. "Es ist ein absoluter Wahnsinn, dass heute noch Einfamilienhäuser gebaut werden", sagt die Architektin Sabine Pollak, Architekturbloggerin auf derStandard.at. Die Wahl der Wohnform sei keineswegs privat. Die ökologischen Folgen und die Kosten, die für die Allgemeinheit entstehen, würden alle etwas angehen. Pollak fordert daher eine Abschaffung der Wohnbauförderung für Einfamilienhäuser.

Aber was steckt hinter dem Traum vom Haus? Häuslbauer, mit denen DER STANDARD gesprochen hat, erzählen häufig von ihrem Wunsch, dass ihre Kinder einmal so aufwachsen wie sie selbst: im großen Haus mit Garten. Viele erhoffen sich auch Privatheit und Nähe zur Natur. Manche wollen sich durch den Hausbau mit viel Eigenleistung auch Geld sparen – und sich selbst verwirklichen, indem sie ein Haus errichten, bei dem sie jedes Detail bestimmen können.

Alternativen – mehrgeschoßiger Wohnbau, verdichteter Flachbau, Reihenhäuser – können diese Wünsche oft nicht erfüllen. Vorschläge, wie es funktionieren könnte, gibt es aber: Robert Korab wünscht sich eine Rückkehr zu einer "dörflichen Siedlungstypologie" rund um ein Zentrum, in der die Vorteile von Gemeinschaft genutzt werden.

Architektin Pollak schlägt vor, mehr Selbstbau im Geschoßwohnbau zu ermöglichen – ein Modell, das sie mit der Architektin Silja Tillner entwickelt hat. Dafür würden Wohnungen fast im Rohzustand übergeben und nach Anleitung selbst ausgebaut. Eine Chance zur Selbstverwirklichung.

Gemeinschaftlich wohnen

Eine andere Variante: Der Architekt Fritz Matzinger bietet mit seinen Atriumhäusern, die um einen gemeinschaftlichen Innenraum angeordnet sind, seit Jahrzehnten eine Option für Menschen, die gemeinschaftlich wohnen wollen. So hat er 2015 einen teilweise denkmalgeschützten Vierkanthof in Garsten in ein Wohnhaus verwandelt.

Wohnen im Grünen, aber nicht im Einfamilienhaus: In Garsten hat Architekt Matzinger einen Vierkanthof umgebaut.
Foto: Matzinger

Vielerorts fehle das Wissen um diese Alternativen zum Einfamilienhaus, kritisieren Experten. Und in manchen Gemeinden schlägt guten Ideen auch Gegenwind entgegen. "Früher haben sie geglaubt, wir sind verkappte Kommunisten", sagt Matzinger. Mittlerweile sei das besser geworden.

Letztlich wird es die Alternativen zu Einfamilienhäusern brauchen, weil ihre Bewohner immer älter werden und in ihren vier Wänden zunehmend vereinsamen. Das Einfamilienhaus sei eine "unsoziale Bebauungsform", sagt Matzinger. Kommunikation mit den Nachbarn gebe es nur über den Gartenzaun hinweg. "Aber der Mensch braucht Gemeinschaft", ist Matzinger überzeugt.

Irgendwann wird sich der Wohntraum der Österreicher daher wohl ändern müssen. Aber das braucht Zeit und Fingerspitzengefühl, so Korab. Und Alternativen, die Häuslbauer überzeugen. (Franziska Zoidl, 8.2.2020)

Warum der Traum vom Einfamilienhaus? Drei Häuslbauerinnen erzählen:

Viele Häuslbauer wünschen sich, dass ihre Kinder so aufwachsen wie sie selbst.
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Lehrerin (50)

"Im Herbst haben wir mit dem Bau unseres Einfamilienhauses im Linzer Speckgürtel begonnen. Wir sind in einem eher untypischen Hausbau-Alter, weil unsere Kinder schon fast erwachsen sind. Aber es war unser Lebenstraum, und den wollten wir uns jetzt erfüllen.

"Was, das tut ihr euch jetzt noch an? Aber die Kinder ziehen ja bald aus", sagen viele, wenn wir von unserem Hausbau erzählen. Wir finden schon, dass es sich auch jetzt noch auszahlt. Denn wir werden einen Pool und eine Sauna und genügend Platz haben, wenn die Kinder uns später mit ihren Familien besuchen kommen.

Der Auslöser für den Baustart war aber, dass die Baugenehmigung für das Grundstück, das wir vor zehn Jahren gekauft haben, abgelaufen ist. Das zwang uns dazu, endlich eine Entscheidung zu treffen. Mittlerweile steht der Rohbau. Mein Mann und ich sind beide berufstätig, daher haben wir die Arbeiten an eine Baufirma übergeben. Ein Bauleiter koordiniert alles.

Unser Traum vom Einfamilienhaus hat sicher damit zu tun, dass wir selbst in einem aufgewachsen sind und in der Kindheit einen großen Garten zur Verfügung hatten. Ich wünsche mir einen weiten Blick in alle Himmelsrichtungen. Ein Einfamilienhaus ist ein absoluter Luxus, den wir uns jetzt gönnen, weil wir beide schon viel gearbeitet haben.

