Vor einem Jahr wurde in Dornbirn der Sozialamtsleiter von einem Asylwerber aus der Türkei umgebracht. Die Frage, ob die Tat verhindert werden hätte können, beschäftigt seitdem die Politik.

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Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisiert die Grünen für das "Greenwashing" der Sicherungshaft. Sie veröffentlicht ein von den Neos in Auftrag gegebenes Gutachten, das die Verfassungswidrigkeit der Sicherungshaft belegen soll.

Das Rechtsgutachten wurde im April 2019 vom Verfassungsjuristen Franz Merli von der Uni Wien erstellt. Die Neos präsentieren es zum Jahrestag des tödlichen Messerangriffs auf einen Sozialamtsleiter durch einen Asylwerber in Dornbirn. Der Fall gab damals den Anstoß zur Idee, potenziell gefährliche Personen präventiv in Haft zu nehmen. Meinl-Reisinger – die Politikerin – gibt an, dabei an die Angehörigen zu denken: "Was die alle am wenigsten brauchen, ist, dass Politiker oder Politikerinnen diesen Fall missbrauchen, um irgendwelche politischen Themen zu spielen oder voranzutreiben."

Als Basis des Gutachtens dient der Entwurf der ÖVP-FPÖ-Regierung, der im März 2019 publik wurde. Laut Wolfgang Peschorn, Innenminister in der Übergangsregierung, sei der Fall in Dornbirn rechtlich nicht zu verhindern gewesen. Laut einer Evaluierung des Ministeriums befand sich der mittlerweile – nicht rechtskräftig – verurteilte Täter zum Zeitpunkt seiner Tat in einem Asylverfahren. Damit wären frühere Verurteilungen, sein Aufenthaltsverbot und die beiden erfolgten Abschiebungen im Jahr 2009 in Österreich rechtlich nicht relevant – er hätte zu diesem Zeitpunkt also nicht abgeschoben oder in Schubhaft genommen werden können.

Laut Merli verlangt auch die Menschenrechtskonvention, dass "Schubhaft nur verhängt und aufrechterhalten wird, wenn und solange ein Ausweisungsverfahren gegen die betroffene Person anhängig ist, ernsthaft betrieben wird und Aussicht auf Erfolg hat".

Grüne "Bankrotterklärung"

Türkis-Grün sieht in der Frage, wie man mit als gefährlich eingeschätzten Asylwerbern umgehen soll, eine mögliche Gesetzeslücke. Im Regierungsprogramm setzen sich die Parteien das Ziel, einen "zusätzlichen, verfassungskonformen Hafttatbestand" einzuführen. Wie – darüber sind sich ÖVP und Grüne alles andere als einig. Vorsatz: Die EMRK und EU-Recht müssen eingehalten werden. Verfassungsjurist Merli sieht, zumindest mit dem Entwurf der türkis-blauen Regierung, keine Möglichkeit, dass eine Sicherungshaft unionsrechtskonform und damit auch verfassungskonform umgesetzt werden kann.

Neos-Chefin Meinl-Reisinger kann es nicht fassen, dass unter einer grünen Regierungsbeteiligung eine Präventivhaft im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Sie nennt das eine "Bankrotterklärung" der Grünen.

In einem aktuellen Interview im "Profil" verweist Vizekanzler Werner Kogler auf das niederländische Modell und einen Paragrafen, der eine Inhaftierung, "wenn jemand schon zwei-, dreimal verurteilt wurde, wieder einreist, einen Asylantrag stellt, gleichzeitig Drohungen ausspricht", ermöglicht. "So etwas kommt vielleicht einmal in einer Legislaturperiode vor."

Somit wäre dieses Gesetz nur einmal alle fünf Jahre relevant. Merli sieht keine Notwenigkeit und zu wenig Begründung für eine Sicherungshaft. Die jüngste Idee aus der SPÖ, die Präventivhaft auch auf Österreicher auszuweiten, ist für Merli ebenso wenig aussichtsreich. (Johanna Fuchs, 5.2.2020)