Es war immer dasselbe Muster. Mit großem Getöse und vielen Versprechungen wurde von der früheren türkis-blauen Regierung eine Maßnahme präsentiert und als gerecht verkauft. Das Sozialsystem müsse geschützt werden, nur dann könne es aufrechterhalten werden. Die Botschaft dahinter schwang mal mehr, mal weniger deutlich mit: Vor allem Ausländer würden sich die großzügigen Leistungen erschleichen.

Die Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenserhaltungskosten im Heimatland sollte vor allem osteuropäische Pflegekräfte und ihre Kinder treffen. Die neue Sozialhilfe wurde so aufgesetzt, dass gute Deutschkenntnisse Bedingung waren und Mehrkindfamilien benachteiligt wurden. Und bei der Einführung der E-Card mit Foto drehte die FPÖ ein scheußliches Video, das einen "Ali" dabei zeigt, wie er seine Karte mit anderen teilt. Was ÖVP und FPÖ als fair präsentierten, war einfach nur diskriminierend. Es war eine bewusste Strategie, Neid zu schüren und Migranten als Menschen zweiter Klasse zu blamieren.

Doch die Ankündigungen waren größer als der tatsächliche Nutzen. Die Sozialhilfe wurde in großen Teilen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Die Implementierung eines Fotos auf der E-Card kostete 18 Millionen Euro, deutlich mehr als der verschwindend geringe Schaden. 2016 meldeten nur Wien und Niederösterreich Fälle, das Minus betrug 15.000 Euro. Zwei Jahre später wurden überhaupt nur vier Betrugsfälle in Wien registriert.

Die Implementierung eines Fotos auf der E-Card kostete 18 Millionen Euro.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Und auch bei der Anpassung der Familienbeihilfe nahmen Kurz und Strache den Mund zu voll. Von den veranschlagten 114 Millionen Euro, die sich Türkis-Blau durch geringere Leistungen für osteuropäische Arbeitskräfte ersparen wollten, kann heute keine Rede mehr sein. Knapp die Hälfte – nämlich 62 Millionen Euro – wurde erzielt.

Die Konsequenzen muss nun die türkis-grüne Regierung ausbaden. Die ÖVP ist mitverantwortlich, die Grünen haben Entscheidungen geerbt, die ihrer Überzeugung widerstreben. Was bleibt? Die Sozialhilfe wird wieder den Bundesländern übertragen, ein einheitliches System ist Geschichte. Wird die indexierte Familienbeihilfe – wie erwartet – vom Europäischen Gerichtshof gekippt, drohen Österreich nicht nur Nachzahlungen in Millionenhöhe, die Regierung muss auch ein neues Modell ausarbeiten. Für die Grünen wäre das eine Chance zu zeigen, was sie unter gerechter Sozialpolitik verstehen. (Marie-Theres Egyed, 5.2.2020)