Noch ein Grund für den Hausbau: In unserem aktuellen Zuhause – einem Reihenhaus mit 100 Quadratmeter Wohnfläche – fehlt uns der Stauraum. Man muss sich ständig von Dingen trennen und kämpft permanent gegen die Unordnung. Auf 300 Quadratmeter Wohnfläche werden wir für jeden Gegenstand einen Platz und endlich mehr Luft haben.

Unser Haus wird als Zweigenerationenhaus gebaut. Theoretisch können mein Mann und ich uns also im Alter auf ein Stockwerk zurückziehen. Sogar ein Zimmer für die Pflegerin wird es geben."


Eine Motivation für viele: ein Haus ganz nach den eigenen Wünschen gestalten.
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Marketing-Fachfrau (30)

"Wir sind gerade dabei, uns die Unterschriften unserer zukünftigen Nachbarn für den Einreichplan zu holen. Ich glaube, das wird nicht ganz so leicht, weil auf unserem Grundstück ewig nur eine Gartenhütte gestanden ist. Nun verbauen wir dem einen oder dem anderen ein wenig die Sicht.

Sobald das erledigt ist, können wir die Ausschreibung machen. Ich hoffe, dass wir im Sommer oder Herbst zu bauen beginnen können. Nervös macht mich das nicht. Nachdem wir beide keine Ahnung vom Bauen haben, wird unser Architekt bei uns die Bauaufsicht übernehmen. Die Baufirmen könnten uns sonst wirklich alles erzählen. In eineinhalb Jahren wollen wir einziehen.

Der Hauptgrund für das Einfamilienhaus ist für uns, dass man sich bei sämtlichen Details genau aussuchen kann, was man will – innen, außen, bei der Lage ... Wobei, ganz stimmt das auch nicht: Wir wollten ursprünglich unbedingt ein Grundstück in der Stadt. Da haben wir aber gar keines gefunden, auf dem nicht schon ein in die Jahre gekommenes Haus stand.

Wir wollten so wohnen, wie wir selbst aufgewachsen sind, mit großem Garten. Unsere Kinder sollen einmal auf der Straße spielen können. Und wir wünschen uns auch mehr Privatsphäre. Auf unseren Balkon in der Stadt sehen alle Nachbarn. Hier werden wir – theoretisch – nicht einmal Vorhänge brauchen.

Wir haben uns rundherum nicht viele Leute und einen schönen Ausblick gewünscht. Dass dann keine Öffis in der Nähe sind, ist klar. Aber wir haben abgewogen, was uns wichtiger war – und nehmen jetzt in Kauf, dass ich die Kinder in Zukunft mal wo hinfahren muss und auch der nächste Supermarkt nicht fußläufig erreichbar ist. Aber vielleicht legen wir uns ja ein E-Bike zu."


Eine Motivation: die Nähe zur Natur.
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Wirtschaftsprüferin (31)

"Wir wollen heuer im Herbst mit dem Hausbau anfangen. Dafür überlassen uns meine Großeltern ihr Grundstück. Nachdem ich und mein Freund aus demselben Ort sind, ist eigentlich nie ein anderer Wohnort für uns zur Diskussion gestanden. Derzeit wohnen wir noch in einer Wohnung in Linz. Aber uns fehlt dort die Nähe zur Natur.

Wir haben unseren Großeltern mittlerweile einen Bungalow auf dem Grundstück gebaut, ihr altes Haus werden wir abreißen. Der Hauptgrund für ein Haus ist für mich ein Garten. So sind ich und mein Freund aufgewachsen, beide auf einem Bauernhof mit viel Grün rundherum. Wir haben außerdem viele Hobbys und brauchen dafür Platz. Und ein Haus kann man sich genau so richten, wie man es sich wünscht.

Wir wollten unser Haus von einem Architekten planen lassen, weil das Grundstück ein wenig komplizierter ist. Es ist sehr lang und schmal, und wir wollten das Meiste rausholen. Der erste Architekt hat uns einen Plan vorgelegt, wir haben drauf geschaut und gewusst: Das machen wir nicht.

Dann haben wir eine befreundete Architektin um Unterstützung gebeten. Das gefällt uns jetzt sehr gut. Die Wohnbereiche werden groß und gemütlich sein, dafür haben wir bei anderen Räumen Platz gespart. Insgesamt werden wir 160 Quadratmeter Wohnfläche haben.

Wir haben uns für einen Holzriegelbau entschieden. Ursprünglich wollten wir Massivbauweise. Aber das haben wir beim Bungalow für meine Großeltern ausprobiert. Wir haben fast alles selbst gemacht und gemerkt, wie sehr das an unsere Substanz geht. Nachdem bei einem Holzriegelbau viele Elemente vorgefertigt werden, wird das hoffentlich eine Arbeitserleichterung. Außerdem ist es uns wichtig, möglichst ökologisch zu bauen." (8.2.2020)